| # taz.de -- Fußball-Funktionäre über Lizenzvergabe: „Jeder Investor ist wi… | |
| > Ob Bundesliga-Vereine sich langfristig überschulden ist nicht Sache der | |
| > DFL, sagen die Funktionäre Rettig und Möglich. Sie seien keine | |
| > Unternehmensberater. | |
| Bild: Hundert Euro von Dietmar Hopp in die Jugendarbeit | |
| taz: Herr Rettig, Ihr Kollege in der Geschäftsführung der DFL, Christian | |
| Seifert, hat öfter gesagt, die Bundesliga sei ein Produkt. | |
| Andreas Rettig: Seitdem ich bei der DFL bin (seit 2013; die Red.), habe ich | |
| das aus seinem Mund noch nicht gehört. Die Bundesliga ist ein attraktiver | |
| sportlicher Wettbewerb, eine gesellschaftliche Institution, aber eben auch | |
| ein Wirtschaftsfaktor. Diese drei Punkte bedingen einander. Und um es klar | |
| zu sagen: Alle bei der DFL sind mit Herzblut dabei. Wir sprechen hier auch | |
| nicht vom Kunden, sondern vom Fan. | |
| Ließe sich das Produkt Bundesliga denn weniger gut verkaufen, wenn anstelle | |
| der oft zitierte Traditionsvereine noch mehr Projektklubs wie Hoffenheim in | |
| die Liga stoßen würden? RB Leipzig etwa hält ja direkten Kurs auf die erste | |
| Liga. | |
| Rettig: Machen Sie nicht den Fehler und bewerten Sie, welcher | |
| Hundert-Euro-Schein besser ist. Sind die hundert Euro, die ich durch eine | |
| Erhöhung der Ticketpreise einnehme, besser als die hundert Euro, die Herr | |
| Hopp der Jugendabteilung spendet? Ich warne vor Scheinheiligkeit. | |
| Grundsätzlich ist jeder Investor, der Geld in den Kreislauf Fußball | |
| einbringt, herzlich willkommen, solange er sich statutenkonform verhält. | |
| Wie bewertet die DFL die aktuelle finanzielle Situation der beiden | |
| Bundesligen? | |
| Rettig: Die Eigenkapitalsituation in der Bundesliga hat sich stetig | |
| verbessert. Fast alle Vereine machen Gewinn. Die zweite Liga muss man | |
| differenzierter betrachten. Durch Auf- und Abstiege wird das Gesamtgefüge | |
| mal verbessert, mal verschlechtert. Zudem gibt es mehrere Klubs, die | |
| negatives Eigenkapital ausweisen. Wir wollen, dass sich die Situation | |
| nachhaltig verbessert. | |
| Machen Sie sich Sorgen? | |
| Rettig: Nein, es gibt Klubs, die trotz des sportlichen Abenteuers | |
| Fußballbundesliga die wirtschaftliche Vernunft an erste Stelle gesetzt | |
| haben. Beispiele wären die SpVgg Greuther Fürth, der FC St. Pauli und | |
| Fortuna Düsseldorf. Dies sind alles Vereine, die einen ordentlichen Gewinn | |
| erzielt haben – trotz des folgenden Abstiegs. Bedenklich wird es an der | |
| Nahtstelle zwischen der zweiten und der dritten Liga. Die Schere wird jedes | |
| Jahr deutlich größer. Man kann sagen, dass ein Zweitligist, der absteigt, | |
| vor erheblichen wirtschaftlichen Problemen steht. Das bereitet auch uns | |
| Bauchschmerzen. | |
| In der ersten Liga gibt es doch Klubs, bei denen aufgrund eines hohen | |
| Verschuldungsgrades – etwa Schalke oder Hamburg – die Gesamtlage nicht so | |
| rosig wirkt. | |
| Rettig: Wir heben in erster Linie auf die Liquiditätsbetrachtung ab. Können | |
| alle Verbindlichkeiten eines Klubs fristgerecht beglichen werden? In der | |
| laufenden Saison ist bisher keinem Verein die Luft ausgegangen. Das spricht | |
| für unser Lizenzierungsverfahren. | |
| Werner Möglich: Der Verband hat in den 90er-Jahren versucht, seine | |
| Lizenzentscheidungen mit der Ertragslage, der Vermögenslage und der | |
| Liquiditätslage der Klubs zu begründen. Deswegen wurden auch teilweise | |
| Lizenzen verweigert. Daraufhin haben die Vereine geklagt. Die Gerichte | |
| haben entschieden, dass der Verband nur eine Lizenz für ein Jahr erteilt. | |
| Es geht nun also darum, ob der Klub für dieses eine Jahr seine | |
| Verpflichtungen erfüllen kann. Wie er das macht, ob mit regulären | |
| Einnahmen, mit Darlehen oder mit geschenktem Geld, hat die DFL nicht zu | |
| interessieren. Wir können nicht sagen, du bist überschuldet und bekommst | |
| deswegen die Lizenz nicht. | |
| Rettig: Wir sind keine Unternehmensberater. | |
| Es heißt, die IBB-Bank, die Internationales Bankhaus Bodensee AG, würde | |
| Bundesligavereinen, die anderswo keine Kredite mehr bekommen, noch welche | |
| gewähren. | |
| Möglich: Das Geschäftsmodell der IBB-Bank ist ein anderes als das der | |
| Berliner Volksbank. Die IBB ist eine Factoring-Bank. Sie kauft zukünftige | |
| Forderungen an und finanziert diese vor. Das ist nichts Verbotenes. | |
| Ist das aus Sicht der Vereine ein solides Konzept? | |
| Möglich: Natürlich ist es nicht wünschenswert, heutige Ausgaben mit | |
| Einnahmen, die zukünftig erwartbar sind, zu finanzieren. | |
| Gibt es diesbezüglich eine klare Kommunikation zwischen der DFL und den | |
| Klubs? | |
| Rettig: Es gibt keinen Ersatz für wirtschaftliche Vernunft. | |
| Kurzfristige, womöglich abenteuerlich erreichte Liquidität birgt | |
| Risikopotenzial. Die DFL hat aber doch ein Interesse an einem nachhaltigen | |
| Wirtschaften der Klubs? | |
| Möglich: Wir dürfen nur in der Frage entscheiden, ob die Liquidität für ein | |
| Spieljahr gegeben ist – unabhängig von der Vermögenslage und der | |
| Ertragssituation des Klubs. Der Ligaverband hat 36 Mitglieder und diese | |
| legen ihr eigenes Statut fest. Die Klubs beschließen das, was sie für | |
| sinnvoll erachten, damit die Lizenz erteilt wird. Aber wir haben das | |
| Instrument Auflagen. Wir geben einem Klub die Lizenz, sagen aber, dass | |
| während der Spielzeit weitere Anforderungen zu erfüllen sind. Es gibt eine | |
| Auflage im Hinblick auf die Vermögenslage: Ist ein Kapital negativ, muss es | |
| sich innerhalb eines Jahres um fünf oder zehn Prozent verbessern. Stellen | |
| wir fest, dieser Wert ist nicht erfüllt, gibt es im ersten Jahr Sanktionen | |
| in Form von Geldstrafen. Werden im folgenden Jahr die Auflagen erneut nicht | |
| erfüllt, gibt es Punktabzüge während der laufenden Saison. | |
| Das funktioniert? | |
| Möglich: Die Klubs wissen intern das Instrument Lizenzierungsverfahren sehr | |
| wohl zu nutzen. Wird festgestellt, dass es finanziell eng wird, finden die | |
| Klubs oft schnell Wege und Möglichkeiten, sich liquide Mittel zu | |
| verschaffen, um den Spielbetrieb zu sichern. | |
| Ein System, das sich allein durch das Erzielen kurzfristiger Liquidität am | |
| Leben erhält, ist nicht unbedingt positiv. | |
| Möglich: Die Entwicklungen können ganz unterschiedlich sein. Dies zeigt | |
| etwa die jüngere Geschichte von Borussia Dortmund – erst ganz oben, dann | |
| ganz unten, jetzt wieder ganz oben. | |
| Auch wenn viele Klubs ihre Profiabteilungen ausgegliedert haben, gibt es | |
| immer noch etliche eingetragene Vereine in den Bundesligen. Ist das für die | |
| DFL ein Problem? | |
| Möglich: Das Verhältnis ist derzeit ausgeglichen. Es gibt 18 eingetragene | |
| Vereine und 18 Kapitalgesellschaften. Die Entscheidung, ob die | |
| Profiabteilung ausgegliedert wird, liegt bei den Vereinen selbst. In der | |
| Rechtsform des eingetragenen Vereins kann man nahezu identische Strukturen | |
| schaffen wie in einer Kapitalgesellschaft. Der einzige Unterschied ist, | |
| dass man eine fremde finanzielle Beteiligung nicht zulässt. | |
| Es gibt darüber hinaus schon noch andere Unterschiede – zum Beispiel bei | |
| der Frage der Haftung. | |
| Möglich: Wann haftet ein Vorstand bei einem Verein? Da müsste jemand schon | |
| grob fahrlässig handeln. Das habe ich noch nie erlebt. | |
| Sind die im deutschen Profifußball aktiven Klubs nicht gänzlich | |
| profitorientierte Unternehmen? | |
| Möglich: Die Klubs sollten, wenn möglich, auch positive Ergebnisse | |
| ausweisen. | |
| Rettig: Der Profifußball in Deutschland sollte sich nicht nur über den | |
| Shareholder-Value-Gedanken definieren. | |
| Stehen die sogenannten Traditionsklubs unter einem besonderen Schutz der | |
| DFL oder werden sie gar besonders kritisch beäugt? | |
| Rettig: Bei uns wird jeder Klub gleich behandelt. Wir dürfen aber generell | |
| nicht den Fehler machen, die Klubs gegeneinander auszuspielen. | |
| Gefühlsduselei, die sich darin ausdrückt, dass der Traditionsklub der gute | |
| Verein und der neureiche der schlechte ist, hilft nicht weiter. Maßgebendes | |
| Kriterium ist der sportliche Erfolg. | |
| Wie groß ist denn der emotionale Faktor im Fußballgeschäft noch? | |
| Rettig: Fußballfans sind wir alle. Bei unternehmerischen Entscheidungen | |
| sollte man sich jedoch nicht von Emotionen leiten lassen. | |
| Verliert die Liga nicht mit jedem Lizenzentzug auch ein Stückchen | |
| Glaubwürdigkeit in Sachen Kontrolle über die Klubs? | |
| Rettig: Nein. Das Beispiel des Lizenzentzugs vom MSV Duisburg (im Sommer | |
| 2013; d. Red.) hat vielmehr gezeigt, dass die Integrität des Wettbewerbs | |
| das höchste Gut ist – auch wenn es sicherlich für alle Beteiligten sehr | |
| schmerzhaft war. | |
| 10 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Scheper | |
| ## TAGS | |
| Lizenz | |
| Andreas Rettig | |
| Fußball | |
| Investoren | |
| Mäzene | |
| Fußball | |
| Borussia Dortmund | |
| Schalke 04 | |
| Fußball | |
| Christian Streich | |
| Fußball | |
| FC Bayern München | |
| Fußball | |
| Fußball | |
| Fußball | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Hopp hat nun Mehrheit bei Hoffenheim: „Mir geht es nicht um die Macht“ | |
| Das Sagen hat der Milliardär schon seit 25 Jahren. Jetzt übernimmt mit | |
| Dietmar Hopp erstmals ein Privatmann auch offiziell die Mehrheit an einem | |
| Bundesligaclub. | |
| RB Leipzig in der 2. Bundesliga: Nach oben? Na logo! | |
| Aufsteiger RB Leipzig einigt sich mit der Deutschen Fußball-Liga und darf | |
| in die Zweite Liga. Nur sein Logo muss der Klub ändern. | |
| Borussia Dortmund: Die Suche nach der Gier | |
| Niemand kann derzeit dem FC Bayern gefährlich werden – so scheint es. | |
| Selbst in Dortmund ist man hilflos. Wie war das noch mit der Gier? | |
| S04-Mannschaftsarzt über Verletzungen: „Wir müssen anders trainieren“ | |
| Schalkes Mannschaftsarzt Dr. Thorsten Rarreck hat gerade viel zu tun. Weil | |
| die Belastung für die Spieler größer geworden ist, fordert er einen | |
| Paradigmenwechsel. | |
| Werder verliert gegen Freiburg: Hinten nix, vorne nix, in der Mitte nix | |
| Desolate Bremer verlieren zum Auftakt des 26. Spieltags der | |
| Fußball-Bundesliga gegen Freiburg. Die Breisgauer haben so etwas Luft nach | |
| unten – anders als die Hanseaten. | |
| Fußball-Bundesliga Sonntagsspiele: Streich wittert Verschwörung | |
| Freiburgs Coach Christian Streich erregt sich über die | |
| Schiedsrichter-Leistung bei der Niederlage seines Teams gegen den BVB. | |
| Mainz und Hertha trennen sich 1:1. | |
| Trainerwechsel beim VfB Stuttgart: Schneider geht, Stevens kommt | |
| Nach dem 2:2 gegen Braunschweig stößt der Schwaben-Verein Thomas Schneider | |
| von der Trainerbank. Der alte Fuchs Huub Stevens soll den Club nun vor dem | |
| Abstieg bewahren. | |
| 24. Spieltag Fußballbundesliga: „Ekliges Pressing“ | |
| Auch Wolfsburg konnte den Bayern kein Bein stellen – obwohl es zunächst | |
| danach aussah. München gewann am Ende mit 6:1. Und Augsburg schafft den | |
| Klassenerhalt. | |
| Kommentar HSV-Chaos: Gekaufter Erfolg, Stufe zwei | |
| Professionalisierung bedeutet auf Hamburgisch nicht mehr | |
| Fußballsachverstand, sondern mehr Einfluss für Betriebswirte. Mit fatalen | |
| Konsequenzen | |
| Finanzinvestor bei Hertha BSC: Mit Bayern und dem BVB aufschließen | |
| Der US-Finanzinvestor KKR steigt für über 60 Millionen Euro bei Hertha ein | |
| und übernimmt einen Anteil von 10 Prozent. Eine Mitsprache strebe man nicht | |
| an. | |
| Zweiter Fankongress in Berlin: Wenn die Kurve mitdiskutiert | |
| Die Ultras erkennen zunehmend, dass man kooperieren muss. Beim zweiten | |
| Fankongress arbeiten sie mit anderen Gruppen zusammen. | |
| Kolumne Press-Schlag: Ausgeprägter Elitismus | |
| Für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien lässt sich der DFB ein | |
| Luxusresort im Irgendwo bauen. Geht’s noch abgehobener? |