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# taz.de -- Al-Dschasira-Prozess in Ägypten: Angeklagte dürfen Käfig verlass…
> Die Journalisten haben erstmals Gelegenheit, ihren Fall dem Richter
> vorzutragen. Einige berichten von Folterungen. Das Verfahren wird
> vertagt.
Bild: Die angeklagten Journalisten vor dem Richter in Kairo.
KAIRO taz | Es war ein spannender Tag vor Gericht in Kairo mit einem für
die angeklagten Journalisten enttäuschenden Ergebnis. Der Richter vertagte
das Verfahren erneut auf dem 10. April. Angeklagt sind Journalisten des
arabischen Sender Al-Dschasira und des englischsprachigen Brudersenders
Al-Dschasira International.
Den Journalisten wird aufgrund ihrer Kontakte zur Muslimbruderschaft
vorgeworfen, einer Terrororganisation anzugehören oder diese zu
unterstützen. Erneut lehnte der Richter auch die Anträge der Verteidigung
auf Freilassung auf Kaution ab.
In der Verhandlungspause hatten sich die Angeklagten optimistisch gegeben.
„Das ist ein Durchbruch. Der Richter hat uns selbst sprechen lassen. Er hat
unsere Lage erstmals direkt gespürt“‘, rief der Kairoer Bürochef des
Fernsehsender Al-Dschasira International, Muhammad Fahmi, aufgeregt aus dem
Angeklagtenkäfig. Neben Fahmi, dem australischen Korrespondenten Peter
Greste und dem Al-Dschasira-Produzenten Baher Muhammad, die seit über 90
Tagen in Haft sind, waren vier weitere Angeklagte im Käfig.
## Videovorführung der Staatsanwaltschaft klappt nicht
Zunächst war eine Videovorführung der Staatsanwaltschaft aus technischen
Gründen zum offensichtlichen Unmut des Richters ausgefallen. Damit sollte
nachgewiesen werden, dass die Angeklagten mit gefälschten Berichten die
nationale Sicherheit gefährdet hätten.
Stattdessen ordnete der Richter für ägyptische Gerichte sehr ungewöhnlich
an, die Angeklagten aus dem Käfig zu lassen, damit sie vor ihm stehend
ihren Fall selbst darstellen können. In einer Reihe aufgestellt, mit
geöffneten Handschellen an einer Hand baumelnd, begannen sie zu sprechen.
“Wir sind liberal und trinken sogar Alkohol, einer der Angeklagten ist
Christ. Wie können wir Muslimbrüder sein?“ fragte Muhammed Fahmi den
Richter. Er habe nie im Verborgenen gearbeitet, erklärte er und schloss mit
einem Appell an den Richter: „Bitte veranlassen Sie unsere Freilassung, wir
können alle nicht mehr.“
## Die Angeklagten streiten die Vorwürfe ab
Dann sprach der Korrespondent Peter Greste. Er sei zwei Wochen vor seiner
Festnahme in Ägypten angekommen, spreche kein Arabisch und habe keinerlei
besondere Beziehungen zu dem Land, außer, dass er als erfahrener Journalist
dorthin entsandt wurde. „Der Vorwurf, dass ich mit der Muslimbruderschaft
assoziiert sein soll, ist unerhört“, sagte er zum Richter. Die Polizei
hätte weder Waffen bei ihnen gefunden, noch seien er und seine Kollegen
jemals straffällig geworden, erklärte er. „Alles, was wir wollen ist, aus
der Haft entlassen zu werden und unseren Ruf wieder herzustellen“.
In einem anderen Teil des Verfahrens ging es um die Beschwerde dreier
Journalisten des arabischen Senders von Al-Dschasira, bei der Verhaftung
gefoltert worden zu sein. Zwei von ihnen wurden untersucht, ohne dass die
Ärzte den Vorwurf bestätigen konnten. Ihr Anwalt erklärte jedoch, seine
Mandanten seien lediglich von einem Zahnarzt auf Folterspuren untersucht
worden.
## Beim Verhör stundenlang von der Decke gehangen
Schadi Ibrahim, einer der angeklagten ägyptischen Journalisten, die bereits
vergangenen Sommer festgenommen wurden, erzählte dem Richter später, dass
er erst drei Monate nach der Folterung einem Arzt vorgeführt worden war.
Während des anfänglichen Verhörs habe er stundenlang von der Decke
gehangen. „Sie haben überall auf uns eingeschlagen“, fügte er hinzu. Drei
Tage lang habe man ihm weder die Augenbinde abgenommen noch ihm etwas zu
essen gegeben.
Der Anwalt Schaaban Said merkte gegenüber dem Richter an, dass die gleiche
Behörde, nämlich das Innenministerium, das die Folter angeordnet habe, hier
mit der medizinischen Untersuchung beauftragt wurde. Kein Wunder also, dass
dadurch der Foltervorwurf nicht bestätigt worden sei.
Nach dem Verfahren rief Baher Muhammad, wieder zurück im Angeklagtenkäfig,
den im Gerichtssaal anwesenden Journalisten zu: „Ich wünsche, ich säße hier
an eurer Stelle und könnte einfach wieder meinen Job machen.“
31 Mar 2014
## AUTOREN
Karim Gawhary
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