# taz.de -- Schriftsteller über die Lage in der Ukraine: „Janukowitsch lebt … | |
> Der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow über die Hoffnungen der | |
> Opposition in der Ukraine und das Beharrungsvermögen der Mächtigen. | |
Bild: „Mit solchen Leuten kann man keinen Dialog führen.“ – Polizisten … | |
taz: Herr Kurkow, haben Sie die jüngste Protestwelle erwartet? | |
Andrej Kurkow: Nein. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sich so viele | |
Menschen auf den Euro-Maidanen in der ganzen Ukraine versammeln. Und dass | |
das vor allem Studenten sind, die damals während der Orangen Revolution | |
noch sehr jung waren. | |
Gibt es Ihrer Meinung nach Parallelen zur Orangen Revolution 2004? | |
Das sind verschiedene Dinge. Die damaligen Proteste entzündeten sich an | |
einem konkreten Ereignis, den gefälschten Präsidentenwahlen. Jetzt, nachdem | |
die Ukraine den Assoziierungsvertrag mit der EU nicht unterzeichnet hat und | |
nach dem gewaltsamen Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten auf dem | |
Unabhängigkeitsplatz, gingen immer mehr Leute auf die Straße, die aber alle | |
ihre eigenen Ziele haben. | |
Könnten Sie genauer erklären, was die Menschen auf die Straße treibt? | |
Das ist eine Ermüdung, was die Regierung von Präsident Wiktor Janukowitsch | |
angeht. Mehr als die Hälfte der Ukraine lehnt sowohl Janukowitsch als auch | |
die Regierung ab. Deshalb kommen auf den Platz nicht nur Leute, die wollen, | |
dass die Ukraine ein europäischer Staat wird. Sondern auch solche, die | |
demokratische Politiker an der Macht sehen wollen. Doch die Leute verstehen | |
auch, dass die heutigen Demokraten kaum in der Lage sein werden, einen | |
Staat nach europäischem Vorbild aufzubauen. Denn zwischen ihnen gibt es | |
viele Konflikte und die Opposition dürfte unfähig sein, eine | |
Koalitionsregierung zu bilden. Jeder wird versuchen wird, die Decke zu sich | |
hinüber zu ziehen. | |
Das heißt, man sollte keine allzu große Hoffnungen auf die Opposition | |
setzen? | |
Die Opposition hat es bisher nicht geschafft, die Proteste zu bündeln und | |
in eine gemeinsame Bahn zu lenken. Das heißt, sie war nicht in der Lage, | |
sich an die Spitze der Bewegung zu setzen. Genau deshalb fürchten | |
Janukowitsch und seine Regierung auch die Opposition und die Proteste. | |
Es gibt Leute, die meinen, dass Janukowitsch politisch erledigt ist. Sehen | |
Sie das auch so? | |
Das wird sich zeigen. Freiwillig wird er nicht zurücktreten. Das ist ein | |
Mensch mit einer ganz anderen Psychologie. Mit solchen Leuten kann man | |
keinen Dialog führen oder um Popularität wetteifern. Ihm ist egal, was man | |
über ihn denkt, er lebt in seiner eigenen Welt. | |
Wozu werden die Proteste führen? | |
In jedem Fall schwächen sie die Regierung. Es werden wahrscheinlich einige | |
Minister entlassen. Doch das Ganze wird kaum in eine Richtung positiver | |
Entwicklungen gehen. | |
Also sind Sie eher skeptisch? | |
Nicht nur. Denn das Gute liegt darin, dass die Gesellschaft nach der | |
Enttäuschung im Zuge der Orangen Revolution gezeigt hat, dass sie imstande | |
ist, sich aufs Neue zu erheben. | |
Der Held Ihres ersten Romans „Picknick auf dem Eis“ ist der Pinguin Mischa. | |
Was würde er zu den jüngsten Entwicklungen in der Ukraine sagen? | |
Mischa ist sehr glücklich, jetzt auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew zu | |
sein, weil er um sich herum Hunderttausende andere gleichgesinnte Pinguine | |
sieht. Jetzt wird es immer kälter, weil der Winter kommt. Doch die Kälte | |
bringt den Menschen auch dazu, intensiver nachzudenken. Die Kälte schwächt | |
den Menschen nicht, sondern feuert ihn an. Je mehr motivierte und kühle | |
Köpfe jetzt auf den Maidan kommen, desto schneller könnte sich die | |
Situation deshalb zum Positiven wenden. | |
9 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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