# taz.de -- E-Mails ans Innenministerium: Jetzt sogar verschlüsselt | |
> Das Innenministerium empfiehlt seit Jahren E-Mails zu verschlüsseln – und | |
> hat sich selbst nicht dran gehalten. Jetzt macht es mit. Ein bisschen. | |
Bild: Es ist spektakulärer als man denkt. | |
BERLIN taz | Es ist nur ein kleiner Link für die Menschheit, aber ein | |
großer Link für das Bundesministerium des Innern. Seit Kurzem ist auf der | |
Homepage der obersten deutschen Sicherheitsbehörde etwas zu finden, das | |
fast schon als Revolution zu bezeichnen ist: Ein PGP-Schlüssel. Damit kann | |
man dem Bundesinnenministerium (BMI) nun verschlüsselte E-Mails schicken. | |
Das hört sich unspektakulär an, ist es aber nicht – denn obwohl das BMI und | |
seine dafür zuständigen Behörden seit Jahren für verschlüsselte | |
Mailkommunikation werben, war es bislang kaum möglich, mit diesen Behörden | |
selbst verschlüsselt zu kommunizieren. | |
Ein Beispiel? Die taz fragte kurz nach Bekanntwerden der ersten | |
Enthüllungen über die NSA-Spähaffäre durch Edward Snowden beim BMI an, wie | |
gefährdet das faktische Telekommunikationsgeheimnis der BürgerInnen sei. | |
Daraufhin teilte das BMI am 10. Juni mit: „Die Bundesregierung ist seit | |
jeher der Auffassung, dass Daten, die über das Internet übertragen werden, | |
nach Möglichkeit verschlüsselt werden sollen. Bei Nutzung entsprechender | |
Verschlüsselungssoftware ist ein unberechtigtes Mitlesen jedweder Stellen | |
nahezu ausgeschlossen.“ | |
Das klang logisch. Dann wollte die taz mit dem BMI verschlüsselt | |
kommunizieren. Allein: Beim BMI fehlten die Schlüssel. Auf freundliche | |
Anfrage hin erfolgte – keine Antwort. Auf zwei erneute freundliche Anfragen | |
hin erfolgte erneut – keine Antwort. | |
## Es ist ein Politikum | |
Erstaunlich, schließlich ist das BMI nicht nur für den Schutz der | |
Verfassung zuständig, sondern auch für die Sicherheit der IT-Infrastruktur | |
in Deutschland. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik | |
(BSI) ist die dem Innenministerium nachgeordnete Behörde, die diese | |
Sicherheit herstellen soll. | |
Was sich so technisch anhört, ist eigentlich ein Politikum: Denn seit den | |
Snowden-Enthüllungen fragen sich immer mehr Menschen, wie im Netz so | |
kommuniziert werden kann, dass das Grundrecht auf informationelle | |
Selbstbestimmung gewahrt bleibt. Verschlüsselung ist eine der | |
Grundvoraussetzungen. | |
Der Entscheidung des BMI, einen PGP-Schlüssel nun „offensiv“ | |
bereitzustellen, sei ein längerer Abwägungsprozess vorausgegangen, sagte | |
ein Ministeriumssprecher der taz. Auch in der Vergangenheit habe es bereits | |
die Möglichkeit gegeben, auf Anfrage hin verschlüsselt zu kommunizieren. | |
Die taz hat da andere Erfahrungen gemacht. | |
Auch stellt das Ministerium keine personalisierten Schlüssel bereit. Das | |
heißt, dass die E-Mail bis zum Ministerium verschlüsselt wird, dort | |
geöffnet wird – und dann in einem internen Netz mit anderen | |
Verschlüsselungsmechanismen verteilt wird. Eine absolut vertrauliche | |
Kommunikation mit einzelnen Mitarbeitern ist so nicht möglich. Das ist | |
nicht abwegig, Behördenhandeln muss nachvollziehbar sein. | |
## Auch im Bundestag war es ein Kampf | |
Das BMI ist nicht die einzige Behörde, die sich mit der verschlüsselten | |
Kommunikation nach außen schwer tut. Auch im Bundestag hat es für | |
Abgeordnete und Mitarbeiter gedauert, bis sie an eigene PGP-Schlüssel | |
gelangten. Nach einem zähen Kampf des Grünen-Abgeordneten Konstantin von | |
Notz ist das zwar inzwischen auf expliziten Antrag hin möglich – die | |
meisten Abgeordneten nutzen es dennoch nicht. | |
Im August offenbarte eine Umfrage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter | |
allen Abgeordneten, dass sie bei ihrer täglichen Arbeit so gut wie nie | |
Verschlüsselungstechniken verwenden. Einige Abgeordnete bekannten, sie | |
würden für ihre Dienstmails auch US-Anbieter wie Google nutzen. Für | |
US-Geheimdienste heißt das: Dienstgeheimnis frei Haus. | |
Dabei gilt der PGP-Standard bei korrekter Verwendung als eine der | |
sichersten Verschlüsselungsmethoden. Der Bundestag benutzt dagegen einen | |
Standard, der die Beteiligung von Zertifizierungsstellen erfordert und mit | |
Kosten für die Anwender verbunden ist. Auch das ist eine politische Frage: | |
Statt kostenlose und sichere Software zu benutzen, zahlen Behörden noch | |
immer bevorzugt Geld an kommerzielle Anbieter. | |
Die haben nämlich einen Vorteil: Unternehmen können bei der Entwicklung von | |
Telekommunikationsprodukten verpflichtet werden, technische Hintertüren für | |
staatliche Stellen einzubauen. Das zu regeln, ist übrigens Aufgabe des | |
Bundesinnenministeriums. | |
17 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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