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# taz.de -- Krise in Portugal: Richter retten Renten
> Erneut stöhnen Europas Sparkommissare über die portugiesischen
> Verfassungsrichter. Die Regierung kann die Vorgaben der Troika kaum noch
> erfüllen.
Bild: Joaquim Sosa Ribeiro, Portugals höchster Richter.
MADRID taz | Portugals Verfassungsrichter beunruhigen einmal mehr Europas
Sparkommissare – und drücken die konservative Regierung unter Pedro Passos
Coelho an die Wand. Das Verfassungsgericht kippte am Donnerstagabend einen
Teil von Coelhos drakonischem Sparhaushalt für 2014.
Die Einsparungen bei Beamtenrenten sind laut dem Spruch des obersten
Verfassungsorgans verfassungswidrig. Geklagt hatte ausgerechnet
Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva. Er gehört wie Premier Passos Coelho
der konservativen, Sozialdemokratischen Partei (PSD) an.
Die Regierung wollte mit einer Rentenkürzung im öffentlichen Dienst rund
400 Millionen Euro einsparen. Die Maßnahme sah vor, all denjenigen
Pensionären, die mehr als 600 Euro im Monat beziehen, zehn Prozent zu
streichen. Verkaufen wollte Passos Coelho diese unpopuläre Maßnahme als
Anpassung der Renten des öffentlichen Dienstes an die wesentlich
niedrigeren Bezüge in der Privatwirtschaft.
Das Verfassungsgericht sieht darin eine Verletzung des „Prinzips des
Vertrauensschutzes“. Die Betroffenen hätten ihre Lebensplanung aufgrund der
bisherigen Rentengesetzgebung gemacht. Rückwirkende Einschnitte seien
deshalb verfassungswidrig.
Es ist nicht das erste Mal, dass die hohen Richter der Regierung einen
Strich durch die Rechnung machen. So erklärten sie ein Gesetz, das die
Entlassung von Beamten erleichtern sollten, ebenso für rechtswidrig, wie
die Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld im Öffentlichen Dienst.
## „Diese Regierung hat es nicht verdient, zu regieren“
Portugal befindet sich seit 2011 unter dem EU-Rettungsschirm. Das Land hat
78 Milliarden Euro erhalten. Das Urteil gefährdet das Ziel der
portugiesischen Regierung, das Defizit bis Ende 2014 auf vier Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu senken und ab Sommer 2014 wieder auf die
Anleihenmärkte zurückzukehren.
Passos Coelho warnte in den letzten Tagen immer wieder, er habe keinen
„Plan B“ für den Fall eines negativen Verfassungsgerichtsurteils. Die
Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und dem
Internationalen Währungsfond (IWF), die die Sparpolitik Lissabons
überwacht, warnte ebenfalls vor den Folgen des Urteils – und setzte die
aktuelle Rate des Rettungsschirmes von 2,7 Milliarden Euro solange aus, bis
Passos Coelho entweder grünes Licht von den hohen Richtern erhält oder
einen alternativen Haushalt vorlegt.
Vermutlich bleibt der konservativen Regierung jetzt nur die Möglichkeit,
die Steuern zu erhöhen. Löhne und Gehälter kommen dafür kaum in Frage. Denn
bereits 2013 wurde die Lohn- und Einkommenssteuer so stark angehoben, dass
jeder Portugiese im Schnitt pro Jahr einen Monatslohn verloren hat. Bleibt
die Mehrwertsteuer. Sie liegt jetzt bereits bei 23 Prozent. Eine weitere
Erhöhung könnte den privaten Konsum endgültig einbrechen lassen. Dies
wiederum dürfte sich nicht positiv auf die Arbeitslosigkeit auswirken.
Bereits jetzt sind 18 Prozent der Portugiesen ohne Job.
Am Donnerstagabend demonstrierten Tausende Menschen vor dem Präsidentensitz
in Lissabon. Sie feierten die Entscheidung des Verfassungsgerichtes und
forderten, den gesamten Sparhaushalt 2014, der Streichungen von insgesamt
3,9 Milliarden Euro auszusetzen – immerhin geht es um – 2,3 Prozent des
BIP. „Diese Regierung hat es nicht verdient, zu regieren. Wir werden den
Kampf fortsetzen, bis sie geht“, rief der Vorsitzende der CGTP, der größten
gewerkschaftszentrale des Landes, Arménio Carlos, der Menge zu.
20 Dec 2013
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Portugal
Gewerkschaft
Protest
Gericht
Rente
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