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# taz.de -- Rufmord durch Geheimdienste: Spione mit „magischen Techniken“
> Dokumente des britischen GCHQ zeigen, wie dieser falsche Informationen
> über Gegner streut. Auch missliebige Aktivisten geraten ins Visier.
Bild: Chefmagier: Iain Lobban, Direktor des GCHQ bei einer Parlamentsanhörung.
BERLIN taz | Im April 2012 wurde der 23-jährige Engländer Edward Pearson
verurteilt: 26 Monate soll er im Gefängnis verbringen, weil er unter dem
Decknamen „G-Zero“ die Daten von 8 Millionen Briten geklaut haben soll. Und
er war ein Teil von der [1][Anonymous-Gruppe „Lulzsec“], beteiligte sich an
deren [2][„Operation Payback“], mit denen US-Kreditkartenfirmen angegriffen
wurden, weil sie Spenden an die Enthüllungsplattform Wikileaks nicht
weiterleiteten.
So weit, so kriminell, vermischt mit etwas politischem Aktivismus. Doch nun
ist bekannt, dass Pearson nicht von den üblichen Sicherheitsbehörden wie
etwa der Polizei überführt wurde. Stattdessen war es der britische
Geheimdienst GCHQ, der den Mann zur Strecke brachte. Spione sprachen
Pearson in einem Chatforum an, boten ihm für „Operation Payback“ den Zugang
zu Computern an und entlockten ihm Details zu seiner Identität. Das
Ergebnis, so heißt es [3][in einer Folie aus einer geheimen Präsentation
des GCHQ]: „Berichterstattung [durch GCHQ] führt zu Identifizierung,
Festnahme. Verurteilt für 2 Jahre“.
Der Auszug aus der Präsentation ist [4][kürzlich von Glenn Greenwald
veröffentlicht worden], jenem Journalisten, dem der ehemalige
NSA-Mitarbeiter Edward Snowden geheime Unterlagen aus dem Innenleben der
Geheimdienste überließ. Sie zeigen, dass Spione nicht nur spionieren,
sondern mit ihrem Wissen gezielt wahre oder gefälschte Informationen
streuen, um ihre Gegner auszuschalten. Talibankämpfer in Afghanistan wurden
alle zehn Sekunden mit SMS bombardiert. In Blogs wurde Stimmung gegen den
Iran gemacht. Und die Informationen wurden genutzt, um einfache Kriminelle
wie Edward Pearson zu überführen.
[5][Die Dokumente belegen], dass GCHQ das systematisch mit zwei Gruppen
betreibt: der Joint Intelligence Threat Research Group (JTRIG, etwa
„Gemeinsame Geheimdienst Bedrohungserforschungsgruppe“) und der Human
Sciences Operation Cell (HSOC, etwa Humanwissenschaftliche
Operationszelle).
## Paranoia „auf die nächste Stufe heben“
Die Taktiken, die JTRIG gegen vermeintliche oder tatsächliche Gegner
einsetzt sind vielfältig: Die Gruppe [6][versendet Computerviren] oder
stellt sogenannte „Honeypot“-Fallen auf, bei denen Menschen sexuelle
Begegnungen in Aussicht gestellt werden damit sie Geheimnisse verraten. Um
Gegner zu verunsichern, kann sie auch ganze Onlinepräsenzen löschen. „Sehr
lästig“ sei die Aktion, heißt es auf der entsprechenden Folie des GCHQ.
Doch es geht auch niedrigschwelliger. Soll eine der Zielpersonen nur das
Gefühl bekommen, sie werde beobachtet, können auch einzelne Bilder in
sozialen Netzwerken ausgetauscht werden. Die Botschaft, die so verschickt
wird: „Du wirst beobachtet und wir haben Zugriff auf deine Konten“. Die
Auswirkung, so steht es in den Folien: „Kann 'Paranoia' zur nächsten Stufen
heben“.
In den Dokumenten werden noch weitere Taktiken beschrieben: Blogeinträge
mit Falschinformationen aufsetzen, oder diese direkt an Medien spielen –
oder gefälschte E-Mails und SMS an Kollegen, Nachbarn und Freunde
verschicken.
HSOC dagegen hat einen zurückgelehnteren, abstrakteren Ansatz. Die
entsprechenden Folien mit der absurden Überschrift „Magische Techniken und
Experimente“ beschreiben die Wechselwirkungen zwischen „Individuen“,
„Gruppen“, „Medien“, „Psychologie“, „Gehorsamkeit“, „Eleganz�…
„Kreativität“, sie beschreiben was Gruppen zusammenbringt („geteilte
Ablehnung“, „geteilte Ideologie“, „gemeinsame Ansichten“) und sie wie…
auseinanderreißt („persönliche Macht“, „bestehende Spaltung“, „Konk…
„ideologische Differenzen“). Die sollen natürlich auch ausgenutzt werden.
## Kompromat gegen „Hacktivisten“ und „Radikale“
„Keine Regierung sollte solche Taktiken anwenden können“, kommentiert
Greenwald seine Funde im Artikel. „Welche Rechtfertigung gibt es dafür,
dass Behörden Menschen ins Visier nehmen, denen nichts vorgeworfen wird,
für Rufmordkampagnen, um Online-Communities zu unterwandern und Diskurse zu
beeinflussen?“
Als besonders störend bezeichnet er, dass mit Hilfe dieser Taktiken
offenbar auch missliebige Aktivisten angegriffen werden und nicht nur
„verfeindete Länder und deren Anführer, Militärbehörden und Geheimdienste…
In den Folien zu Anonymous werden so explizit „Hacktivist“-Gruppen als
mögliche Ziele genannt, aber auch Firmen, Banken und politische Parteien.
Dass Unbeteiligte oder missliebige Personen gezielt ausgeforscht werden,
auch wenn es keine konkreten Belege für strafbares Verhalten gibt,
[7][zeigten schon Dokumente der NSA]. Der US-Geheimdienst sammelte gezielt
kompromittierende Informationen über „radikale Muslime“. Über einen
„respektierten Akademiker, der Propaganda von al-Qaida verbreitet“,
[8][hieß es beispielsweise], er habe „promiskes Onlineverhalten“, und über
einen „Prominenten“ war vermerkt: „glamouröser Lebensstil“ und „veru…
möglicherweise Spenden“.
Auch in diesen Fällen hieß es, dass die beschriebenen Männer nicht mit
konkreten Terrorplänen in Verbindung gebracht würden. Es ginge allein
darum, wenn nötig ihre Autorität zu untergraben.
27 Feb 2014
## LINKS
[1] /!89153/
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Payback
[3] http://msnbcmedia.msn.com/i/msnbc/sections/news/snowden_anonymous_nbc_docum…
[4] http://www.nbcnews.com/news/investigations/war-anonymous-british-spies-atta…
[5] http://firstlook.org/theintercept/2014/02/24/jtrig-manipulation/
[6] http://msnbcmedia.msn.com/i/msnbc/sections/news/snowden_cyber_offensive1_nb…
[7] /!128329/
[8] http://www.huffingtonpost.com/2013/11/26/nsa-porn-muslims_n_4346128.html
## AUTOREN
Lalon Sander
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