# taz.de -- G8 oder G9 an Schulen: Bummeln liegt wieder im Trend | |
> Das heftig kritisierte Turboabitur steht bundesweit vor dem Aus. Auch | |
> Niedersachsen kündigt den Ausstieg an. Wie der „Systemwechsel“ aussehen | |
> soll, ist offen. | |
Bild: Mehr Zeit fürs Lernen – demnächst auch für SchülerInnen in Niedersa… | |
Das rot-grün regierte Niedersachsen kippt als eines der letzten | |
westdeutschen Bundesländer das Turboabi am Gymnasium. Künftig sollen neben | |
den Gesamtschulen auch die Gymnasien zum Abitur nach 13 Jahren zurückkehren | |
dürfen, verkündete Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) am Mittwoch | |
in Hannover. „Die Tür zum G9 ist offen“, sagte sie. | |
Damit rückt eine bundesweite Restauration näher. In Bayern sowie den | |
Stadtstaaten Berlin und Hamburg gibt es ebenfalls Initiativen, die eine | |
Wiedereinführung der neunjährigen Gymnasialzeit fordern. Als die | |
Kultusminister vor gut zehn Jahren ein Jahr der Schulzeit an Gymnasien | |
kürzten, waren vor allem ökonomische Gründe ausschlaggebend. Die Kritik am | |
G8 riss nie ab. Nach Regierungswechseln ruderten etwa Baden-Württemberg und | |
NRW wieder zurück | |
In Niedersachsen betonte Heiligenstadt, dass besonders lernschnelle Schüler | |
auch weiterhin die Möglichkeit haben sollen, eine Klasse zu überspringen – | |
und das Abitur nach acht Jahren abzulegen. Gleich zum Regierungswechsel vor | |
einem Jahr hatte Rot-Grün eine Reform des 2004 von den schwarz-gelben | |
Vorgängern eingeführten Abis nach acht Jahren (G8) angekündigt. „Wir haben | |
immer kritisiert, dass das Turboabi für große Probleme sorgt“, sagte | |
Heiligenstadt. Es verursache Stress bei Schülern und Lehrern sowie Druck | |
bis in die Familien hinein. | |
Zu Fragen, wie genau die Reform aussehen soll, hat man sich bislang bedeckt | |
gehalten – und auf die Ergebnisse einer eigens eingesetzten Expertenrunde | |
aus Lehrern, Schülern und Eltern verwiesen, die bis Ende März erwartet | |
werden. Die Kommission prüft mehrere Varianten: ein abgespecktes G8 mit | |
weniger Prüfungsfächern und Klausuren, die Rückkehr zum G9 oder ein | |
paralleles Angebot von G8 und G9. | |
Den Empfehlungen griff Heiligenstadt jetzt allerdings vor. Zu hoch war | |
offenbar der Druck von Niedersachsens Landtagsopposition, Lehrer-, | |
Schüler-, Eltern- und zuletzt auch Wirtschaftsverbänden. Sie hatten | |
zunehmend auf eine Grundsatzentscheidung zurück zum Abi nach 13 Jahren | |
gedrängt. | |
## Zeit für individuelle Förderung | |
Wie genau der „Systemwechsel“, wie es Heiligenstadt formuliert, aussehen | |
und ab wann er greifen soll, ließ die Ministerin offen. Man wolle „nicht | |
die Fehler der Vorgänger machen“ und eine Reform des Abiturs übereilt | |
durchdrücken, sagte sie. Die Rückkehr zum G9 könnte aber Teil einer großen | |
Novelle des niedersächsischen Schulgesetzes werden, die Heiligenstadt für | |
August 2015 angekündigt hat. | |
Der Bundesvorsitzende des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte | |
der taz: „Der Trend geht zum neunjährigen Gymnasium.“ Er glaube, dass sich | |
die Diskussionen auch in Bayern, Berlin und Hamburg verschärfen werden. Der | |
bayerische Gymnasiallehrer hat stets für eine Rückkehr zum Abitur nach | |
Klasse 13 plädiert. „Individuelle Förderung setzt voraus, dass man Zeit | |
hat.“ Meidinger mahnte aber an, sich bei der Wiederverlängerung des Abiturs | |
genügend Zeit zu lassen und zunächst ein schlüssiges Konzept vorzulegen. | |
In der eher linksorientierten Bildungsgewerkschaft Erziehung und | |
Wissenschaft (GEW) ringt man um eine gemeinsame Position. GEW-Vorsitzende | |
Marlies Tepe sagte der taz, man habe die Einführung des G8 sehr kritisch | |
begleitet. „Die Lehrkräfte haben sich aber darauf eingestellt und viele | |
sind nun eher unglücklich, dass wieder alles rückgängig gemacht wird.“ | |
Die neuen Bundesländer haben dagegen das Abitur nach Klasse 12 nie | |
aufgegeben oder sind nach kurzer Probezeit zu diesem Modell zurückgekehrt. | |
Die bildungspolitische Sprecherin der sächsischen SPD, Eva-Maria Stange, | |
sagte der taz: „G9 war in Sachsen nie ein Thema.“ | |
19 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Teresa Havlicek | |
Anna Lehmann | |
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