# taz.de -- Heino wird 75 Jahre alt: Herr feuchter Landser-Fantasien | |
> Er verkörpert die Sehnsüchte der Nachkriegsgeneration. Wer Heino hört, | |
> der macht auch andere böse Dinge, oder? Eine Hommage zum 75. Geburtstag. | |
Bild: Ein Ratebild: Der eine musste Schmerzen erdulden – der andere fügt sie… | |
Hätte Deutschland den Krieg gewonnen, würde es irgendwann einen deutschen | |
Elvis gegeben haben. Mit völkischem Liedgut statt hektischer „Negermusik“, | |
mit gravitätischem Bariton statt souligem Schmelz, mit steifer statt | |
kreisender Hüfte, mit sturmfester Wasserstoffblondhaarperücke statt | |
eigenwilliger Tolle. Vielleicht sogar mit einer blickdichten Sonnenbrille, | |
um die Abgründe zu verbergen, mit denen die neue Fröhlichkeit erkauft | |
worden wäre. Nun hat der Weltgeist manchmal einen eigenwilligen Humor. Er | |
lässt die Deutschen ihren Krieg verlieren – und schenkt ihnen trotzdem | |
einen eigenen Elvis. | |
Zu den größten Hits des Jahres 1967 zählten Scott McKenzies „San | |
Francisco“, Procol Harums „Whiter Shade Of Pale“ und „All You Need Is L… | |
von den Beatles – aber auch Roy Black mit „Meine Liebe zu dir“ und Peter | |
Alexander mit „Verbotene Träume“. Schlager war kein Schimpfwort, nur eine | |
korrekte Übersetzung von „Hit“. Und der Zahnarztsohn und gelernte Bäcker | |
Heinz Georg Kramm aus Düsseldorf debütierte als Heino mit dem Album „Kein | |
schöner Land in dieser Zeit“. Eben hatten sich die Deutschen mit Kurt Georg | |
Kiesinger einen anständigen alten Nazi zum Kanzler gewählt. | |
An den Fließbändern der Republik spielten Gastarbeiter eine wirtschaftlich, | |
im Showgeschäft der Zeit eine psychologisch wichtige Rolle. Harmlose | |
Holländer wie Lou van Burg moderierten große Abendshows, süße Sängerinnen | |
aus Griechenland (Vicky Leandros), Dänemark (Gitte), Frankreich (Mireille | |
Mathieu) oder sogar Israel (Daliah Lavi) gaben dem dankbaren deutschen | |
Publikum das Gefühl, unter all diesen anderen Völkern dann doch nicht ganz | |
so unverzeihlich gewütet zu haben. | |
Aus der östlichen Kälte freilich kam nur ein Tschechoslowake (Karel Gott), | |
einen Polen gab es nie. Und bezeichnenderweise war es ein Deutscher, der | |
sich Ivan Rebroff nennen und als präsowjetisch-gemütvoller Russe Karriere | |
machen konnte. | |
## Der erste deutsche Deutsche | |
Die letzte verbliebene Lücke auf diesem bunten Markt der deutschen | |
Engländer (Roy Black) oder englischen Deutschen (Chris Howland) schloss | |
Heino. Er war der erste deutsche Deutsche. Als solcher wurde er von seinem | |
Produzenten Karl-Heinz Schwab, der den jungen Mann auf einer Modenschau | |
„entdeckt“ hatte, von Anfang an gezielt aufgebaut. Schon auf der Debüt-LP | |
gab Heino treuherzig das „Schlesierlied“ zum Besten, später folgte noch das | |
„Ostpreußenlied“ und, nachdem alle Vertriebenenverbände bedient waren, das | |
„Lied der Deutschen“ in all seiner Pracht „von der Maas bis an die Memel, | |
von der Etsch bis an den Belt“. | |
Der große Erfolg kam in den Siebzigerjahren mit der „ZDF-Hitparade“ und | |
Schlagern wie „Blau blüht der Enzian“, „Schwarzbraun ist die Haselnuss�… | |
Matrosenliedern oder schlüpfrigen Landser-Fantasien („In einem | |
Polenstädtchen / Da wohnte einst ein Mädchen / Das war so schön / Sie war | |
das allerschönste Kind / Das man in Polen find“). | |
Ein Star zum Knuddeln allerdings war er nie – nicht nur wegen der | |
distanzierenden Sonnenbrille, mit der er die Symptome der Basedow-Krankheit | |
so locker wie showkompatibel wegsteckte. Es war immer etwas Unheimliches um | |
diese unverwechselbare Kunstfigur. Weder der Spott der Verächter noch das | |
Altern konnten dieser Ikone etwas anhaben, darin beweist er Weltklasse wie | |
sonst nur ein Cliff Richard oder Tom Jones. | |
## Für den Export ungeeignet | |
Als Marke allerdings blieb Heino immer auf den deutschen Markt beschränkt. | |
Seine bis an die Grenzen zum Grotesken übersteigerte Folklore eignete sich | |
nie für den Export. Undenkbar, dass ein Franzose ihn charmant, ein | |
Engländer ihn interessant finden könnte. Nur in den USA wird er vereinzelt | |
für den dort als „Cowboy Polka“ bezeichneten Musikstil und seinen | |
tatsächlich beeindruckenden Bariton verehrt. | |
Sich selbst bezeichnete er im Frühjahr 2013 hinsichtlich seiner soliden | |
Gesundheit als „hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder und flink wie ein | |
Windhund“. Das Hitler-Zitat wurde kurz darauf von seinem Management als | |
„aus dem Zusammenhang gerissen“ widerrufen. Was nichts daran änderte, dass | |
ein Teil seines Publikums den Wink durchaus verstanden haben dürfte. Wie | |
auch sein konsequent gerolltes R in gewissen Kreisen durchaus als Statement | |
gehört wird. | |
Persönlich wählt Heino, wie er neulich versicherte, eine „demokratische | |
Partei“ mit interessanter Betonung auf „demokratisch“. Künstlerisch stand | |
er stets auf der Seite derer, die seine Gage zahlten, sei’s die SPD eines | |
Willy Brandt, sei es die CDU oder ein Staat wie Südafrika, in dem er einst | |
trotz Apartheid und eines UNO-Embargos fröhlich auf Tournee ging. Das | |
Prahlerische und Reaktionäre seiner öffentlichen Äußerungen macht es bis | |
auf den heutigen Tag schwer, etwas Liebenswertes an der Gestalt zu finden – | |
auch wenn eine gewisse Schmerzfreiheit zur Grundausstattung eines echten | |
Stars gehört. | |
## Ideale Hassfigur für Punks | |
Als Verkörperung kleinstbürgerlicher Sehnsüchte der Vätergeneration | |
avancierte er in den Achtzigerjahren zur idealen Hassfigur des Punk. Der | |
Sänger Norbert Hähnel aus dem Umfeld der Toten Hosen startete sogar eine | |
Karriere als der „wahre Heino“, bevor der wahre Heino dem Treiben per | |
einstweiliger Verfügung verständlicherweise ein Ende machte; wobei er wie | |
ein Spielverderber wirkte, der einen armen Punk in die Armut trieb. | |
Noch 1990 stand er in Dresden auf der Bühne und erklärte sich stammelnd | |
seinem neu zu gewinnenden Publikum: „Ich habe schon überall auf der Welt | |
gesungen … und ich habe schon so viele Auszeichnungen bekommen für | |
Verdienste und Pflege, für Volkslieder und Fahrtenlieder.“ | |
Wie Cliff Richard, Tom Jones oder Frank Sinatra blieb Heino immer ein | |
Interpret alter Schule in dem Sinne, als er die Lieder anderer Leute | |
„interpretiert“. Wer Heino hörte, der hörte auch Marschmusik. Und wer Hei… | |
hörte, der stellte sich auch Räuchermännchen aus dem Erzgebirge ins Regal | |
oder hängte sich Kuckucksuhren aus dem Schwarzwald an die Wand. | |
Hier, in der Schnittmenge zwischen Kunsthandwerk und Kitsch, geriet Heino | |
um die Jahrtausendwende ein wenig ins Abseits. Was auch daran lag, dass ihm | |
sein ohnehin betagtes Publikum allmählich wegstarb. Im Jahr 2001 brachte er | |
im Fahrwasser des damals beliebten „Wackel-Elvis“ aus der Audi-Werbung | |
einen „Wackel-Heino“ auf den Markt: „Ich habe in Deutschland mehr Platten | |
verkauft als Elvis. Da kann man nicht von Konkurrenz sprechen.“ | |
## Wie eine unsittliche Berührung | |
Von ähnlicher Chuzpe war auch der Schachzug, sich 2013 „Mit freundlichen | |
Grüßen“ wieder ins Spiel zu bringen. Heino coverte hier nach dem Vorbild | |
des alten Johnny Cash deutsche Hits so schlecht, dass es „schon wieder gut“ | |
war, also schlecht. Dass er nun wie ein deutscher Johnny Cash die Songs | |
einer neuen Generation nachsang, dürfte der zu Recht wie eine unsittliche | |
Berührung vorgekommen sein. | |
Die Feuilletons waren über diese späte Cleverness und verwirrende | |
Zeichenhaftigkeit entzückt, worüber sich wiederum Campino von den Toten | |
Hosen törichterweise öffentlich beklagte. Mit dem Erfolg, dass Heino mit | |
Unterstützung der Bild-Zeitung den Spieß umdrehen und seine Gegner im | |
„Rocker-Krieg“ als unlocker darstellen konnte. | |
Während Tocotronic die Sache ironisch sahen, gingen Rammstein noch einen | |
Schritt weiter. Die Gruppe spielt mit dem gerollten R und auch sonst | |
virtuos auf einer ästhetischen Klaviatur, die im Ausland der Nachgeborenen | |
offenbar wohlige Schauer des Grauens auslöst. Am 1. August 2013 holten sie | |
Heino zu ihrem Auftritt beim Festival in Wacken auf die Bühne, wo er | |
„Sonne“ sang. Für Heino schloss sich damit ein weiter Kreis, sein Habitus | |
wurde endlich gewürdigt. Hier konnte er der Elvis sein, den die Deutschen | |
verdienen. | |
Übrigens traten Elvis und Heino einmal direkt gegeneinander an. Im Internet | |
kann man sich beider Versionen von „Muss i denn zum Städtele hinaus“ | |
anhören. Da kann man wirklich nicht von Konkurrenz sprechen. | |
13 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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