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# taz.de -- Finanzskandal am Wiener Burgtheater: Die letzten Kronjuwelen
> Mehr als eine individuelle Fehlleistung: Der Finanzskandal am Wiener
> Burgtheater verweist auf die ungewisse Zukunft des deutschsprachigen
> Theaters.
Bild: Da ist ein Loch im Theater: 16,16 Millionen Euro Schulden im Geschäftsja…
Österreich ist eine Republik, hat aber noch immer so etwas wie Kronjuwelen:
das Burgtheater und die Wiener Staatsoper. Die „kaiserlich-königlichen
Hoftheater“ unterlagen einst der direkten Entscheidungsgewalt des Kaisers.
Ihr Fortbestehen als Bundestheater regelt bis heute ein eigenes Gesetz. Mit
den Resten imperialen Sternenstaubs mag es auch zu tun haben, dass der
Betrieb der Häuser schon immer etwas teurer kommt als anderswo.
Über Geld sprach man lange nicht in Wien. Am Burgtheater tut man dies
derzeit um so mehr. Das Haus hat einen handfesten Finanzskandal, der mit
der fristlosen Kündigung der Vizedirektorin und vormaligen kaufmännischen
Direktorin, Silvia Stantejsky, spektakulär eröffnet wurde.
Was man ihr vorwirft, vermutet man eher in einer fantasielos aktualisierten
„Dreigroschenoper“-Aufführung als in der Leitung des größten
Theaterbetriebs deutscher Zunge: Abschreibungszeiträume seien willkürlich
verlängert worden. Vor Stichtagen habe Stantejsky Bargeld geliehen, um den
Kassenstand für Kreditgeber aufzuhübschen. Eine makabre Randerscheinung:
Zwei Jahre nach dessen Ableben taucht der Eintrag „Schlingensief“ in einer
Liste auf.
Solche Taschenspielereien mögen justiziabel sein. Sie erklären aber kaum,
warum das Burgtheater binnen weniger Jahre in eine so bedrohliche
Schieflage geraten konnte. Die Rede ist von 16,16 Millionen Euro Schulden
im Geschäftsjahr 2011/12 bei einem jährlichen öffentlichen Zuschuss von
46,43 Millionen Euro, von einem Bilanzverlust von 8,3 Millionen im
Rechnungsabschluss 2012/13 und drohenden 5 Millionen an
Steuernachzahlungen.
## Bedrohliche Schieflage
An der EinzeltäterInnentheorie wachsen Zweifel, insbesondere im Burgtheater
selbst. Das Ensemble hat in einem für das Haus wohl einmaligen Vorgang
Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann und dem Chef der übergeordneten
Bundestheater-Holding Georg Springer mit 83 zu 31 Voten das Misstrauen
ausgesprochen. Hartmanns Selbstdarstellung als theaterleitender Wunderwuzzi
gerät ins Wanken.
In seinen früheren Intendanzen an den Schauspielhäusern in Bochum und
Zürich schreibt er sich Sanierungsleistungen zu. Dagegen regt sich nun aus
Bochum deutlicher, aus Zürich vehementer Widerspruch. Für den Vorwurf, in
Wien ein Defizit übernommen zu haben, droht ihm sein Vorgänger, der
derzeitige Münchner Opernintendant Nikolaus Bachler, mit Klage.
Österreich hat gewählt. Die neue Regierung ist zwar die alte, aber mit
neuem Personal. Die bisherige Kunstministerin Claudia Schmied hatte
Hartmanns Vertrag bei einer durchaus diskussionswürdigen künstlerischen
Bilanz der ersten Jahre bis 2019 verlängert. Der neue für die Kunst
verantwortliche Kanzler-Intimus Josef Ostermayer und sein christsozialer
Widerpart, die Exfinanzministerin und nun ÖVP-Kultursprecherin Maria
„Schotter-Mitzi“ Fekter, haben allen Ansinnen auf Subventionserhöhung eine
Absage erteilt.
Diese Haltung der Wiener Politik ist richtig und falsch zugleich.
Einerseits ist das Burgtheater auch nach Jahren stagnierender Zuschüsse
immer noch weit höher dotiert als die anderen großen Repertoiretheater im
deutschsprachigen Raum. Zum anderen wird Theater wie jeder
Manufakturbetrieb von Jahr zu Jahr teurer.
## Politikversagen bis in die 90er Jahre
Wer dasselbe Theater haben will, muss von Jahr zu Jahr mehr dafür zahlen.
Wer das nicht tut, muss auf Dauer über andere Organisationsformen im
Theater nachdenken. Eine simple wirtschaftliche Tatsache, vor der
Kulturpolitiker gerne die Augen verschließen.
In Wien reicht dieses Politikversagen bis in die 90er Jahre zurück. Mit der
Gründung der Bundestheater-Holding 1999 hat man die Staatstheater der Form
nach zu Privatunternehmen erklärt und dabei übersehen, dass sie nicht
unternehmerisch handeln können.
Theater haben mit dem Subventionsgeber einen Monopolisten als „Kunden“, der
Dreiviertel der Einnahmen bringt, aber weder mehr zu zahlen bereit, noch
ersetzbar ist, nicht durch Dritte und auch nicht durch die übrigen Kunden,
die Zuschauer. Eine Reduktion des Aufwandes, wie mehr Schließtage oder ein
Übergang zum Stagione-Betrieb sind unpopulär oder im Falle der Burg sogar
gesetzlich untersagt. Wer mehr Einnahmen durch Zuschauer haben will, muss
noch mehr Geld ausgeben und zwangsläufig damit scheitern.
## Systemfrage stellen
An der Burg wird man sich über ein paar Geschäftsjahre mit einmaligen
Spareffekten retten. Nur irgendwann wird das Fett einmal auf das
Produktionsniveau deutscher Großbühnen abgeschmolzen sein. Spätestens dann
muss die öffentliche Hand den Zuschuss erhöhen oder die Systemfrage stellen
und das Ende des Repertoiretheaters verantworten. Das ist am Ende sogar
weniger bedrohlich, als es zunächst klingt.
Mit Blick ins west- und nordeuropäische Ausland, gepaart mit etwas
politischer Fantasie lassen sich sehr wohl Modelle entwerfen, in denen sich
künstlerische Qualität und soziale Sicherheit für KünstlerInnen besser
realisieren lassen, als im von Sparpolitik demontierten Repertoiretheater.
Es geht dann nur nicht an jedem Abend an jeden Ort der Lappen hoch.
Kulturpolitik muss endlich entscheiden statt aufzuschieben, sonst treffen
sich die Entscheidungen irgendwann selbst.
24 Feb 2014
## AUTOREN
Uwe Mattheiss
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