# taz.de -- Debatte Grüne und Koalitionen: Rot-Rot-Grün ist möglich | |
> Die Grünen stehen vor der Aufgabe, ihre Bündnisoptionen zu erweitern. | |
> Ihre grünen Inhalte dürfen sie dabei aber nicht aufgeben. Fünf Thesen. | |
Bild: Blick in die Zukunft: Für die der Grünen definiert Michael Kellner fün… | |
Wir Grünen sollten über künftige Regierungsoptionen debattieren, ohne dass | |
es zu einer innerparteilichen Zerreißprobe kommt. Nach dem | |
Generationenwechsel sind die Vorzeichen dafür günstig. Fünf Punkte sind | |
dabei zentral. | |
## | |
Nach dem enttäuschenden Wahlergebnis stehen wir vor der Aufgabe, die Gründe | |
für unsere Verluste aufzuarbeiten. 2013 haben wir keine | |
Koalitionsmöglichkeit explizit ausgeschlossen, aber faktisch einen | |
rot-grünen Wahlkampf geführt – deutlich sichtbar durch gemeinsame | |
Veranstaltungen und Presseauftritte. Damit haben wir angeschlossen an die | |
Wahlkämpfe 2005 und 2009. | |
Ab dem Sommer war die rot-grüne Erfolgsaussicht gering – das war ein | |
zentraler, wenn auch bei weitem nicht der einzige Grund für unsere erneute | |
Wahlniederlage. Wir stehen vor der Aufgabe, daraus Lehren zu ziehen. Wir | |
müssen die Frage beantworten, wie wir im nächsten Wahlkampf einer | |
mangelnden Mobilisierung durch fehlende Machtoptionen vorbeugen. | |
## | |
Wie werden daran arbeiten müssen, erweiterte Bündnisoptionen in den Bereich | |
des Möglichen zu rücken. Das muss mit der gesamten Partei geschehen. Gegen | |
eine Pizza-Connection ist nichts einzuwenden – wenn dort Realos und Linke | |
gemeinsam mit den Unionsleuten speisen. Umgekehrt müssen bei Gesprächen mit | |
SPD und Linken selbstverständlich beide Flügel vertreten sein. | |
Das Gleiche gilt für die anderen Parteien. Eine Annäherung und Auslotung | |
von Gemeinsamkeiten und Unterschieden kann es nur geben, wenn liberale | |
Unionsleute und CSU-Hardliner am Tisch sitzen. Oder wenn bei den Linken | |
eben nicht nur die ostdeutschen Reformer mit dabei sind. | |
Die Sondierungsgespräche mit der Union haben das schwarz-grüne Verhältnis | |
entkrampft. Doch für eine potenzielle Aufstellung für 2017 ergibt sich ein | |
Dilemma. Auf einem Bein kann man schlecht stehen. Ohne rot-rot-grüne Option | |
könnten wir leicht verlieren, wenn unsere einzige weitere Machtoption | |
Schwarz-Grün wäre. Und einen Wahlkampf, der in einen Schönheitswettbewerb | |
um die Union ausartet, können wir nicht wollen. | |
## | |
Neue Optionen schaffen wir uns nur dann, wenn wir unseren Inhalten treu | |
bleiben, wenn wir für sie kämpfen und versuchen, darüber Mehrheiten zu | |
generieren. Wenn wir uns klein machen, uns anpassen und unsere Kernanliegen | |
verwässern, werden wir verlieren. | |
Ein mechanisches Politikverständnis ist da fehl am Platz. Im letzten | |
Wahlkampf standen wir nicht zwischen SPD und Linken, wie einige | |
analysieren. Beim Mindestlohn standen wir rechts der beiden Parteien. Bei | |
Bürgerrechten oder Ökologie waren wir deutlich progressiver. Auch in der | |
Außenpolitik haben wir unseren eigenen Kurs gefahren. | |
Aus der falschen Analyse, wir hätten zwischen Linken und SPD gestanden, | |
ziehen einige den Schluss, wir müssten uns nun umtopfen und zwischen SPD | |
und Union verorten. Das halte ich für brandgefährlich. Zwischen zwei großen | |
Mühlsteinen ist das Leben mitnichten besser. Auch folgt das Bild von uns | |
zwischen anderen Parteien einer falschen Logik. Es definiert uns über | |
andere. Das ist das Gegenteil einer selbstbewussten Eigenständigkeit. | |
## | |
Mit der Neuaufstellung in Bundesvorstand und Bundestagsfraktion erfolgt ein | |
Generationenwechsel klar erkennbar. Die Generation, die heute in den | |
Hintergrund tritt, ist deutlich geprägt von den 68ern. Sie hat Deutschland | |
verändert und zu einem vergleichsweise progressiven Land gemacht. | |
Meine Generation muss zeigen, ob sie die Standhaftigkeit der 68er besitzt, | |
gegen harte Interessen Politik zu gestalten. Wir sind möglicherweise | |
weniger wandelbar – und vielleicht müssen wir es auch nicht sein: Der Weg | |
von Lenin und Mao zu einer rot-grünen Regierung war sicherlich weiter, als | |
der Weg von Rot-Grün zu einer anderen Machtoption je sein wird. | |
Einen Vorteil hat meine Generation: Wir haben uns nicht in tiefe | |
Schützengräben eingegraben. Wir arbeiten zwischen den Flügeln offener | |
zusammen, bei allen Konflikten. Ich sehe es als Aufgabe, diese Offenheit in | |
der Kommunikation und in der Auseinandersetzung zu bewahren. Daraus kann | |
Vertrauen erwachsen und damit Kraft und neue Größe. | |
## | |
Die Frage, welche Bündnisse wir eingehen können, hängt nicht von uns allein | |
ab. Auch SPD, Union und Linke werden sich weiterentwickeln und – mit uns | |
und ohne uns – über Bündnisoptionen diskutieren. Steuern können wir diese | |
Prozesse nicht, aber wir sollten die Offenheit haben, mit allen Chancen | |
auszuloten. Dann – und erst dann – werden wir prüfen müssen, wo es | |
Überschneidungen gibt und wo auch nicht. Unsere Präferenz für Rot-Grün wird | |
dabei resultierend aus unserer Programmatik bleiben. | |
Die am vorvergangenen Wochenende auf dem SPD-Parteitag endlich erfolgte | |
Öffnung zur Linkspartei vergrößert den politischen Spielraum und könnte | |
sich als Meilenstein erweisen. Das trifft ebenso auf das Angebot der | |
hessischen CDU zu, mit den Grünen Koalitionsverhandlungen zu führen. Werden | |
diese erfolgreich abgeschlossen, würde Schwarz-Grün in einem Flächenland | |
umgesetzt und Grün im Bundesrat gegen eine Große Koalition gestärkt. | |
Ein Blick zurück zu den Wahlkämpfen in den Ländern zeigt, wie schwer | |
Offenheit jenseits von Rot-Grün zu kommunizieren war. Das war ja auch der | |
Hauptgrund, warum 2013 erneut Rot-Grün im Fokus stand. Und dass wir heute | |
in sechs Ländern gemeinsam mit der SPD regieren, ist sicher kein Zufall. | |
Experimente wie Schwarz-Grün in Hamburg und Jamaika im Saarland haben sich | |
als wenig belastbar erwiesen. | |
Das zeigt, dass wir nicht nur grün-intern Bündnisoptionen ausloten müssen, | |
sondern in einem offenen Prozess auch unsere WählerInnen mitnehmen müssen. | |
Das dürfte die schwierigste Aufgabe sein. Es ist daher richtig, dass die | |
hessischen Grünen ein Modell ausloten. Es wäre wünschenswert, wenn in den | |
nächsten Jahren auch rot-rot-grüne Landesregierungen folgen würden. | |
25 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Kellner | |
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