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# taz.de -- Biozertifikat in der Gastronomie: „Das System funktioniert nicht�…
> Viele Gastronomen mit Bio-Angebot verzichten trotz Pflicht auf
> Öko-Inspektionen. So können Gäste nicht sicher sein, ob sie wirklich Bio
> bekommen.
Bild: Bio oder nicht bio, das ist hier die Frage.
BERLIN taz | Die junge Bedienung guckt verdutzt. „Biozertifikat? Was ist
das denn?“ Ein Imbiss in Friedrichshain, auf der Karte Burger auch mit
Fleisch in Bioqualität für 2 Euro mehr. „Von Demeter oder so“, sagt der
Kellner. Von einer Biozertifizierung hat er nie gehört. Dabei müssen
Gastronomen, die Essen als Bio anbieten, laut Ökogesetz ihren Betrieb von
einer Biokontrollstelle prüfen lassen.
Rund 2.500 Küchen in Deutschland hätten das Biozertifikat, sagt Rainer
Roehl von der Firma a’verdis in Münster, die bei der Umstellung auf Öko
berät. Aber mindestens noch einmal so viele Wirte, schätzt Roehl, hätten
keine Bescheinigung. Für den Gast bedeutet das: Er kann sich nicht sicher
sein, ob er wirklich bio oder doch konventionell isst. Denn die
Biokontrollstellen – private Unternehmen, die vom Staat beauftragt werden –
schauen darauf, was die Küche verlassen hat: Sind mehr Biogerichte
verkauft, als Biozutaten eingekauft wurden? Die Inspekteure überprüfen
zudem Lieferscheine und Warenlager.
Ausnahmen gibt es: Für die Flasche Biobier, die der Kellner am Tisch
öffnet, muss sich niemand prüfen lassen. Schließlich kann der Gast hier
nachvollziehen, ob er sich ökologisch korrekt berauscht. Ausgenommen sind
laut Roehl etwa auch Kindertagesstätten.
Je nach Art des Betriebs kostet die Kontrolle jährlich zwischen 250 und 800
Euro. Geld und Aufwand könnten also Gründe für die Wirte sein, es einfach
sein zu lassen. Häufig handele es sich aber einfach um Unwissenheit, sagt
Roehl.
## Geprüft wird nur nach Anmeldung
Von einer größeren Menge illegaler Bioangebote geht auch Jochen Neuendorff,
Geschäftsführer der Kontrollstelle Gfrs aus. Wenn die Codenummer der
Kontrollstelle in der Karte oder ein Aushang mit dem Biozertifikat fehlt,
weiß Neuendorff, dass Betriebe nicht am Kontrollverfahren teilnehmen. „Wenn
ich mit offenen Augen durch Berlin gehe und schaue, dann sind das sehr
viele. Das System funktioniert nicht, die Ehrlichen sind die Dämlichen.“
Vertreter der Gastronomen geben an, dass keine Zahlen vorliegen, wie viele
Wirte Bio ohne Bescheinigung anbieten. „Uns sind hier keinerlei Studien
bekannt“, sagte ein Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes.
Infrage stellt er die Schätzungen aber auch nicht.
Die privaten Ökoinspekteure dürfen nur die Betriebe kontrollieren, die sich
auch bei ihnen angemeldet haben. Für den Burger-Imbiss ohne Biozertifikat
in Friedrichshain sind deshalb die Behörden zuständig. Doch die gehen
bislang kaum gegen Verstöße vor. Sogar die EU-Kommission hat moniert, dass
das zuständige Amt in Niedersachsen und das in Brandenburg, das auch für
Berlin zuständig ist, überhaupt keine Kontrollen zu diesem Thema planten.
Neuendorff fordert deshalb, dass die Lebensmittelbehörden hier besser
arbeiten. Für ihn sind die Versäumnisse der Ämter ein Beleg dafür, dass die
diskutierte Verstaatlichung der Biokontrolle nach hinten losgehen würde.
Die für Berlin zuständige Kontrollbehörde, das Ministerium für
Infrastruktur und Landwirtschaft Brandenburg, teilte der taz auf Anfrage
mit: „Eine flächendeckende Kontrolle aller gastronomischen und Lebensmittel
handelnden Unternehmen ist nicht möglich“. Allerdings gehöre die
„Prüfdichte und Prüftiefe“ von Ökobetrieben wegen des Biobooms in Berlin
auch für das Ministerium auf den Prüfstand, erklärte Pressesprecher
Jens-Uwe Schade. Er schließe nicht aus, „dass bei der anstehenden
Neufassung des Landwirtschaftsstaatsvertrags auch explizit auf das Thema
Ökokontrollen in Restaurants eingegangen wird“.
20 Feb 2014
## AUTOREN
Eva Oer
## TAGS
Biosiegel
Gastronomie
Mecklenburg-Vorpommern
Italien
EU
Schwerpunkt Gentechnik
Schokolade
Bio-Lebensmittel
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