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# taz.de -- Tropenarzt über Malaria und Klimawandel: „Die Malaria hat also l…
> Vermutet wird es schon länger, dass sich die Malaria infolge des
> Klimawandels ins Hochland ausbreitet, sagt der Tropenmediziner Frank
> Mockenhaupt von der Charité.
Bild: Ein dreijähriges Kind spielt hinter einem Moskitonetz gegen Malaria-Müc…
taz: Herr Mockenhaupt, der Klimawandel macht sich weltweit bemerkbar. Nun
haben US-amerikanische und britische Wissenschaftler nachweisen können,
dass man sich eine Malariainfektion auch oberhalb der 2.000-Meter-Marke
holen kann. Breiten sich Tropenkrankheiten weiter aus?
Frank P. Mockenhaupt: Die zentrale These des Papiers ist nicht neu. Man
vermutet schon seit Jahren, dass sich die Malaria infolge des Klimawandels
ins Hochland ausbreitet. Es hat vor allem in Ostafrika in der letzten
Dekade mehrfach Malariaepidemien in Hochlandgebieten gegeben, wo es vorher
keine Malaria gab. Das spricht für ein Anheben der Höhengrenze, bis zu der
die Malaria übertragen wird, und wird mit dem Klimaphänomen El Niño in
Zusammenhang gebracht. Diese neue Arbeit zeigt nun anhand einer sehr guten
Datengrundlage aus zwei ganz unterschiedlichen Gebieten und mithilfe
komplexer statistischer Verfahren, dass sich diese
Malariaübertragungsgrenze tatsächlich nach oben verschoben hat.
Die Studie bezieht sich auf Daten aus einer Hochlandregion in Kolumbien und
einer in Äthiopien. Könnte die Situation in den Nachbarländern, ob Bolivien
und Peru oder Kenia und Somalia, die gleiche sein?
Ja, wenn die Ergebnisse stimmen, kann man davon ausgehen, dass sie auch für
andere Gebirgsregionen in Ostafrika oder Südamerika zutreffen.
Die Studie, die im Wissenschaftsmagazin [1][„Science“] veröffentlicht
wurde, prognostiziert, dass schon bei einer Temperaturzunahme von einem
Grad die Infektionsquote bei Jugendlichen unter 15 Jahren in Äthiopien um
drei Millionen zunehmen könnte. Ein Alarmsignal …?
Ja sicherlich. Allerdings können diese Zahlen eine hohe Schwankungsbreite
aufweisen.
Welche Bedeutung hat der Anstieg der Malariainfektionsquote in Ländern wie
Kolumbien oder Äthiopien für die lokalen Gesundheitssysteme – sind sie dem
gewachsen?
Hoffentlich. Allerdings bestehen ja bereits Probleme, die Malaria im
Flachland in den Griff zu bekommen – trotz aller Bemühungen. Wenn es zu
einem Anstieg der Infektionszahlen in einem bislang nicht betroffenen
Gebiet kommt und andere Herangehensweisen gefordert sind, dann ist das für
jedes Land eine Herausforderung.
Müssen sich Touristen fortan besser vorbereiten auf Reisen in Länder wie
Kolumbien, Peru, Bolivien oder Äthiopien, Kenia oder Somalia?
Für Touristen ist das Risiko ja nicht vergleichbar mit dem der Menschen,
die dort leben. Aber natürlich könnte das für uns Tropenmediziner bedeuten,
dass wir unsere Beratung umstellen, wenn sich die Ergebnisse dieser
wissenschaftlichen Arbeit bestätigten. Bislang galten die Gebiete über
2.000 Meter als Regionen, in denen es nicht nötig war, eine Prophylaxe
einzunehmen. Das könnte sich zum Beispiel in Ostafrika verschieben.
Haben Sie in Ihrer täglichen Arbeit bereits mit dieser Hochlandmalaria zu
tun gehabt, wie sie im „Science“-Artikel genannt wurde?
Bei unseren Patienten am Tropeninstitut sehen wir keine solche Entwicklung.
Bei Studien im Hochland von Uganda und Ruanda, beides Regionen auf circa
1.800 Metern, berichteten unsere dortigen Kollegen von einem Anstieg von
Malariafällen in den letzten Jahren. Ob das nun auf den Klimawandel
zurückzuführen ist oder ob andere Einflüsse dahinterstecken – Regenfälle,
nachlassende Kontrollmaßnahmen – ist unklar.
Sehen Sie die Infektionskrankheit generell auf dem Vormarsch? Erweitert
sich der Lebensraum der übertragenden Anophelesmücke?
Schwierige Frage. In den letzten 15 Jahren hat die Weltgemeinschaft die
Gelder für die Malariabekämpfung vervierzig- oder gar verfünfzigfacht. Das
ist enorm und hat zu einem Rückgang der Infektionszahlen in vielen Ländern
geführt. In anderen Gebieten, vor allem in Hochrisikogebieten in Afrika,
war das nicht der Fall. Da hat es teilweise eine Zunahme der Infektionen
gegeben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht seit dem Jahr 2005
einen deutlichen Rückgang der Todesfälle auf jetzt knapp 700.000 pro Jahr,
allerdings ist die Dunkelziffer groß. Das Bild ist also uneinheitlich:
Zurückdrängen der Malaria in vielen Gebieten von Südamerika, Südostasien,
auch in Afrika, aber Verbleiben auf hohem Niveau oder sogar Zunahmen in
einigen Hochrisikogebieten in Afrika.
Laut den Forschungsergebnissen sind die Bewohner des Hochlands in Äthiopien
und Kolumbien empfänglicher für Malaria. Ist ihr Immunsystem nicht darauf
eingerichtet?
Genau, denn um eine erworbene Immunität gegen Malaria auszubilden, muss man
wiederholt infiziert werden. Das trifft auf Flachlandbewohner zu, die oft
jede Nacht durch einen Mückenstich infiziert werden. Je geringer dieser
Infektionsdruck, desto unvollständiger baut sich die Immunität auf. Zudem
hat die Malaria in den Hochinfektionsgebieten auch einen Effekt auf das
Genom, über die Jahrhunderte hinweg und über viele Generationen. Das heißt,
im Flachland gibt es viele angeborene Veränderungen der roten Blutzellen,
zum Beispiel die Anlage zur Sichelzelle, wodurch die Träger gegen die
schweren Verlaufsformen der Malaria geschützt sind. Ein derartiger Schutz
ist bei Hochlandbewohnern eher selten, die Malaria hat also leichteres
Spiel.
Gibt es ausreichend Präparate gegen Malaria und stehen die Medikamente auch
in den Ländern Ostafrikas oder Lateinamerikas zur Verfügung?
Es stehen derzeit sehr gute Medikamente zur Malariabehandlung zur
Verfügung, auch in den Malariagebieten. Wenn man jedoch genau hinschaut,
sieht man, dass vielerorts noch alte, billigere Medikamente eingesetzt
werden, gegen die die Erreger häufig resistent sind. Zudem ist der Zugang
zu Gesundheitseinrichtungen, in denen es Diagnose und Therapie gibt, für
viele Menschen in Entwicklungsländern schlicht nicht gegeben. Es gibt oft
einfach keinen Gesundheitsposten in der Nähe, oder das Geld für die Anreise
oder die Behandlung ist nicht da.
Sind die Präparate auch in den Risikogebieten für Malaria erschwinglich?
Die sind so weit subventioniert, dass eine Dosis für ein Kind etwa 50
Eurocent kostet. Das ist erschwinglich, und in vielen Ländern ist die
Behandlung von Kindern in staatlichen Gesundheitseinrichtungen auch
kostenlos. Allerdings ist die Verfügbarkeit der Medikamente nicht
durchgehend gegeben – wegen Liefer-, Logistik- oder sonstigen
Schwierigkeiten. Auf dem freien Markt sind die neuen, guten Medikamente –
wenn es sie denn gibt – nicht subventioniert, das heißt, sie sind teuer.
Immerhin gibt es mittlerweile Bestrebungen, die Medikamente auch im
privaten Sektor zu subventionieren.
Warum ist es so schwierig, einen Impfstoff zu entwickeln?
Weil es so komplex, langwierig und sehr teuer ist. Der derzeit bei mehr als
10.000 Kindern getestete Impfstoff gegen Malaria ist der erste Impfstoff
überhaupt, der gegen eine parasitäre Erkrankung entwickelt werden konnte.
Bei Tetanus zum Beispiel wird mit einem unveränderlichen Bakterientoxin
geimpft. Der Malariaerreger dagegen tritt in quasi unzähligen Variationen
seiner Oberfläche auf und kann diese unter Druck auch noch verändern,
Antigene neu anordnen oder Ähnliches. Man braucht also einen Impfstoff, der
dieser extremen Variabilität des Parasiten Rechnung trägt oder einen
Parasitenbestandteil, der wenig variabel, also konserviert ist. Das hat
gedauert, es gab zahlreiche Fehlschläge, und die klinische Überprüfung des
jetzigen Kandidaten am Menschen läuft seit einigen Jahren und noch für
weitere zwei oder drei. Dieser Impfstoff scheint eine rund 50-prozentige
Wirksamkeit zu haben. Das gilt es weiterzuentwickeln und effektiver zu
machen.
14 Mar 2014
## LINKS
[1] http://www.sciencemag.org/
## AUTOREN
Knut Henkel
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