| # taz.de -- SPD-Linker über den Koalitionspartner: „CDU hängt an einem Dogm… | |
| > Niemals Steuererhöhungen? „Ein Konstruktionsfehler des | |
| > Koalitionsvertrages“, sagt SPD-Finanzexperte Carsten Sieling. Die CDU | |
| > müsse das überdenken. | |
| Bild: Ausnahmsweise ganz rechts: Carsten Sieling mit rot-rot-grünen Bundestags… | |
| taz: Herr Sieling, lassen Sie uns darüber reden, wie die Große Koalition | |
| mit Geld umgeht. | |
| Carsten Sieling: Sehr gern. | |
| These: Die Koalition belastet mit ihren Entscheidungen ausgerechnet die | |
| Mittelschicht. Warum sieht die SPD dabei zu? | |
| Einspruch. Die Sozialdemokraten bringen Wesentliches für die kleinen Leute | |
| voran. Wir führen den Mindestlohn ein, der deutliche Gehaltsaufschläge für | |
| Niedrigverdiener bedeutet. Und wir ermöglichen Menschen, die 45 Jahre hart | |
| gearbeitet und in die Versicherung eingezahlt haben, abschlagsfrei in Rente | |
| zu gehen. | |
| Finanzminister Schäuble leert für die Mütterrente die Rentenkassen. Das | |
| trifft vor allem Angestellte in der Mittelschicht, die später höhere | |
| Beiträge zahlen müssen. | |
| Die SPD befürwortet die Mütterrente, weil sie gerecht ist. Aber ja: Sie ist | |
| falsch finanziert. Eine solche gesamtgesellschaftliche Aufgabe müsste | |
| eigentlich über Steuern finanziert werden, also von allen. Nicht von den | |
| Beitragszahlern allein. | |
| Die SPD trägt also etwas mit, was sie falsch findet? | |
| Wir waren gegen eine solche Finanzierung. Aber Koalitionen bedeuten | |
| Kompromisse. Und Arbeitsministerin Andrea Nahles hat zu Recht deutlich | |
| gemacht, dass die Mütterrente ab 2018 steuerfinanziert werden muss. | |
| Nächstes Beispiel: Schäuble will Zuschüsse beschneiden, aus denen etwa die | |
| beitragsfreie Versicherung von Kindern in der gesetzlichen Krankenkasse | |
| bezahlt wird. Das träfe besonders Familien hart. | |
| Herr Schäuble plant, erneut den Steuerzuschuss für den Gesundheitsfonds zu | |
| senken. Ich finde das falsch. Das Thema wird in der SPD-Fraktion sehr | |
| kritisch diskutiert. Wie immer gilt das Struck‘sche Gesetz: Kein Gesetz | |
| verlässt den Bundestag so, wie es hineinkommt. | |
| Es bleibt der Eindruck: Die Koalition schmückt sich mit dem ausgeglichenen | |
| Haushalt, verschleiert aber, dass die deutsche Mitte dafür zahlt. | |
| Die CDU hängt an einem Dogma: Sie will auf jeden Fall verhindern, dass | |
| vermögende Leute mehr Steuern zahlen. Das ist ein grundsätzlicher | |
| Konstruktionsfehler des Koalitionsvertrages. | |
| Die SPD hat im Wahlkampf versprochen, Reiche für solcheAufgaben zur Kasse | |
| zu bitten. Wie erklären Sie Ihren Wählern, dass das Gegenteil passiert? | |
| Das wird eine wichtige Aufgabe für uns als SPD sein. Wir müssen immer | |
| wieder deutlich machen, dass wir andere Positionen in der Finanz- und | |
| Steuerpolitik haben, als wir im Koalitionsvertrag verankern konnten. | |
| Die SPD hält es weiter für notwendig, Steuern für Reiche zu erhöhen? | |
| Ja. Wenn wir die großen Ziele – gute Bildung, guter Sozialstaat, intakte | |
| Infrastruktur, Schuldenbegrenzung – verwirklichen wollen, müssen wir weiter | |
| über Steuererhöhungen für Gutverdiener diskutieren. | |
| Warum? Die Steuereinnahmen sprudeln wie nie, sagt die CDU. | |
| Dieses Argument ist Volksverdummung. Bei einer stetig wachsenden | |
| Volkswirtschaft sind Einnahmerekorde aus Steuern die Regel, nicht die | |
| Ausnahme. | |
| Aber die Union hat sich eindeutig festgelegt: Mit uns keine | |
| Steuererhöhungen. | |
| Die Finanzsituation kann sich in den nächsten vier Jahren zuspitzen. Die | |
| Schuldenbremse greift, im Bund und in den Ländern. Der Soli läuft aus. Die | |
| Konjunktur kann sich abschwächen. Verbindlichkeiten aus der Euro-Krise | |
| können fällig werden. Meine Prognose ist: Die CDU wird ihr Dogma, keine | |
| Steuern zu erhöhen, überdenken müssen. | |
| Dann würde Merkel ihr zentrales Wahlversprechen brechen. | |
| Merkel und Schäuble müssen ja irgendetwas tun, wenn es eng wird. Und eine | |
| neue Phase des Sozialabbaus wird es in dieser Legislatur nicht geben. Da | |
| ist die SPD vor. | |
| Die CDU will die kalte Progression abbauen, also Normalverdiener steuerlich | |
| entlasten. Die SPD signalisiert Zustimmung. Woher kommt das Geld? | |
| Hier wird viel Wind gemacht, man muss genau gucken. Wer pauschal an die | |
| Progression geht, entlastet vor allem Spitzenverdiener. Jedoch bleibt | |
| häufig für Menschen mit kleinen Einkommen bei Lohnerhöhungen zu wenig über. | |
| Darum werden wir uns kümmern. Aber es muss eine Gegenfinanzierung her. Die | |
| SPD hält es für notwendig, spätestens dann über eine Erhöhung des | |
| Spitzensteuersatzes und auch über die Abgeltungssteuer zu sprechen. | |
| Vielen deutschen Städten droht der Bankrott, ebenso geht es vielen Ländern. | |
| Wie müssen die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu | |
| geregelt werden? | |
| Erstens müssen wir in der Tat die Städte und Kommunen neu stabilisieren, | |
| ihre Finanzlage ist zum Teil dramatisch. Zweitens brauchen wir einen neuen | |
| Länderfinanzausgleich. Es ist ja nicht mehr so, dass nur einzelne Länder | |
| Unterstützung brauchen - sondern umgekehrt. Nur noch einzelne Länder wie | |
| Bayern oder Baden-Württemberg können unterstützen. | |
| Was wäre als Ihr Vorschlag? | |
| Olaf Scholz hat als Hamburger Bürgermeister einen Vorschlag zu Altschulden | |
| vorgelegt. Danach soll Ländern bei den Zinslasten geholfen werden. Ich habe | |
| mit anderen erweiterte Überlegungen dazu vorgelegt, die auch die Kommunen | |
| einbeziehen. Zur Finanzierung sollen die Einnahmen aus dem Soli verwendet | |
| werden. So etwas hilft perspektivisch auch den Geberländern. | |
| Eine Vermögenssteuer käme direkt den Ländern zugute. Sehen Sie eine Chance | |
| für die Steuer, die ja auch im SPD-Wahlprogramm stand? | |
| Die Einkommens- und Vermögensveteilung in Deutschland schreit nach einer | |
| Vermögenssteuer. Es gibt zuhauf Studien, die belegen, dass immer weniger | |
| Superreiche immer mehr Vermögen besitzen. Aber diese Debatte in der Großen | |
| Koalition zu führen, ist unmöglich. Da hat sich die Union in einer | |
| Parallelwelt mit Realitätsverweigerung eingemauert. | |
| Sie wurden gerade neu als Sprecher der Parlamentarischen Linken der | |
| SPD-Fraktion gewählt. Was haben Sie vor? | |
| Ich habe zwei Ziele: Wir verstehen uns als Wächter des Koalitionsvertrages. | |
| Die Parlamentarische Linke wird darauf achten, dass die SPD-Anliegen, die | |
| wir verhandelt haben, sauber umgesetzt werden. Und ich möchte dafür sorgen, | |
| dass die SPD ein klares Profil behält. Als Interessenvertreterin der | |
| Familien, der arbeitenden Menschen, der sogenannten kleinen Leute. | |
| Warum sollte das gelingen? In der letzten Großen Koalition ist die SPD | |
| neben Merkel untergegangen. | |
| Diese Erfahrung sitzt der SPD tief in den Knochen. Und wir haben aus ihr | |
| gelernt: Dieses Mal haben wir sehr präzise Projekte vereinbart, die wir | |
| umsetzen werden. Sie korrigieren teilweise auch Fehler der Agenda 2010. | |
| Diese Große Koalition ist so etwas wie eine Reparaturwerkstatt für die | |
| Agenda. | |
| 16 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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