# taz.de -- Ausstellung im Hamburger Bahnhof: Virtuelle Manöverkritik | |
> Harun Farockis Werkreihe „Ernste Spiele“ ist in Berlin zu sehen. Darin | |
> untersucht er Computersimulationen, mit denen GIs ausgebildet werden. | |
Bild: Schon in früheren Ausstellungen - hier im Museum Mathildenhöhe in Darms… | |
Krieg ist kein Theaterstück, aber auch für die ultimative | |
Realitätserfahrung des Waffengangs gibt es Proben. Früher sprach man von | |
Manövern, im Kalten Krieg hatte diese durchaus den Charakter von | |
Aufführungen, mit denen der Gegner so beeindruckt werden sollte, dass er | |
von Kriegshandlungen Abstand nahm. | |
In dem Maß, in dem sich Bedingungen der Kriegsführung seither verändert | |
haben, haben sich auch die technischen Voraussetzungen verändert. Dies ist | |
das zentrale Thema von Harun Farockis vierteiliger Arbeit „Ernste Spiele“, | |
die nun im [1][Hamburger Bahnhof] zu sehen ist. | |
Sie wird mit älteren Arbeiten des Berliner Filmemachers kombiniert: Etwa | |
„Nicht löschbares Feuer“, sein Klassiker aus der Zeit des Vietnamkriegs, in | |
dem er die Wirkung von Napalm gleichsam in das Filmmaterial, aber auch in | |
seinen Körper, einbrannte, indem er sich vor laufender Kamera mit einer | |
Zigarette eine Brandwunde zufügte. | |
Farocki ist durchaus der Filmemacher und Essayist geblieben, als der er | |
begonnen hatte: ein Filmkritiker, der, das Medium selbst zum Ort der Kritik | |
macht. | |
## Zwischen Sprache und Bild | |
Wobei die charakteristische Spannung zwischen Sprache und Bild bei ihm ein | |
wesentlicher Faktor gerade in seinen installativen Arbeiten ist. Diese | |
bestehen häufig aus zwei Screens, wobei er einen für eine Kommentarspur | |
nützt. Im Hamburger Bahnhof wurden die vier Teile von „Serious Games“ in | |
dem großen Raum oberhalb des Cafés so gehängt, dass man dazwischen | |
flanieren kann, soweit es jedenfalls die Dunkelheit erlaubt, an die sich | |
das Auge erst allmählich gewöhnt. | |
Der vierte Teil trägt den Titel „Eine Sonne ohne Schatten“ und enthält so | |
etwas wie eine Summe dieser langwierigen Beschäftigung mit der Rolle | |
virtueller Bildproduktion für die moderne Kriegsführung. Was früher die | |
Manöver waren, findet heute am Bildschirm statt. Soldaten üben mit der Maus | |
die Bewegungen, die es ihnen erlauben sollen, in einer Landschaft ohne | |
Verletzungen zu bestehen. Die Gefahren werden von den Vorgesetzten und | |
Ausbildern platziert, indem sie aus einer Liste angeklickt werden, die | |
dafür programmiert wurde. | |
Eine Dose kann Sprengstoff enthalten oder einfach Müll sein. Die Pointe der | |
„Serious Games“ besteht in einer Beobachtung, die Farocki während seiner | |
Recherchen gemacht hat: dass nämlich die gleichen virtuellen Szenarien vor | |
und nach dem Einsatz verwendet werden. Krieg wird zu einem Zwischenspiel im | |
Realen, einem – potentiell tödlichen – Intermezzo, das von Vorbereitung und | |
Nachbearbeitung, von Instruktion und Therapie umgeben wird. | |
Farocki spricht einmal vom „Licht der traumatischen Erfahrung“. Dabei | |
bleibt offen, ob es nicht eine Verdoppelung des Traumas ist, auf die er | |
hier anspielt. Denn die beiden Systeme der Bildfunktion sind eben durch | |
durch diesen Sturz ins Reale getrennt, den auszuschalten man vielleicht als | |
die wichtigste Tendenz in der fortschreitenden Technisierung des Krieges | |
(Stichwort: Drohnen) sehen könnte. | |
## Ein zentraler Begriff: Asymetrie | |
Das System der Vorbereitung und das System der Erinnerung ist in „Serious | |
Games“ auch durch ein visuelles Detail getrennt, von dem der Titel „Eine | |
Sonne ohne Schatten“ spricht: für die virtuelle Therapeutik sind die | |
Budgets geringer, sodass hier keine Schatten in die Bilder programmiert | |
werden. | |
Das hat eine plausible Logik, insofern es ja nicht darum geht, eine externe | |
Wirklichkeit zu verdoppeln, sondern nur den Anstoß zugeben, um Erfahrungen | |
aufzurufen und zugänglich zu machen, die anders nicht zu verarbeiten wären. | |
Farocki beendet das Projekt „Serious Games“ mit einem ambivalenten Begriff: | |
Beide Systeme, die virtuellen Manöver- wie die Bewältigungsbilder, | |
verwenden „asymmetrische Bilder“. Eine Anspielung auf den wichtigsten | |
Begriff, der zum Verständnis neuerer Konflikte in Umlauf ist. | |
Was ist damit in Hinsicht auf die „Ernsten Spiele“ gemeint? Asymmetrie | |
bezieht sich auf das Gefälle zwischen Virtualität und Gefechtsrealität. Sie | |
wird verzeitlicht und auf den Punkt hin radikalisiert, an dem ein | |
verwundbarer Körper die Differenz zwischen einer virtuell und einer real | |
tödlichen Dose erweisen muss. | |
10 Feb 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/hamburger-bahnhof/ausstellun… | |
## AUTOREN | |
Bert Rebhandl | |
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