# taz.de -- Haft für Journalisten in Ägypten: Ein finsterer Tag | |
> „Ein politisches Urteil“ – die Strafen für die Al-Dschasira-Mitarbeiter | |
> schockieren Angehörige und Beobachter. Letzte Hoffnung: Begnadigung. | |
Bild: „Sieben Jahre für was?“ Peter Greste, Mohamed Fahmy und Baher Muhamm… | |
KAIRO taz | „Ich schwöre, dafür werdet ihr am Ende bezahlen“, rief der | |
aufgebrachte Muhammad Fahmy, als er aus dem Angeklagtenkäfig und dem | |
Gerichtssaal gezerrt wird. Der ehemalige ägyptisch-kanadische Kairoer | |
Bürochef des englischsprachigen Fernsehsenders al-Dschasira International | |
hatte gerade erfahren, dass er zusammen mit dem australischen | |
Korrespondenten Peter Greste zu sieben Jahre Gefängnis verurteilt ist. | |
Greste streckte nur sichtlich müde die Faust nach oben, bevor er abgeführt | |
wurde. | |
Der Produzent des Büros, Baher Muhammad, bekam noch drei Jahre mehr – für | |
den Besitz von Munition. Bei ihm hatte man eine Patronenhülse gefunden, die | |
er laut al-Dschasira als Souvenir bei einer Demonstration vom Boden | |
aufgehoben hatte. | |
Alle drei waren angeklagt, die Muslimbruderschaft zu unterstützen, falsche | |
Nachrichten verbreitet und mit nicht lizenzierter Ausrüstung gearbeitet zu | |
haben. Die Begründung des Urteils muss in den nächsten Tagen vom Gericht | |
nachgereicht werden. | |
In wenigen Minuten hatte der Richter am Montag das Strafmaß verlesen. Unter | |
den gut hundert Journalisten ging nach dem Urteilsspruch ein Raunen durch | |
den Saal. Viele waren in sich gekehrt, viele schockiert, wohl auch mit dem | |
Gefühl, dass jeder und jede von ihnen genauso gut auf der anderen Seite des | |
Saales im Käfig für die Angeklagten hätte stehen können. Denn die | |
Beweislage in dem mehrmonatigen Verfahren hat wenig mehr ergeben, als dass | |
die Journalisten ihre Arbeit verrichtet haben. | |
Zeugen widersprachen sich ständig, angeblich unabhängige Gutachter waren | |
bei der Festnahme auf Seiten der Polizei dabei. Und das angeblich | |
belastende Videomaterial bestand aus Auszügen von Berichten über ein | |
Tierheim in Kairo, eine Reportage über das Leben der Christen in Ägypten | |
und sogar aus Videomaterial aus Kenia, dem ehemaligen Berichtsstandort | |
Grestes. Damit ließ sich die Anklage nicht erhärten. Auch nicht die gegen | |
zwei angeklagte britische Journalisten und eine Niederländerin, die in | |
Abwesenheit zu zehn Jahren verurteilt wurden. | |
## „Ein politisches Urteil“ | |
Sichtlich schockiert waren auch die Angehörigen. „Das darf nicht wahr | |
sein“, rief die Mutter Muhammad Fahmys und brach in Tränen aus. „Das ist | |
ein politisches Urteil gegen meinen Sohn“, rief sie immer wieder. „Das war | |
kein rechtsstaatlicher Prozess. Nichts stimmt daran, kein einziger Beweis | |
wurde geliefert. Das war wie ein Fernsehratespiel und wir müssen beweisen, | |
dass mein Bruder unschuldig ist“, erklärte wütend Muhammads Bruder, Adel | |
Fahmy. | |
Unweit von ihm stand Andrew, der Bruder von Peter Greste, sichtlich | |
resigniert. „Ich bin vollkommen niedergeschlagen. Das habe ich nicht | |
erwartet. Ich habe immer noch Schwierigkeiten, das zu verdauen. Sieben | |
Jahre für was?“, fragt er mit Tränen in den Augen. Er hatte keine Chance, | |
mit seinem Bruder im Gerichtssaal zu sprechen. „Sie haben ihn schnell | |
rausgezerrt. Ich hatte noch nicht einmal Blickkontakt zu ihm“, sagt er. | |
Auch der australische Botschafter in Kairo, David Drake, war zusammen mit | |
seinen Kollegen aus Großbritannien, den Niederlanden und Kanada während des | |
Urteiles anwesend. „Die australische Regierung ist sehr enttäuscht über das | |
harsche Urteil. Wir haben den ganzen Prozess beobachtet. Bei der | |
Beweislage, die wir gesehen haben, lässt sich dieses Urteil nicht | |
nachvollziehen“, erklärt Drake. | |
Muhamamd Lutfi, der für Amnesty International den Prozess verfolgt hat, | |
kommentiert das Ganze trocken: „Das ist keine Überraschung für mich. | |
Journalisten für sieben Jahre einzusperren, weil sie ihre Arbeit gemacht | |
haben, passt in die generelle Lage in Ägypten, jeglichen Dissens und | |
jegliche Kritik auszulöschen“, sagt er. Das sei ein Warnschuss an die | |
Medien, keine anderen Meinungen zuzulassen. Die Lage von kritischen | |
Journalisten sei extrem schwierig, erklärt er. „Sie werden vor Gerichte | |
gezerrt oder ohne Anklage weggesperrt und manchmal sogar auf | |
Demonstrationen erschossen“, fasst er zusammen. | |
„Die ganze Beweisaufnahme der Staatsanwaltschaft glich eher einer Komödie, | |
und viele der Anträge der Verteidigung wurden einfach ignoriert“, | |
beschreibt Schaaban Said, einer der Anwälte der Journalisten, den Verlauf | |
des Verfahrens. „Nun müssen wir warten, wie der Richter diese Urteile | |
begründet.“ | |
## 60 Tage, um ein Kassationsgericht einzuschalten | |
Nach der Urteilsbegründung haben die Anwälte 60 Tage Zeit, bei | |
Verfahrensfehlern das Kassationsgericht einzuschalten. Davon gebe es mehr | |
als genug, erläutert Said. Wann dann das Kassationsgericht zu einem Urteil | |
kommt, sei auch eine Frage des politischen Willens, dies könne aber dauern. | |
Eine der Möglichkeiten, die im Zusammenhang mit dem Fall diskutiert wird, | |
ist, dass der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi die verurteilten | |
Journalisten begnadigen könnte, um so ein versöhnliches internationales | |
Signal zu setzen. Rein rechtlich kann er das aber nur tun, wenn das | |
Verfahren abgeschlossen ist. | |
Stattdessen hat das Urteil Ägypten international großen Unmut eingebracht. | |
Die australische Außenministerin Julie Bishop erklärte, das Urteil | |
unterstreiche nicht, dass sich Ägypten auf dem Weg zu Demokratie befände. | |
Der schwedische Kollege Carl Bildt äußerte sich auf dem | |
Internet-Kurznachrichtendienst Twitter und schrieb: „Ich verurteile die | |
Entscheidung, ausländische Journalisten jahrelang ins Gefängnis zu | |
schicken, nur dafür, dass sie ihre Arbeit gemacht und berichtet haben“. | |
23 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
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