| # taz.de -- Terrorurteile in Ägypten: Nochmals 683 Todesurteile | |
| > Derselbe Richter, der die ersten 529 Todesurteile gegen Muslimbrüder | |
| > verhängt hat, hat erneut zugeschlagen. Wieder hat er nur zwei Tage | |
| > gebraucht. | |
| Bild: Frauen in Minja beklagen die Todesurteile gegen ihre Angehörigen. | |
| Kairo taz | Die ägyptische Justiz wird immer mehr zur tödlichen Farce. | |
| Erneut verurteilte am Montag ein ägyptischer Richter in einem | |
| Massenschnellverfahren 683 Menschen zum Tode. Derselbe Richter hatte Ende | |
| März bereits 529 Todesurteile ausgesprochen. In beiden Fällen kam er nach | |
| nur zwei Prozesstagen zu seiner Entscheidung, ohne Beweisaufnahme und ohne | |
| Möglichkeit der Angeklagten, sich zu verteidigen. Unter den diesmal zu Tode | |
| Verurteilten befindet sich auch Muhammed Badie, Chef der | |
| Muslimbruderschaft. | |
| Kurioserweise hatte der Richter am Montag seine Urteile im ersten | |
| Massenprozess vom März selbst revidiert. Von den damals 529 Todesurteilen | |
| bestätigte er 37. Den Rest wandelte er in lebenslängliche Strafen um. In | |
| beiden Prozessen, die im südägyptischen Minja stattfanden, wurden die | |
| Angeklagten für schuldig befunden, Polizisten angegriffen, öffentliches und | |
| privates Eigentum zerstört und zur Gewalt aufgerufen zu haben. | |
| In beiden Fällen ging es um einen Angriff eines Mobs auf Polizeistationen | |
| im südlichen Oberägypten, nachdem Polizei und Militär Protestlager der | |
| Muslimbrüder und der Putschgegner in Kairo brutal aufgelöst hatten. Gegen | |
| die Urteile kann Berufung eingelegt werden. Sie müssen auch noch vom Mufti | |
| des Landes bestätigt werden. | |
| Draußen vor dem Gerichtssaal spielten sich nach dem Urteilspruch am Montag | |
| dramatische Szenen ab. Die Angehörigen der Verurteilten begannen zu | |
| schreien, einige der Frauen warfen sich schluchzend auf die staubige | |
| Straße. Auch international stieß das Urteil auf Kritik. „Es handelt sich | |
| möglicherweise um die größte Zahl von Todesurteilen in der jüngeren | |
| Weltgeschichte“, erklärte Sarah Leah Whitson von Human Rights Watch. Das | |
| Ziel sei offenbar, „Angst und Terror“ bei den Gegnern der | |
| Übergangsregierung zu schüren. | |
| ## Richter Gnadenlos Said Yussuf | |
| Dass die ägyptische Justiz gegen jeglichen politischen Dissens vorgeht, | |
| zeigte auch ein anders Urteil am Montag. Ein Gericht in Kairo sprach ein | |
| Verbot der Aktivitäten der säkularen 6.-April-Bewegung aus. Die Bewegung | |
| von meist jungen Tahir-Aktivisten war maßgeblich am Sturz Mubaraks | |
| beteiligt. Ihr wird nun vorgeworfen, dass Image Ägyptens im Ausland zu | |
| schädigen. Bereits zuvor waren prominente Mitglieder der Gruppierung zu | |
| mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden, weil sie mit | |
| unangemeldeten Demonstrationen gegen das restriktive ägyptische | |
| Versammlungsrecht protestiert hatten. | |
| Said Yussuf, der Richter, der die beiden Massenschnellverfahren in Minja | |
| geleitet hatte, hat den Ruf, besonders harsche Urteile zu fällen. In einem | |
| Fall hatte er einen Ladendieb zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Gegenüber | |
| den Sicherheitskräften scheint er dagegen beide Augen zuzudrücken. Letztes | |
| Jahr sprach er einen Polizeichef und 10 Polizisten von der Anklage frei, | |
| während des Aufstandes gegen Mubarak für den Tod von 17 Demonstranten | |
| verantwortlich zu sein. | |
| Insofern ist Richter Gnadenlos in Minja symptomatisch für das Messen mit | |
| zweierlei Maß durch die ägyptische Justiz. Während Muslimbrüder und | |
| Putschgegner stets mit Höchststrafen rechnen können, bleibt der | |
| Sicherheitsapparat meist straffrei, die Prozesse gegen Mubaraks Leute | |
| ziehen sich hin. | |
| 28 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Karim Gawhary | |
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