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# taz.de -- Kommentar Sterbehilfe: Entmündigung per Gesetz
> Strafregelungen zur Sterbehilfe sind ein konservatives ideologisches
> Projekt. Der Gesundheitsminister hätte wichtigere Aufgaben zu erledigen.
Bild: Hermann Gröhe legt den traditionellen Eid „Morituri te salutant“ ab
Gibt es denn nichts wichtigeres? Kaum ist die neue Regierung im Amt,
prescht Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit dem Vorschlag vor, die
geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung zu bestrafen. Er greift damit ein
Projekt auf, das schon in der letzten Wahlperiode zu Streit in der
Regierung führte.
Bisher ist die Hilfe zur Selbsttötung in Deutschland straflos. Das sollte
in der letzten Wahlperiode jedoch geändert werden. Die Regierungsparteien
CDU/CSU und FDP konnten sich nur nicht einigen, wie weit man mit der
Bestrafung gehen wollte – ob nur die gewerbsmäßige Hilfe (aus
Gewinnstreben) oder jede geschäftsmäßige (also regelmäßige) Hilfe zum
Suizid strafbar sein soll.
Dass es in der letzten Wahlperiode zu keiner Strafregelung kam, war Folge
eines cleveren Manövers von Kanzlerin Merkel. Sie unterstützte die
Hardliner der CDU/CSU und konnte so auch mal bei den Fundamentalisten ihrer
Partei Punkte sammeln. Weil diese aber über den damaligen Koalitionsvertrag
hinaus gehen wollten, konnte die FDP mit gutem Recht mauern, so dass am
Ende gar nichts passierte – was Merkel auch recht gewesen sein dürfte.
Genug Zeit also, um zu beobachten, was ohne Strafnorm passiert. Wurde die
Suizidhilfe zu einem Massenphänomen? Wurde sie zu einer normalen
Dienstleistung? Werden Schwerkranke von ihren Verwandten gedrängt, sich
endlich selbst zu töten, weil es jetzt ja praktische Hilfsvereine wie
Dignitas und Sterbehilfe Deutschland gibt? Die Antwort lautet nein, nein
und nochmal nein. Auch aus der Schweiz, wo organisierte Suizidhilfe
gesellschaftlich viel akzeptierter ist als bei uns, ist selbst nach
Jahrzehnten keine massenhafte Zunahme der Fälle zu vermelden.
## Ideologisches Projekt
Der Kampf gegen gewerbsmäßige oder geschäftsmäßige Suizidhilfe ist vor
allem ein ideologisches Projekt der Konservativen. Sie versuchen, den
Kirchen ihre Hoheit über das Lebensende zurückzugeben. Der Mensch soll
nicht selbstbestimmt sterben, sondern duldsam auf sein Ende warten, egal
wie dreckig es ihm geht.
Wenn die Konservativen den Kampf um die Suizidhilfe gewinnen, könnten sie
bald weitere Ziele ausgeben. So ist es bisher unbestritten, dass ein
Kranker das Ende der ärztlichen Behandlung bestimmen kann – selbst wenn das
Abschalten von Apparaten zu seinem Tod führt. Doch auch hier könnte
argumentiert werden, dass Kranke vor dem Druck der Angehörigen geschützt
werden müssen, indem man ihnen die Entscheidung über das Therapie-Ende aus
der Hand nimmt. Schon deshalb darf den falschen Argumenten bei der
Suizidhilfe nicht nachgegeben werden. Selbstbestimmung ist unteilbar.
Gesundheitsminister Gröhe sollte sich lieber um seine eigentlichen Aufgaben
kümmern: eine Verbesserung der Pflege und eine gute Versorgung der
Dementen. Es ist ein Armutszeugnis, dass er auf die weitverbreitete Angst
vor der Pflegebedürftigkeit erst einmal mit Strafdrohungen reagieren will.
7 Jan 2014
## AUTOREN
Christian Rath
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