# taz.de -- Hamburger Heimatfotografie: Das Alte im Neuen | |
> Der Fotograf Hans Meyer-Veden flaniert seit über 60 Jahren durch | |
> Hamburger. Und erzählt in seinen Bildern von seiner Art der Heimatliebe. | |
Bild: Liebt seine Sciolle: Der Hamburger Fotograf Hans Meyer-Veden. | |
HAMBURG taz | Um die Art und Weise, wie Hans Meyer-Veden fotografiert, | |
besser zu verstehen, hilft vielleicht diese kurze Anekdote: Unter der | |
Intendanz von Boy Gobert war Meyer-Veden Fotograf am Hamburger | |
Thalia-Theater. Eines Tages saß er während der Proben vorne in der ersten | |
Reihe, mit geschlossenen Augen. Der Regisseur rüffelte ihn, er solle | |
gefälligst hinschauen, damit ihm nichts entgehe. Die beiden Männer stritten | |
sich, es ging hoch bis zum Intendanten. | |
„Gobert hat mir dann einen freundlichen Brief geschrieben, dass er mir | |
glaube“, erzählt Meyer-Veden. Dass nämlich einer wie er nicht unablässig | |
auf die Bühne stieren müsse, um den richtigen Moment abzupassen. „Als | |
Fotograf merkt man doch, wenn etwas passiert“, sagt er. In diesem Jahr wird | |
Hans Meyer-Veden 83 Jahre alt. | |
Derzeit ist eine kleine Auswahl seiner Werke über die Elbe und den | |
Hamburger Stadtteil Altona unter dem Titel „Elbe Ufer“ im Hamburger | |
[1][Jenisch Haus] im gleichnamigen Park zu sehen: Schwarz-Weiß-Fotografien, | |
handabgezogen von ihm selbst. Man sieht menschenleere Strandabschnitte und | |
Ufersäume, sieht Wasserstrudel und Wolkenformationen über dem Strom, schaut | |
auf Büsche, gestutzte Bäume, beiläufiges Gestrüpp. Blickt auf Wege, die den | |
Elbhang hinaufführen, und auf neuarchitektonische Scheußlichkeiten. | |
Meyer-Veden verweigert den sentimentalen, touristischen Blick, spielt mit | |
den Möglichkeiten der dokumentarischen wie der konzeptionellen Fotografie, | |
während in den Nebenzimmern des Jenisch Hauses edle und gediegene Möbel | |
sowie Ölschinken aus früheren Zeiten auf Zuschauer warten und draußen im | |
Park Frauen in teuren Mänteln mit ihren Hunden in teure Autos steigen. | |
Meyer-Vedens Herkunft ist eine gänzlich andere: Er wächst in Horneburg bei | |
Stade und damit im Alten Land auf. Seine Welt ist geprägt vom Handwerk: „In | |
unserer Straße gab es einen Lebensmittelladen, einen Frisör, dann folgte | |
ein Bäcker, dann kam ein Schuster, dann kam ein Spielzeugladen und ein | |
Sargtischler. Wir sind als Kinder überall ein und aus gegangen, und im | |
Hintergrund war Hamburg – oh haben wir gelebt.“ | |
Sein Vater arbeitete als Rechtsbeistand und starb, da war der Sohn erst | |
acht. Der Vater hinterließ eine Kamera. Doch erst einmal lernte Hans | |
Meyer-Veden Maschinenbauer. Dann fuhr er zur See, kaufte von seinem ersten | |
Gehalt eine bessere Kamera und ein Rad und fuhr damit durch Deutschland. | |
Die Wolken über den Burgen am Rhein hat er damals fotografiert und den | |
Kölner Dom. „Ich habe damals Dinge fotografiert, die ich noch nie gesehen | |
hatte. Wenn ich mir die Bilder heute anschaue, finde ich sie immer noch | |
ganz ordentlich gelungen“, sagt er. | |
Mit einem Freund führte der Heranwachsende tiefschürfende Gespräche, die in | |
ihrer unpolitischen Ernsthaftigkeit in die Nachkriegszeit gepasst haben | |
dürften: Um Esoterik und Rudolf Steiner ging es, um die Frage, wie weit | |
sich die Gedanken ins Spirituelle erheben dürfen. Und wie fest der | |
Geistesmensch andererseits mit beiden Beinen auf dem Boden stehen sollte. | |
Meyer-Veden war langfristig mehr für das Handfeste. So begann er 1953 eine | |
Lehre als Fotograf und ging dann erst an die Kunsthochschule. Erhielt einen | |
Lehrauftrag, später eine Dozentur, arbeitete anderthalb Jahrzehnte | |
freiberuflich, wurde später in Dortmund Professor für Visuelle | |
Kommunikation. Damals war er der landesweit einzige Hochschullehrer, der | |
kein Abitur nachweisen musste. „Für mich galt damals der Genieparagraf“, | |
lacht er. | |
## Unerträgliche Studenten | |
Später wechselte er nach Kiel, wo er 1993 seine Hochschullaufbahn vorzeitig | |
beendete: „Die Studenten wollten vor allem eins: berühmt werden, viel Geld | |
verdienen, vielleicht noch Mädchen fotografieren. Ich konnte das nicht mehr | |
ertragen.“ Meyer-Veden ging in den Vorruhestand. | |
Es ist ein gesicherter Zustand, den er sehr zu genießen scheint, denn | |
während sich die freien Kollegen zwischen Brotjobs und künstlerischen | |
Idealen aufreiben, nutzt er die Zeit, um seine Fotoprojekte umzusetzen: | |
Fotobücher über New York, das Alte Land und die Hamburger Tiden, | |
aufgenommen zwischen dem Arbeiterviertel auf der Veddel und dem noblen | |
Blankenese. | |
„Wissen Sie, dass viele Fotografen Selbstmord begehen?“, fragt er | |
plötzlich. Und er streift kurz das Schicksal des Hamburger Fotografen | |
Wilfried Bauer, eines renommierten Magazin und Reportagefotografen, der | |
sich, als die Aufträge weniger wurden, aber wohl auch wegen einer | |
Depression, in Hamburg-St. Georg aus dem Fenster stürzte. | |
Hans Meyer-Veden hat nichts dergleichen im Sinn. „Ich habe mich | |
verlangsamt“, sagt er, „und das nicht nur aus gesundheitlichen Gründen.“… | |
kann das übrigens empfehlen: langsam gehen, langsam schauen. Entsprechend | |
flaniert er nahezu täglich durch Altona, wo er seit gut 60 Jahren lebt und | |
findet dort oft auch Motive. Geht weiter, Richtung Elbe, will gar nicht | |
fotografieren und fotografiert dann doch. | |
Im Übrigen ringt er gerade damit, ob er anhand von Hamburg-Postkarten der | |
1920er und 1930er Jahre, die er im Internet erstand, einen Essay schreiben | |
soll, um seinem fotografischen Verhältnis zu Hamburg auf die Schliche zu | |
kommen. „Ich bin geprägt vom alten Hamburg-Bild, habe trotz meiner | |
Modernität diese Prägung nicht verloren, versuche immer noch im neuen | |
Hamburg-Bild das alte Hamburg-Bild finden“, sagt er. Andererseits sei er | |
„ein wenig erschrocken, dass ich noch immer Heimatfotografie mache“. Aber | |
so sei es nun mal, so wie auch sein künstlerischer Werdegang im | |
Handwerklichen verortet bleibe: „Wenn man mit einem Hammer auf ein Blech | |
schlägt, gibt es eine Beule. Man haut irgendwo drauf, und es gibt ein | |
Ergebnis. Das hat mich immer fasziniert.“ Und ob Fotografie nun im engeren | |
Sinne Kunst sei – das interessiere ihn einfach nicht. | |
Zur Illustration evoziert er noch ein Bild aus der Kindheit: Als kleiner | |
Junge steht er da mit nackten Beinen im kalten, fließenden Wasser und fängt | |
Glasaale mit der Hand. „Ich möchte die Welt so sehen“, sagt er, „dass man | |
auf den Grund kommt.“ | |
## Elbe Ufer. Fotografien von Hans Meyer-Veden: Bis 2. 3., Jenisch Haus, | |
Baron-Voght-Str. 50 | |
3 Feb 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.jenischhaus.org/de/sonderausstellungen/elbeufer.htm | |
## AUTOREN | |
Frank Keil | |
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