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# taz.de -- Geiger Daniel Hope spielt „Spheres“: Etikettenschwindel im All
> Daniel Hope ließ sich von den Pythagoreern zum Album „Spheres“
> inspirieren. Von deren Harmonielehre ist beim ihm jedoch sehr wenig zu
> hören.
Bild: Wie klingt eigentlich die Harmonie von Gliese 581e?
Daniel Hope ist ein aufgeschlossener Geiger. Der 1974 in Südafrika geborene
britische Musiker, mit diversen Klassik-Echos ausgezeichnet, spielte im
vergangenen Jahr etwa Max Richters Neukomposition von Antonio Vivaldis „Die
vier Jahreszeiten“ ein. In seinem Repertoire bewegt sich Hope entspannt
zwischen Barock und 21. Jahrhundert, wobei er auch starkes Interesse an der
Musik der Gegenwart zeigt.
Einen Überblick über Hopes musikalische Vorlieben bietet eine Compilation,
die bei der Deutschen Grammophon unter dem Titel „Spheres“ erschienen ist.
Neben einem weniger bekannten Vertreter des Barock namens Johann Paul von
Westhoff, in dem Hope ein Vorbild für den ebenfalls in arrangierter Form zu
hörenden Johann Sebastian Bach erkennt, hat der Geiger überwiegend lebende
Komponisten versammelt – von den Minimalismus-Stars Philip Glass, Michael
Nyman und Max Richter über den Klang-Asketiker Arvo Pärt bis hin zu
jüngeren Künstlern wie Lera Auerbach oder dem 29-jährigen Alex Baranowski.
Zum Titel „Spheres“ schreibt Hope im Booklet von seiner frühkindlichen
Faszination für das bestirnte Firmament. Als Jugendlicher sei er dann
bekannt gemacht worden mit der Entdeckung der mathematischen Grundlagen der
musikalischen Harmonie durch die Pythagoreer und ihrem Glauben an einen
Zusammenhang zwischen der Harmonie der Töne und der Ordnung des Kosmos, den
später der Astronom Johannes Kepler mit seinem Konzept der „Weltharmonik“
weiterentwickelte.
## „Ist da draußen irgendwas?“
Hope selbst sieht die „Sphärenmusik“ vereint unter der Frage: „Ist da
draußen irgendwas?“ Wenn mit „draußen“ jetzt nicht das Weltall, sondern
schlicht die Welt vor der Tür gemeint sein soll, dann kann das Programm
durchaus überzeugen.
Ansonsten muss man sich fragen, unter welchem Gesichtspunkt Kompositionen
wie das in sich gekehrte „Fratres“ von Pärt oder Ludovico Einaudis
verträumte „I Giorni“ ausgesucht wurden. Eine dezidiert außerirdische
Programmatik lassen sie jedenfalls nicht erkennen. Mit Sphärenmusik im
Sinne der Pythagoreer hat dieses Album zudem höchst wenig zu tun.
Was die Pythagoreer herausfanden, waren ganzzahlige Schwingungsverhältnisse
der Töne zueinander: Wenn zum Beispiel der Kammerton, das sogenannte
eingestrichene a, mit einer Frequenz von 440 Hertz schwingt, dann ist die
Oktave darüber, also das nächsthöhere a, 880 Hertz schnell. Das ergibt ein
Schwingungsverhältnis von 1 zu 2. Das Tolle daran: Es gibt tatsächlich
Musik aus Tönen, die in dieser mathematischen Strenge schwingen. Im 20.
Jahrhundert haben Komponisten wie Ben Johnston oder La Monte Young mit
ganzzahligen Harmonien gearbeitet.
## Musik in wohltemperierter Stimmung
„Spheres“ allerdings bietet kein einziges Werk mit „Sphärenharmonie“. …
präsentiert stattdessen Musik in wohltemperierter Stimmung. Das sind die
Töne, in denen heutige Instrumente wie Klavier und Gitarre üblicherweise
gestimmt sind. Sie sind aber in der Mehrheit nicht harmonisch „rein“ im
Sinne der Pythagoreer.
Von dieser verpassten Gelegenheit abgesehen, stört ein anderer Zug dieses
Albums: Sämtliche Stücke sind im Duktus durchweg eingängig. Manchen Beitrag
könnte man seiner gefühligen Melodik wegen fast als kitschig bezeichnen.
Beim Hören drängt sich daher der Eindruck auf, hier werde
verkaufsfördernder Etikettenschwindel betrieben. Zugegeben, ein Name wie
„Classical Chillers“ wäre weniger ambitioniert. Er käme der kosmischen
Wirklichkeit aber um einiges näher.
13 Aug 2013
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Pop
Kopenhagen
Baltikum
Musik
Musik
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