| # taz.de -- SPD-Politiker zu Karenzzeiten: „Ein Gesetz wäre besser“ | |
| > Der Abgeordnete Marco Bülow über die geplanten Regeln zu Anstandsfristen | |
| > für jobbende Expolitiker, Pofalla und die Notwendigkeit von | |
| > Lobbyregistern. | |
| Bild: „Das sind gut vernetzte Leute, die bestimmt nicht auf der Straße lande… | |
| taz: Herr Bülow, ist es schlimm, wenn Politiker in gut bezahlte | |
| Wirtschaftsjobs wechseln? | |
| Marco Bülow: Solche Wechsel sind an sich kein Problem. Was aber nicht gehen | |
| darf, ist, dass Unternehmen Expolitiker als Lobbyisten anstellen. Wenn sie | |
| nicht wegen ihres wirtschaftliches Know-hows eingestellt werden, sondern | |
| weil sie die Handynummern von Fraktionschefs und Ministern haben, dann gibt | |
| es ein Problem. Das ist bei Pofalla und zu Klaeden gegeben. Und die sind | |
| zwei Fälle von vielen. | |
| Die Große Koalition will nun offenbar eine Karenzzeit von rund einem Jahr. | |
| Reicht das? | |
| Nein. Aber es wäre besser als nichts. Deshalb könnte man dazu nicht Nein | |
| sagen. | |
| Warum ist das zu wenig? | |
| Weil man ausschließen muss, dass ein Expolitiker von seinem neuen | |
| Arbeitgeber ein Jahr lang geparkt und für Vorträge bezahlt wird. | |
| Uninteressant für Lobbyarbeit sind Expolitiker erst nach zwei oder drei | |
| Jahren. Erst dann sind sie wirklich raus aus dem Geschäft. Deswegen lieber | |
| eine längere Karenzzeit. Die 18 Monate, die die SPD will, sind deutlich | |
| besser, aber noch zu wenig. Und: Um zu verhindern, dass Politiker ihre in | |
| der Politik erworbenen Kontakte für private Unternehmen nutzen, braucht man | |
| ein Lobbyregister. | |
| Eine verbindliche Auflistung aller Lobbyisten, wie in den USA. | |
| … denn nur so kann man überhaupt überprüfen, wer was tut. Das fehlt | |
| bislang. Nur mit einem Lobbyregister kann man unstatthafte Wechsel erkennen | |
| und für eine Zeit blockieren. | |
| Muss die Karenzzeit per Gesetz geregelt werden – oder tut es auch die | |
| geplante Selbstverpflichtung des Kabinetts? | |
| Ein Kabinettsbeschluss ist ein Start, reicht aber nicht. Die Sache ist so | |
| wichtig, dass der Bundestag dies gesetzlich regeln muss. | |
| Ein Gesetz würde aber die freie Berufswahl einschränken. Jedenfalls warnen | |
| Juristen, dass Karlsruhe das so sehen könnte. | |
| Es gibt immer Juristen, die sagen: Das geht nicht. Und am Ende geht es | |
| doch. Das muss man rechtlich sorgfältig prüfen – aber gleich aufzugeben ist | |
| falsch. Und: Es geht ja nicht um Berufsverbote. 99,9 Prozent aller Jobs | |
| wären ja ohne Karenzzeit möglich. Es geht nur um Lobbyarbeit für | |
| Unternehmen und Verbände. Diese Wechsel sind nicht nur für die Demokratie | |
| fragwürdig. Sie sind auch unfair gegenüber der Wirtschaft. Firmen, die | |
| hochrangige Expolitiker und ihre Kontakte einkaufen, verschaffen sich damit | |
| Vorteile vor meist kleineren Unternehmen. | |
| Nehmen wir mal an, Sie verlieren 2017 Ihr Direktmandat. Welcher Job käme | |
| danach für Sie in der Karenzzeit nicht infrage? | |
| Ich mache Umweltpolitik und dürfte in der Karenzzeit z. B. nicht in die | |
| Lobbyarbeit einer Umwelt-NGO in Berlin wechseln. Weil ich dort Kontakte | |
| nutzen würde, die ich aus dem Bundestag habe. Aber ich könnte sofort für | |
| eine Umwelt-NGO in Hamburg Kampagnen organisieren. | |
| Ein Argument gegen die Karenzzeit lautet: Damit wird der Bundestag | |
| unattraktiver für Leute aus der Wirtschaft – und noch mehr vom öffentlichen | |
| Dienst geprägt … | |
| Das ist fadenscheinig. Dem Handwerksmeister, der ein- oder zweimal in den | |
| Bundestag gewählt wird, wird doch sowieso danach kein Job als Lobbyist | |
| angeboten. Wir reden hier über Staatssekretäre, Minister, Leute aus dem | |
| Kanzleramt. Das sind gut vernetzte Leute, die bestimmt nicht auf der Straße | |
| landen würden, wenn es eine verbindliche Karenzzeit gäbe. | |
| Sind Sie Pofalla dankbar? | |
| Ja, müsste ich eigentlich. Ich fordere ja schon lange Regeln für Wechsel | |
| von Politikern in die Wirtschaft, ebenso wie Lobby Control. Aber nur wenn | |
| es einen ausreichend prominenten und als skandalös empfundenen Fall wie | |
| Pofalla gibt, beginnt die Öffentlichkeit das strukturelle Problem zu | |
| begreifen. | |
| So wie bei den Nebenjobs von Peer Steinbrück? | |
| Genau. | |
| Warum treibt Sie das Thema eigentlich so um? | |
| Weil es nicht sein kann, dass in den Bundestag zu gehen, sich dort einen | |
| Namen zu machen, um dann richtig Geld in der Wirtschaft zu machen, zu einem | |
| Karriereweg wird. Nichts gegen Geldverdienen. Aber die Wähler im Bundestag | |
| zu vertreten muss das höchste Ziel sein. Der Bundestag darf keine | |
| Kaderschmiede für Lobbyisten werden. | |
| Glauben Sie, dass die Große Koalition eine brauchbare Regelung auf den Weg | |
| bringt? | |
| Das hängt auch davon ab, wie lange der Fall Pofalla nachwirkt. In der Union | |
| gibt es durchaus welche, die nun abwarten wollen, bis der Hype wieder | |
| verfliegt. Deshalb es ist besser, jetzt ein Jahr Karenzzeit zu | |
| verabschieden, als gar nichts zu tun. Denn jetzt ist die Möglichkeit da. | |
| 16 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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