# taz.de -- Pro & Contra Wowereit: Überlebt Wowereit das Debakel? | |
> Klaus Wowereit ist der dienstälteste Ministerpräsident der Republik. Doch | |
> er hat über fast zwei Jahre hinweg einen Steuerbetrüger gedeckt. | |
Bild: In Bedrängnis: der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit. | |
JA! Klaus Wowereit ist der dienstälteste Ministerpräsident der Republik und | |
ganz sicher in der finalen Phase seiner Regentschaft. Aber es müssten schon | |
sehr rasch eine ganze Reihe weiterer haarsträubender Enthüllungen ans Licht | |
kommen, damit der Regierende Bürgermeister über den Steuerbetrug seines | |
Kulturstaatssekretärs und Intimus André Schmitz (mit-)stolpert. | |
Phase eins seiner Amtszeit, parallel zur ersten rot-roten Koalition von | |
2002 bis 2006, war so etwas wie das Berliner Remake von „Cool Britannia“: | |
Wowereit zehrte vom erfolgreichen Putsch gegen die abgewirtschaftete CDU | |
und von seinem „Gut so“-Outing, gab den Regierenden Partymeister und machte | |
aus Berlin eine internationale Marke, „arm, aber sexy“. | |
Phase zwei kann man als Zeit der Konsolidierung und des leisen | |
wirtschaftlichen Aufschwungs bezeichnen. | |
Die dritte schließlich begann mit der (nicht ganz so) Großen Koalition mit | |
der Union 2011 und zeichnet sich durch Wowereits Konzentration auf zwei | |
Ziele aus: An der Macht bleiben und den BER fertigstellen. Wowereit hofft | |
darauf, dass er den Flughafen selbst eröffnen kann, noch 2015. Nur deswegen | |
tut er sich den Aufsichtsratsvorsitz der Flughafengesellschaft wieder an, | |
den er vor einem Jahr unter Druck abgeben musste. | |
Klar ist: Wowereit will nicht als politischer Stümper in den | |
Geschichtsbüchern landen. Vielleicht kann er, nachdem er das rote Bändchen | |
am BER zerschnitten hat, sogar erneut als Spitzenkandidat bei der | |
Abgeordnetenhauswahl 2016 antreten. Bis vor wenigen Tagen war die Stimmung | |
in der Berliner SPD dafür nicht abgeneigt. | |
Das Ende von Wowereits finaler Regierungsphase ist gleichbedeutend mit dem | |
Ende seiner politischen Karriere – eine Weiterverwendung in der | |
Bundespolitik winkt ihm längst nicht mehr –, was seinen Durchhaltewillen | |
eher stärken als schwächen dürfte. Dabei geht es dem Regierenden | |
Bürgermeister längst nicht mehr ums Lenken. Das zeigt sich etwa daran, dass | |
er die Affäre Schmitz in seinem Urlaubsdomizil auszusitzen versucht und | |
aller scharfen Kritik zum Trotz erst am heutigen Montag, eine Woche nach | |
Bekanntwerden der Affäre, persönlich dazu Stellung beziehen will. | |
Seine Partei, die seit längerem mit ihm hadert, machte es Wowereit leicht, | |
mit seiner Taktik durchzukommen: die personellen Alternativen fehlen. Den | |
politischen Ziehsohn – den heutigen Stadtentwicklungssenator Michael Müller | |
– hat die SPD vor zwei Jahren demontiert, als sie ihn als Landeschef durch | |
Jan Stöß ersetzte. Stöß wiederum, derzeit einziger möglicher Ersatzmann, | |
wagt sich nicht aus der Deckung. Er muss es auch gar nicht, er ist gerade | |
mal 40 Jahre alt und weiß: Wer zu früh putscht, den bestraft das Leben. | |
Stöß dürfte sehr genau beobachten, wie Wowereits Taktik sich auf die | |
Chancen eines SPD-Wahlerfolgs 2016 auswirkt. Das wiederum hängt vor allem | |
vom BER ab. Solange da nichts klar ist, nutzt Wowereits Kleben an der Macht | |
allen – zumindest in der Berliner SPD. BERT SCHULZ | |
*** | |
Nein! Keine Frage, Klaus Wowereit ist hart im Nehmen. Als ihm vor einigen | |
Jahren vorgeworfen wurde, er sei amtsmüde, hängte er sich in den Wahlkampf | |
– und gewann ihn fast im Alleingang. Und auch dass Berlins Regierender | |
Bürgermeister, der ganz wesentlich das BER-Desaster mitvergeigt hat, jetzt | |
wieder Chef des Aufsichtsrats ist, zeigt ebenfalls: Der Mann kann kämpfen. | |
Er weiß, in welchem Ring der entscheidende Kampf ausgefochten wird. | |
Dieses Gespür hat Klaus Wowereit nun verlassen. Der SPD-Politiker hat über | |
fast zwei Jahre hinweg einen Steuerbetrüger gedeckt, der als | |
Kulturstaatssekretär über einen 773-Millionen-Etat zu entscheiden hatte und | |
etwa ob die Tanzcompagnie von Sasha Waltz mehr Geld bekommt oder weniger. | |
Wowereit hat nicht einmal seine Senatoren informiert, geschweige denn ein | |
Disziplinarverfahren eingeleitet. Und das in Zeiten, in denen die | |
Bundes-SPD „Null Toleranz“ gegen Steuersünder fordert – 2013 mit | |
ausdrücklicher Zustimmung des Berliner Regierungschefs, damals noch | |
Parteivize. | |
Klaus Wowereit ging volles Risiko. Nachdem die Steueraffäre nun ans Licht | |
gekommen ist, werden ihm seine Steherqualitäten nur noch bedingt nützen. | |
Dass einer im Urlaub bleibt, wenn es im Roten Rathaus stürmt, mag in | |
normalen Zeiten stille Bewunderung hervorrufen. Dieser Draufgänger, der | |
pfeift halt auf die Regeln. Doch nun ist es ein Zeichen der Schwäche. | |
„Wowi“, einst Liebling der Berliner und nun in Umfragen nur noch vor ein | |
paar Piraten, muss abtauchen. | |
Dass es in naher Zukunft tatsächlich ernst werden könnte für Deutschlands | |
dienstältesten Ministerpräsidenten, hat auch mit seinem aktivsten | |
Gegenspieler zu tun. SPD-Landeschef Jan Stöß hat inzwischen genug Standing | |
in der Partei, um Wowereit die Stirn zu bieten. Als dieser vor einer Woche | |
wissen ließ, er halte an seinem Staatssekretär fest, berief Stöß eine | |
Telefonkonferenz des Landesvorstands ein – ohne Wowereit zuzuschalten. | |
Danach teilte er André Schmitz mit, er habe keine Rückendeckung mehr. Kurz | |
darauf stellte Schmitz sein Amt zur Verfügung. | |
Stöß’ Alleingang ist zwar noch keine Palastrevolte. Doch im Palast des | |
Klaus Wowereit haben die Aufständischen ein paar weitere Gemächer | |
eingenommen. Damit werden auch die Karten neu gemischt. Bislang galt: Klaus | |
Wowereit wird die Legislatur beenden und im Mai 2016 vier Monate vor den | |
nächsten Wahlen zum Abgeordnetenhaus mitteilen, ob er noch mal antritt. | |
Falls ja, sei noch genügend Zeit für eine Staffelübergabe 2018. | |
Dazu muss man wissen, dass Wowereit, der Mann mit Steherqualitäten, nur | |
noch ein politisches Ziel hat: den Flughafen BER zu eröffnen, und zwar im | |
Amt. Bislang hat seine Partei keinen Zweifel daran gelassen, ihm einen | |
solchen Abgang zu gewähren. Nun aber wird Wowereit zunehmend zum | |
Sicherheitsrisiko für die Berliner SPD. Die alte Formel – nur mit Wowereit | |
kann man Wahlen gewinnen – gilt nicht mehr. Doch dann muss man auch nicht | |
auf die BER-Eröffnung warten, um Wowereit aus seinem Palast zu jagen. UWE | |
RADA | |
10 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
Uwe Rada | |
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