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# taz.de -- Karl Marx über Netzneutralität: „Sich da aufzuregen ist Doppelm…
> Konkurrenz, Profit und die allgemeinen Produktionsbedingungen des
> Kapitals: Karl Marx erklärt im taz-Interview die Netzneutralität.
Bild: Der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, hier als Touristenattr…
taz: Herr Marx, heute wurde im Europaparlament über die Netzneutralität
gerichtet.
Karl Marx: Über was?
Über die Netzneutralität. Wir haben ja jetzt das Internet.
Interwas? Ich kenne nur die Internationale!
Ja, das Internet ist so etwas Ähnliches wie die Internationale.
Informationen werden international elektronisch übertragen. Das lässt sich
jetzt nicht so schnell erklären, Herr Marx. Jedenfalls wurden die
Informationen, Daten also, bislang an alle Menschen gleich schnell im
Internet übertragen, unabhängig von Personen, Sender und Empfänger und
Inhalten.
Und im Rahmen dieser formalen Gleichheit reproduziert sich die
Ungleichheit! Hab ich doch immer gesagt!
Nein. Schlimmer: Selbst die formale Gleichheit soll eingeschränkt werden.
Dann könnten Unternehmen entscheiden, welche Informationen sie in welcher
Qualität und Geschwindigkeit transportieren. Was sagen Sie dazu?
Zunächst mal muss man das genauer analysieren. Die dahinter stehenden
Interessen unter die Lupe nehmen. Wer möchte das aus welchem Grunde?
Es gibt das allgemeine Problem, dass die Datenmengen größer werden...
...ach, und dafür dieses Netz auszubauen, dazu bräuchte es einen hohen
Kapitalvorschuss, den niemand aufbringen möchte. Das kenn ich schon. So war
das auch bei der Eisenbahn. Eigentlich bei allen größeren Infrastrukturen.
Ich habe das die allgemeinen Produktionsbedingungen des Kapitals genannt.
...ja, aber so ein Netzausbau geht auch nicht so schnell. Daher sollen die
Datenströme jetzt gesteuert werden.
Die, die Geld haben, versenden die Daten schneller, die mit weniger Geld
langsamer?
In etwa.
Gut. Den Kapitalismus habt ihr ja immer noch nicht abgeschafft. Deshalb
müssen wir uns auch hier und immer noch fragen, was eigentlich das
Besondere an dieser Wirtschaftsweise ist. Haben Sie mein Buch „Das Kapital“
gelesen?
Ich habe angefangen. Bin aber nicht weit gekommen.
Ging mir ähnlich. Habe ja nur den ersten Band des Kapital fertiggestellt.
Aber dort habe ich gleich auf der ersten Seite versucht deutlich zu machen,
dass im Kapitalismus die Ware als Mittel dient, um Profit zu machen.
Sprechen wir in Ihrem Zeithorizont: Die Telekom, das ist doch so ein
Unternehmen in dieser Sphäre, nicht?, diese transportiert diese Daten ja
nicht, weil sie so nett ist, sondern weil sie damit Profit machen will.
Dabei steht sie aber in Konkurrenz – und Konkurrenz ist ebenfalls ein
zentrales Strukturprinzip eurer Gesellschaft..... (zieht an seiner Zigarre)
Was hat das jetzt mit dem Internet zu tun?
Lassen Sie mich halt ausreden! Zum Thema: So wie sich das anhört und ich
das auf den ersten Blick verstehe, verhält es sich folgendermaßen: In den
letzten Jahren wurde die Ware „Internetanschluss“ verkauft, richtig?
Ja, das hat mit Modems angefangen, dann kam ISDN, dann DSL, mit dem man
ständig online sein konnte. Früher war es vor allem die Telekom, inzwischen
gibt es viel mehr Anbieter. Die bieten sich einen wahnsinnigen Preiskampf,
wer denn nun den Leuten den Internetanschluss verkaufen kann. Inzwischen
hat man sogar Internet auf seinen mobilen Telefonen!
Whatever. Also ich sehe das so: Nachdem inzwischen fast alle mit einem
Anschluss versorgt sind, geht das große Hauen und Stechen los: Wer kann die
Anschlüsse verkaufen? Haben Sie ja gerade selbst gesagt. Ein
Internetanbieter schlägt viele tot: Ein Preiskampf um die billigsten
Angebote in den Städten, gleichzeitig will niemand Anschlüsse aufs Land
verlegen. Es gibt ja einen Grund, warum ich von der Idiotie des Landlebens
gesprochen habe. Den ländlichen Raum zu erschließen ist zu teuer, egal ob
für die Eisenbahn, die Post oder dieses Internet.
Wenn einerseits der Staat das nicht machen soll und den habt ihr ja in den
letzten Jahren ganz schön klein gehalten, der darf ja gar nicht mehr auf
dem Markt mitspielen, und andererseits aber die Kapitalisten damit nicht
genug Profit machen können, dann gibt es eine relativ einfache Möglichkeit,
wieder Profit zu machen: Die „Datenpakete“ bekommen selbst einen Preis und
damit einen Klassencharakter.
Ja, aber das ist doch schlecht. Oder?
Naja – ob das schlecht ist oder nicht, dass müsst ihr entscheiden. Ich
analysiere. Bislang wendet ihr das Profitprinzip auf so ziemlich viele,
eigentlich die allermeisten Dinge an. Es stört euch ja auch nicht, dass
Wohnen eine Ware ist. Euch jetzt bei Datenpaketen darüber aufzuregen ist
bürgerliche Doppelmoral.
Also soll der Staat alles regeln?
War klar, dass die Frage kommt. An diesem Punkt habt ihr mich gänzlich
missverstanden. Der Staat ist genauso scheiße wie das Kapital. Es sind zwei
Seiten einer Medaille. Es ist einfach so: Wenn für das Kapital etwas
unrentabel wird, aber notwendig, dass der Laden läuft, dann wird meist nach
dem Staat gerufen. Das zeigt sich am extremsten in der Krise. Wie schrieb
ich schon meinem Kumpel Engels zur Weltwirtschaftskrise 1857: „Dass die
Kapitalisten, die so sehr gegen das Recht auf Arbeit schrien, nun überall
von den Regierungen 'öffentliche Unterstützung' verlangen, also das Recht
auf Profit als allgemeine Unkosten geltend machen, ist schön.“ Hört sich
vertraut an, was?! Ihr hattet ja gerade auch mal wieder eine Krise. Nichts
kapiert habt ihr. Aber egal. Das hat jetzt wirklich nichts mit diesem
Internet zu tun.
Was sollten wir jetzt tun?
Bei dieser Frage habe ich mich schon immer einer Antwort enthalten. Nur so
viel: Die Menschen müssen dem Kapital und dem Staat Organisationsleistung
für die Gesellschaft abringen – selbst organisiert. Das gilt auch für das
Internet.
So was gibt es sogar. Die [1][Netzgenossenschaft]. Sie ist allerdings noch
nicht besonders weit und braucht Unterstützung.
Genossenschaften find ich gut. Können sich nur auch nicht der Konkurrenz
entziehen. Das war schon früher ein Problem. Ist aber ein guter Ansatz.
Danke für das Gespräch, Herr Marx.
3 Apr 2014
## LINKS
[1] http://www.netzgenossenschaft.org/
## AUTOREN
Ingo Stützle
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