# taz.de -- Clublegende White Trash: Ade, Prenzlauer Berg | |
> Ein fast wehmütiger letzter Abend im alten White Trash an der | |
> Schönhauser. Heute Abend lädt der Club bereits in sein neues Domizil in | |
> Treptow. | |
Bild: Ein Markenzeichen des White Trash: dicke Burger. | |
An die Fassade des White Trash sind große Banner gehängt. „We must go“ und | |
„Alles muss raus“ steht dort geschrieben. Drei junge Frauen knipsen | |
Erinnerungsfotos mit ihren Smartphones – sie posieren neben den Löwen, die | |
die Eingangstür säumen. Hier, an der unteren Schönhauser Allee, ist am | |
Mittwochabend nicht zu übersehen, dass die Zeichen für das White Trash auf | |
Abschied stehen. Es ist der vorletzte Abend an gewohntem Ort für den Club. | |
Eine gute Gelegenheit, sich noch mal Burger und Beatmusik zu geben – ein | |
letztes Rock-’n’-Roll-Abendmahl an dieser Stelle. | |
Nein, das White Trash Fast Food, jene Institution des Berliner Nachtlebens, | |
die Club, Bar, Restaurant, Tattoo-Studio und Konzertkeller zugleich ist, | |
schließt nicht – es zieht nur um, und zwar übergangslos. Schon vom heutigen | |
Freitag an wird man den legendären Laden an neuer Adresse zwischen | |
Badeschiff, Arena und Club der Visionäre am Treptower Spreeufer finden. | |
Alles neu also? Ein bisschen schon. Der neue Club werde an den alten | |
„erinnern wie Terminator 3 an Terminator 1“, ließen die Betreiber um den | |
gebürtigen US-Amerikaner Walter „Wally“ Potts wissen. | |
In den Räumen des alten White Trash, in dem neben Baustellenband noch die | |
Reste der Einrichtung des ehemaligen China-Restaurants zu sehen sind, steht | |
„2 days til the great escape“ an einer Tafel. Ich setze mich an einen | |
Tisch, ordere ein „satanisches“ Bier – so steht es auf der Getränkekarte… | |
und checke das Menü. In dem riesigen Laden wuseln Kellnerinnen mit Rock, | |
Netzstrumpfhosen und Tattoos umher. Traurig scheint hier niemand zu sein, | |
dass man nach 14 Jahren diesen Standort verlässt. Potts wollte schon seit | |
Jahren weg, hat immer gesagt, Rock ’n’ Roll und Prenzlauer Berg gehe nicht | |
mehr zusammen. | |
## Die Mieten, die steigen | |
Dass man wegmuss, scheint auch an den ständigen Mieterhöhungen zu liegen, | |
jedenfalls freue man sich nun auf einen „Vermieter, der so ist, wie wir uns | |
das vorstellen“, wie Sandra Schuster sagt, die für die | |
Öffentlichkeitsarbeit des Clubs verantwortlich ist – mehr will man nicht | |
sagen. Auf der White-Trash-Homepage ist die Immobilienanzeige verlinkt, auf | |
der der zukünftige Preis des Lokals zu sehen ist. Monatsmiete: 16.660 Euro. | |
Bei einer nutzbaren Fläche von 1.092 Quadratmeter wären das mehr als 15 | |
Euro auf den Quadratmeter. Die Reaktion der White-Trashler findet sich in | |
den Fenstern des alten Clubs, in denen Plakate hängen mit der Aufschrift: | |
„Laden zu vermieten! Günstig! Nur ernsthafte Angebote. Kein Sex!“ | |
Während nun laute Sixties-Musik vom Band trällert, entscheide ich mich | |
schweren Herzens gegen den King Elvis Supreme Burger und für die | |
vegetarische Variante des kostengünstigeren John-Doe-Burgers, der „simple“, | |
aber „not boring“ sein soll. Die Liveband Banda Veleno um Sänger Michele | |
Veleno, der im schnieken grauen Anzug und mit Strohhut seine Gitarre | |
stimmt, macht sich langsam bereit. Der Burger passt dann so gerade – und | |
mit erheblicher Anstrengung – zwischen Ober- und Unterkiefer. Etwas Soße | |
landet auf der weiß-rot-karierten Tischdecke. Es läuft ein Stück, das ein | |
bisschen wie Little Richards „Tutti Frutti“ klingt. | |
Klar, so mancher mag sagen: „Was soll’s? Zieht halt ein Club um.“ Beim | |
White Trash, zumal im Prenzlauer Berg, ist der Ortswechsel aber durchaus | |
bemerkenswert. Zum einen, weil es einen solchen Club, in dem die Gerichte | |
„Mein Gott Mutti! Das Braten ist sauer“ heißen, in dem Touristen und | |
Einheimische, Promis wie Normalos feiern, nicht ein zweites Mal gibt. Zum | |
anderen, weil ein wichtiger Laden des Berliner Abendlebens, durchaus mit | |
dem Berghain oder dem Tresor in einem Atemzug zu nennen, vor dem Prenzlauer | |
Berg kapituliert. | |
Sänger Veleno, einst bei den Lolitas und heute auch mit der Band Petting | |
verbandelt, sagt derweil mit leichtem italienischen Akzent, man sei froh, | |
mal wieder im White Trash zu spielen. Kurz darauf legt die stylische Combo | |
– der Bassist im Hafenarbeiter-Outfit, der Schlagzeuger in feinem Zwirn – | |
los. Sie spielen feinsten frühen Rock ’n’ Roll, der sich gut mit den fein | |
gesalzenen Pommes und dem dritten satanischen Bier ergänzt, das mir der | |
freundliche Kellner gerade serviert. Er hat die Worte „LUST“ und „LIFE“… | |
seinen Fingerknöcheln tätowiert. | |
Während Prenzlauer Berg also ein weiteres Stück Leben und Lust verliert, | |
kann man sich auf das neue White Trash bereits freuen. Das White Trash hat | |
es immer verstanden zusammenzubringen, was nicht zusammenzugehören scheint. | |
Live-Musik und Burger. Rock ’n‘ Roll und Chinarestaurant-Ambiente. Aquarien | |
mit Totenköpfen und Großbildschirme, auf denen Hollywoodfilme laufen. | |
Den skurrilen Humor und den punkigen Charme tragen die Betreiber auch nach | |
Treptow. Die ersten Bilder und Ankündigungen zur neuen Location jedenfalls | |
versprechen eine „Psycho-BBQ-Außenanlage“, eine eigene Bäckerei und Café | |
sowie ein „Service-to-go-window“, aus dem man die Burger für den Heimweg | |
gereicht bekommt. An der frischen Luft wird zudem ein „apokalyptischer | |
Zen-Biergarten“ eingerichtet. Treptow darf sich auf eine große Zukunft des | |
White Trash und auf die finale buddhistische Erlösung freuen. | |
## ■ White Trash Fast Food, Am Flutgraben 2, Treptow | |
25 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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