| # taz.de -- Flüchtlingsberatung im Wandel: "Die Ausländerbehörde ist eine ha… | |
| > Seit 30 Jahren gibt es die Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge | |
| > und Migranten (KuB) in Kreuzberg. Sie hilft allen, die durch die | |
| > Hilfsnetze fallen - ehrenamtlich. | |
| Bild: Mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz steht das KuB in engem Kontakt. | |
| taz: Frau Karpenstein, die KuB macht seit 30 Jahren Flüchtlingsberatung - | |
| wie viele andere Organisationen in der Stadt. Was ist das Besondere an | |
| Ihnen? | |
| Johanna Karpenstein: Wir sind da für alle - auch für jene, die immer | |
| schwieriger Zugang bekommen zu Beratungsangeboten, weil ihr | |
| Aufenthaltstitel nicht gesichert ist. Unser Angebot ist im doppelten Sinne | |
| ganzheitlich: Erstens können alle kommen, auch Papierlose oder Leute mit | |
| prekärem Aufenthaltsstatus, und wir kümmern uns um alles, kein Anliegen | |
| wird zurückgewiesen. Zweitens versuchen wir, die Probleme in ihrem | |
| Zusammenhang zu begreifen und zu lösen - etwa indem wir soziale Netzwerke, | |
| Familiennetzwerke miteinbeziehen. Diese ganzheitliche Sozialarbeit für | |
| Flüchtlinge oder Geflüchtete gibt es immer weniger. | |
| Warum? | |
| Das Problem ist die Projektförderung. Damit sind immer verschiedene | |
| Maßgaben verbunden - und heute geht es meist in Richtung | |
| Integrationspolitik. Die Papierlosen, Geduldeten fallen da untern Tisch, | |
| sie sollen ja gar nicht integriert werden. Im Gegenteil wird sogar | |
| strukturell verhindert, dass sie an Deutschkursen teilnehmen, arbeiten oder | |
| dass sie überhaupt Lebensbedingungen haben, unter denen sie sich in diese | |
| Gesellschaft einfinden können. | |
| Dann können Sie wohl keine Förderung, etwa vom Senat, erwarten. | |
| Nein, offenbar nicht. Um Fördergelder vom Senat bewerben wir uns seit 30 | |
| Jahren vergeblich. | |
| Auch dieses Jahr? Gerade wurden die Förderrichtlinien für | |
| Integrationsprojekte geändert. | |
| Ja, wir dachten auch, dass wir deswegen eine Chance hätten, weil wir | |
| inzwischen eine MigrantInnenselbstorganisation sind, und diese jetzt | |
| vorrangig gefördert werden sollen. Aber wir bekommen trotzdem nichts. Da | |
| kann man spekulieren, ob das politisch gewollt ist. Wir vermuten, es liegt | |
| daran, dass wir es schon seit 30 Jahren ehrenamtlich schaffen - da wird das | |
| wohl auch weiterhin gehen. Aber das wird immer schwieriger. | |
| Warum? | |
| Seit wir über ein EU-gefördertes Projekt zwei halbe Stellen finanziert | |
| bekommen, können wir insgesamt mehr und kontiunierlich anbieten. Außerdem | |
| nimmt die Nachfrage zu, die Flüchtlingszahlen steigen. Die Kub ist also zu | |
| einer Institution geworden, an die man sich mit allem wenden kann. So dass | |
| die Ratsuchenden ein richtig großes Problem hätten, wenn wir nicht mehr | |
| weiter machen können. Und die Gefahr besteht real, weil das EU-Projekt Ende | |
| 2014 ausläuft. | |
| Wie hat sich Ihre Klientel in den letzten Jahren verändert? | |
| Im Moment ist auf jeden Fall Syrien eine große Nummer. Und Nicht-Europäer, | |
| die im Zuge der Krise in südeuropäischen Staaten weiterreisen zu uns. So | |
| kommen hier zur Zeit sehr viele AfrikanerInnen an, die etwa in Spanien | |
| gelebt haben, mit und ohne Aufenthaltstitel, und dort als erstes durchs | |
| Rost gefallen sind bei der sich ausbreitenden Arbeitslosigkeit. Das ist | |
| wirklich eine Misere, weil sie hier kein Anrecht haben auf Unterstützung | |
| durch die Sozialsysteme. Das betrifft übrigens auch viele Leute vom Camp am | |
| Oranienplatz und aus der besetzten Schule. | |
| Es wird ja gerade auch viel diskutiert über die Wohnsituation. Die | |
| Flüchtlingsheime quillen über, es gibt keine Unterkünfte. Wie kommt das bei | |
| Ihnen an? | |
| Jede vierte, fünfte Beratung, schätze ich, geht um die Unterbringung. Der | |
| Bedarf ist unglaublich hoch. Vor allem bei den eben genannten Leuten, die | |
| nicht ins deutsche Sozialsystem passen. Oder bei Papierlosen. Und selbst | |
| für Leute, die ein Anrecht hätten auf eine Wohnung, ist es fast unmöglich | |
| eine zu bekommen. | |
| Weil der Wohnungsmarkt so eng ist? | |
| Zum einen deswegen, aber auch weil man mit einer Duldung, also zeitlicher | |
| Befristung, wenig Chancen hat. Die KuB hat sich jetzt mit anderen | |
| Initiativen zu einer Soli-Gruppe zusammengefunden namens | |
| Soli-Zimmer-Initiative ([1][solizimmer.blogsport.de]). Das sind | |
| Hausprojekte oder Privatangebote, die temporär genutzt werden können. Aber | |
| das ist immer überfüllt und ein logistischer Riesenaufwand - also nichts, | |
| worauf man wirklich aufbauen könnte. | |
| Andere Beratungsangebote, etwa für Roma, sagen, ihre Klienten machen | |
| zunehmend Alltagserfahrungen mit Rassismus. Wie sieht das bei Ihnen aus? | |
| Damit haben wir täglich zu tun. Unsere Klienten berichten regelmäßig von | |
| kleinen Schikanen, etwa am Arbeitsplatz oder bei Behörden. Gerade die | |
| Ausländerbehörde ist eine harte Nuss. Vor kurzem etwa hat mir eine | |
| Sachbearbeiterin dort erzählt: Die Leute, die vor Lampedusa sterben, sind | |
| selber schuld. Also man hört jeden Tag die abenteuerlichsten Dinge. Auch | |
| für uns ist das Alltag: So wurden in unserem Gebäude schon oft die | |
| Brieflästen demoliert. | |
| Hier in Kreuzberg? | |
| Naja, der Alltagsrassismus ist in ganz Berlin immer mehr zu spüren. Das hat | |
| man ja im Kontext der Wohnheim-Debatte etwa in Hellersdorf oder | |
| Reinickendorf gemerkt. | |
| Nochmal zurück zur Ausländerbehörde: Gibt es nicht auch Sachbearbeiter, die | |
| in ihrem Sinne entscheiden? | |
| Unsere Erfahungen sind sehr unterschiedlich. Wir haben auch mit sehr, sehr | |
| netten Sachbearbeitern zu tun, die ihre Entscheidungsspielräume nutzen, um | |
| unseren Klienten zu helfen. Aber leider machen wir mit dem ganz | |
| überwiegenden Teil eher schlechte Erfahrungen. | |
| Von der angestrebten interkulturellen Öffnung der Behörden ist nicht viel | |
| zu spüren? | |
| In der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber ist es zumindest im | |
| Empfangsbereich inzwischen großartig geregelt. Dort arbeiten ganz viele | |
| Muttersprachler. Das macht einen ganz anderen Eindruck als in der | |
| Ausländerbehörde. Dort ist von interkultureller Öffnung leider nicht viel | |
| zu sehen. | |
| 13 Nov 2013 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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