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# taz.de -- Debatte um Sterbehilfe in Deutschland: Vorstoß auf vermintem Gelä…
> CDU-Gesundheitsminister Gröhe will geschäftsmäßige Sterbehilfe bestrafen.
> Der SPD-Justizminister verweist ans Parlament.
Bild: Bleibt politisch ein hoch umstrittenes Thema: Die Beihilfe zum Suizid Ste…
BERLIN taz | Das politische Konfliktpotenzial ethisch umstrittener
Gewissensfragen bemisst sich häufig im Ausmaß der Ignoranz, mit der dem
Thema begegnet wird. Das gilt auch für den Umgang mit der Sterbehilfe. Ein
dürrer Satz ist Union und SPD dazu im Koalitionsvertrag eingefallen; die
Wörter „Sterbehilfe“ oder „Beihilfe zum Suizid“ selbst freilich tauchen
nirgends auf: „Zu einer humanen Gesellschaft gehört das Sterben in Würde“,
heißt es schwammig auf Seite 84. Auf Konkreteres mochten sich CDU, CSU und
SPD nicht einigen – die Beihilfe zur Selbsttötung, derzeit wie auch der
Suizid nicht strafbar, gehört zu den moralisch brisanten Fragen.
Jetzt aber hat der neue CDU-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe
überraschend einen Vorstoß für eine gesetzliche Regelung unternommen: „Ich
wünsche mir, dass wir jede geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter
Strafe stellen“, [1][sagte Gröhe der Rheinischen Post].
Eine Ministeriumssprecherin präzisierte am Montag, es handle sich „um eine
persönliche Äußerung“. Sollte es eine Gesetzesinitiative der Regierung
geben, dann sei dies „selbstverständlich Sache des
Bundesjustizministeriums“ von Heiko Maas (SPD). Dessen Sprecherin winkte
ab: „Es bleibt den Fraktionen überlassen, wenn sie dazu etwas vorlegen
möchten“, sagte sie der taz.
In der letzten Wahlperiode hatten Union und FDP vereinbart, die
„gewerbsmäßige“ Förderung der Selbsttötung unter Strafe zu stellen. Dam…
sollten Vereine getroffen werden wie Dignitas oder Sterbehilfe Deutschland,
die ihren Mitgliedern in Deutschland beim Freitod helfen oder sie zu
Partnerorganisationen in die Schweiz vermitteln. Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte auch einen entsprechenden
Gesetzentwurf vorgelegt.
## Keine Verschärfung des Strafrechts
Konservativen CDU-Politikern ging das aber nicht weit genug. Sie
befürchteten, dass die nicht gewinnorientierten Vereine so nicht wirklich
ausgeschaltet werden könnten. Deshalb forderten sie, auch die
„geschäftsmäßige“ Förderung der Selbsttötung zu bestrafen. Sie setzten…
zwar in der Unionsfraktion durch, scheiterten aber am Widerstand der
Justizministerin, so dass es zu keiner Verschärfung des Strafrechts kam.
Der Behindertenbeauftragte der Regierung, Hubert Hüppe (CDU), begrüßte
Gröhes neuen Vorstoß: „Die organisierte Tötung auf Wunsch hat nichts mit
Würde zu tun“, sagte Hüppe der taz. Er könne sich „einen
fraktionsübergreifenden Gruppenantrag im Parlament“ vorstellen. Ähnlich
äußerte sich der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch:
„Jeder Mensch hat ein Recht auf Selbstbestimmung, aber kein Recht auf
Tötung.“ Ein Verbot geschäftsmäßiger Hilfe sei sinnvoll.
Der Berliner Rechtsanwalt Dieter Graefe, der den Verein Dignitas vertritt,
sagte der taz: „Hermann Gröhes Auffassung stellt einen Rückfall in die
Vorstellungen des Mittelalters dar.“ SPD-Vizefraktionsvorsitzende Carola
Reimann ist für eine breite gesellschaftliche Debatte: „In der
Vergangenheit sind wir immer gut damit gefahren, wenn wir Themen von
existentieller Bedeutung im Parlament über Gruppenanträge geregelt haben“,
erklärte sie.
Bereits im September sprach sich der Deutsche Ethikrat für eine gesetzliche
Regelung aus. Sich allein auf die Bestrafung der erwerbsmäßigen Beihilfe zu
beschränken berge die „Gefahr“, so der Rat, „dass größere Anreize für
andere Formen der organisierten Suizidbeihilfe geschaffen werden“.
## Restriktionen der Bundesärztekammer
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sagte der
taz: „Es ist gut, dass der Bundesgesundheitsminister die geschäftsmäßige
Vermittlung von Sterbehilfe unter Strafe stellen will.“ Die Restriktionen
der Kammer reichen noch weiter: Bereits 2011 beschloss sie, dass Ärzten
jegliche Beihilfe zum Suizid berufsrechtlich verboten sein solle. Die
Mitwirkung an der Selbsttötung widerspreche dem ärztlichen Ethos.
Der Berliner Internist Michael de Ridder, einer der schärfsten Kritiker des
Beschlusses, sagte der taz, es müsse geklärt werden, „ob das ärztliche
Berufsrecht etwas sanktionieren darf, was das Strafrecht zulässt“. Wenn ein
Arzt seinem Patienten auf dessen Wunsch hin etwa ein todbringendes
Medikament überlässt, dann macht er sich nach dem derzeit geltenden Recht
nicht strafbar, riskiert aber seine Berufszulassung.
De Ridder sagte, es sei „entscheidend, dass mit der Sterbehilfe keine
Geschäfte gemacht werden dürfen“. Die Beihilfe zur Selbsttötung betreffe
„das Intimverhältnis von Arzt und Patient und das individuelle ärztliche
Gewissen“. Insofern lehne er nicht bloß kommerzielle Sterbehilfe, sondern
auch organisierte Angebote von Sterbehilfevereinen wie Dignitas ab. Wenn
aber ein Patient „trotz maximaler Therapie und Zuwendung aussichtslos
leidet“ und sich an den Arzt seines Vertrauens wende, dann müsse es diesem
Arzt erlaubt sein, „seinem Patienten diese Hilfe zu erbringen, sofern der
Patient voll einsichtsfähig und über alle möglichen palliativmedizinischen
Optionen aufgeklärt ist“, forderte de Ridder.
6 Jan 2014
## LINKS
[1] http://www.rp-online.de/politik/deutschland/berlin/hermann-groehe-gegen-ges…
## AUTOREN
Christian Rath
Heike Haarhoff
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Gabriele Goettle
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