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# taz.de -- Klaus Wowereit: Das Strahlen vergeht
> Ein Staatsekretär in Berlin hinterzog Steuern. Sein Chef hat es gewusst
> und geschwiegen. Ein Problem? Nein, findet Klaus Wowereit.
Bild: Setzen, bleiben: Klaus Wowereit.
BERLIN taz | Diesmal hat er keinen Witz auf Lager. Nicht einmal ein
süffisantes Lächeln umspielt seine Lippen. Klaus Wowereit hat wohl den
Ernst der Lage erkannt. Vorzuwerfen aber hat sich Berlins Regierender
Bürgermeister nichts. „Es war die schwierigste Entscheidung, die ich als
Dienstherr fällen musste“, sagt er und fügt hinzu. „Ich stehe zu meiner
Entscheidung damals.“
Es ist ein bisschen wie High Noon im Berliner Abgeordnetenhaus, auch wenn
die Sondersitzung, auf der Berlins SPD-Regierungsschef Rede und Antwort
stehen musste, erst um 13 Uhr beginnt. Wowereits Kulturstaatssekretär und
Vertrauter André Schmitz hatte Steuern hinterzogen. Schon 2012 hatte
Wowereit davon erfahren – und nichts unternommen.
Als die Steueraffäre am Montag vor einer Woche bekannt wurde, war Wowereit
im Skiurlaub – und versuchte Schmitz zunächst zu halten. Es waren
SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel und Landeschef Jan Stöß, die den
Wowereit-Vertrauten zum Rücktritt drängten.
An diesem Montag ist Berlins Regierender Bürgermeister vom Skifahren
zurückgekehrt. Doch er findet sich nicht in Amt und Würden wieder, sondern
auf der Anklagebank. Eine SPD-Abgeordnete hält das Handy hoch und
fotografiert in den Saal. Ein Kollege von der CDU tut es ihr nach. Acht
Kamerateams haben sich im Saal 376 des Abgeordnetenhauses in Position
gebracht. Neben Wowereit ist auch CDU-Justizsenator Thomas Heilmann im
Saal. Auch er hatte vom Steuervergehen des Staatssekretärs gewusst. Die
Staatsanwaltschaft hatte ihn informiert. Allerdings habe er wegen des
Steuergeheimnisses diese Information für sich behalten, heißt es aus seinem
Umfeld. Vonseiten des Koalitionspartners braucht Wowereit nichts zu
befürchten.
## „Wowereit’sches Landrecht“
„Herr Wowereit, Sie sind nicht der Staat, und der Staat ist nicht Klaus
Wowereit.“ Für Klaus Lederer, den Fraktionsvorsitzenden der Linken, ist das
Fass übergelaufen. „Es geht hier nicht um Loyalität, sondern um
Dienstpflicht.“ Wenigstens hätte ein Disziplinarverfahren Wowereit prüfen
müssen. „Aber nicht einmal das haben Sie gemacht.“ Oppositionskollegin
Ramona Pop von den Grünen nennt das „Wowereit’sches Landrecht“.
Klaus Wowereit nennt es anders. Er spricht von der „Angelegenheit Schmitz“.
Wenigstens spricht er nicht von Peanuts. 425.000 Euro hatte der eloquente
und elegante Schmitz, der Erbe der Schwarzkopf-Dynastie, auf dem Konto
einer Schweizer Bank gebunkert. Vor zwei Jahren kam ihm die Steuerfahndung
auf die Schliche. Schmitz beglich seine Steuerschuld von 22.000 Euro,
zahlte 5.000 Euro Strafe, die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein.
„Haben Sie da keine Nachfragen gehabt?“, fragt die ehemalige
Umweltsenatorin der Linken, Katrin Lompscher.
Die Opposition nimmt Klaus Wowereit ins Kreuzverhör, und der zieht er sich
in die Schmollecke zurück, verschränkt die Arme, tuschelt mit seinem Leiter
der Senatskanzlei. Der hat in seiner Abwesenheit die Strippen gezogen und
schnell ein paar entlastende Gutachten beauftragt, argwöhnt die Opposition.
Wowereit selbst hat die Ergebnisse der Gutachten zitiert: „Ein Gutachten
sagt sogar, dass ich gar kein Disziplinarverfahren hätte einleiten dürfen“,
trägt er vor. Schließlich habe es sich bei Schmitz’ Steuerhinterziehung um
ein außerdienstliches Vergehen gehandelt. Und dann sei das Verfahren auch
noch eingestellt worden.
Doch es gibt auch noch eine andere, die politische Ebene, räumt der
Regierende Bürgermeister ein. „Aus meiner politischen Sicht sind
Steuervergehen keine Kavaliersdelikte“, betont Wowereit und schaut auf das
Blatt, das vor ihm liegt. Offenbar ist die politische Ebene der Causa
Schmitz so heikel, dass er ein vorbereitetes Statement vom Papier vorlesen
muss. „Ich bin der Auffassung, dass Steuerdelikte konsequent verfolgt
werden müssen. Das ist geschehen. Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren
eingeleitet.“ Mit der Einstellung des Verfahrens, so die knappe
Schlussfolgerung Wowereits, ist der Fall bewertet. Bedauern, gar Reue?
Fehlanzeige!
Jan Stöß ist nicht dabei, als Wowereit in Saal 376 den Ärger der Opposition
über sich ergehen lassen muss. Vielleicht ist das auch gut so. Denn der
SPD-Landeschef hat sich offen gegen Wowereit gestellt. Es soll krachen in
Wowereits SPD, heißt es. Man kann auch sagen, Jan Stöß hat es krachen
lassen.
Der 40-Jährige ist damit so eine Art Wiederholungstäter. Im Juni 2012 hat
Stöß den damaligen Landeschef Michael Müller gestürzt. Müller war wie
Schmitz Wowereit-Vertrauter und so etwas wie der natürliche Nachfolger für
die Nach-Wowi-Ära in der Hauptstadt. Seitdem gilt Stöß als potenzieller
Kandidat für die Nachfolge Wowereits.
## „Die Hütte brennt, der Herr muss ins Haus“
Als der Fall Schmitz am vergangenen Montag publik wurde, hat Stöß
nachgelegt. Während einer Telefonkonferenz des geschäftsführenden
Landesvorstands, so heißt es, habe er ein Stimmungsbild eingeholt. Im
Anschluss habe er Schmitz angerufen und ihm mitgeteilt, dass es keine
Rückendeckung mehr für ihn gäbe. Kurz darauf ließ Schmitz wissen, er werde
zurücktreten. Wowereit war außen vor. So offen hatte sich noch keiner in
der Berliner SPD gegen den Regierenden gestellt. Getobt habe der hinterher,
erzählte man sich in der SPD.
High Noon auch im Berliner Landesverband der SPD? Noch Anfang vergangener
Woche war klar: Aus dem Fall Schmitz war ein Fall Wowereit geworden. Nicht
nur Sigmar Gabriel hatte Wowereit abgewatscht. Neuköllns
SPD-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky nannte es „unglücklich“, dass
der Regierende weiter urlaube. „Die Hütte brennt, der Herr muss ins Haus“,
forderte der SPD-Politiker.
Am gestrigen Montag rudern die SPD-Genossen zurück. „Wir werden nicht
zulassen, dass aus dem Fall Schmitz ein Fall Wowereit wird“, sagt der
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider. Bereits davor hatte Stöß
eine Kehrtwende gemacht. „Wir stehen hinter unserem Regierenden
Bürgermeister und werden da auch nicht wackeln“, machte der Landeschef
deutlich. Offenbar hatte Wowereit aus seinem Skiurlaub Loyalität
eingefordert.
Ist Klaus Wowereit also wieder fest im Sattel? Der Sturm in der Berliner
SPD ein heißes Lüftchen gewesen, mehr nicht?
Ganz so einfach ist es nicht, das zeigt der Ernst, mit dem Klaus Wowereit
die Debatte in Saal 376 verfolgt. Auch er weiß: Das Fass ist voll. 43
Prozent der Berlinerinnen und Berliner wollen seinen Rücktritt. Der Glanz
des einstigen Strahlemanns ist dahin. Erst der Flughafen, jetzt die
Steueraffäre. Noch einen Lapsus, das weiß Klaus Wowereit, wird er sich
nicht mehr erlauben können. Seine SPD, das hat die Causa Schmitz gezeigt,
kann er nicht mehr führen wie ein Marionettentheater.
Bislang galt: Erst kurz vor der nächsten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus
im Herbst 2016 will Wowereit seine Partei wissen lassen, ob er noch mal
antritt. Dass ihm die Berliner SPD für eine neuerliche Kandidatur den roten
Teppich ausrollt, ist seit der vergangenen Woche unwahrscheinlich. Klaus
Wowereit scheint es zu ahnen. Die „brennende Hütte“, von der Buschkowsky
gesprochen hat, scheint vorerst gelöscht. Doch der Boden glüht weiter.
10 Feb 2014
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Berlin
Klaus Wowereit
Steuern
André Schmitz
SPD
Kulturstaatssekretär
Berlin
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Klaus Wowereit
Wowereit
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