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# taz.de -- Kommentar Ukrainekrise: Die Folgen des Fanatismus
> Der Westen versus Russland? Das ist zu einfach, die Interessenlage ist
> vielfältiger. Dies gilt es endlich in den Blick zu nehmen.
Bild: Ukrainische Soldaten in der Ostukraine. Viele Russen glauben das Gerede v…
Anfangs ging es auf dem Maidan um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die
Bekämpfung von Korruption. Auslöser der Proteste war die Weigerung des
kleptokratischen Präsidenten Janukowitsch, den Assoziierungsvertrag mit der
EU zu unterzeichnen, den er selbst ausgehandelt hatte. Dass er dann doch
vor Russland einknickte, lässt ihn schwach erscheinen, aber macht ihn nicht
zu einem Knecht Moskaus, wie immer wieder behauptet wird.
Inzwischen geht es nur noch um die Einheit der Nation, und Hass und
Halbwahrheiten bestimmen die Wahrnehmung auf allen Seiten. Es scheint, als
gäbe es nur mehr zwei Parteien: auf der einen Seite „die Russen“, auf der
anderen „der Westen“. Tatsächlich aber existiert ein widersprüchliches Fe…
aus Akteuren, die je eigene Ziele verfolgen.
Die Wünsche der USA sind nicht identisch mit denen der EU, die Russlands
nicht mit denen des „separatistischen Mobs“; und ob Geheimdienste die
Strategien ihrer Regierungen verfolgen, ist ohnehin nie gesichert.
Westlicherseits streitet man, ob sich Russland mit Wirtschaftssanktionen in
die Knie zwingen ließe oder ob ihm nicht die Eisenfaust gezeigt werden
sollte. Auf russischer Seite werden dissidente Stimmen massiv unterdrückt.
## Nationalistischer Rausch in Russland
Wer jedoch nach einer friedlichen Lösung sucht, wird um eine sorgfältige
Betrachtung unerfreulicher Realitäten nicht herumkommen. Russland hat den
Kalten Krieg verloren, die sozialistischen Kulissen sind entsorgt. Das
Imperium, das in sowjetischer Zeit vorgab, ein freiwilliger Staatenbund zu
sein, hat für diese Täuschung mit seiner Auflösung bezahlt.
Russland konzentrierte sich daraufhin auf Rohstoffexporte und wurde zu
einem korrupten Entwicklungsland. Putin ging massiv gegen die demokratische
Zivilgesellschaft vor; im Gegenzug ließen sich große Teile der Bevölkerung
von einem nationalistischen Rausch erfassen, den die Regierung wiederum
seit Jahren fördert und inzwischen nicht mehr kontrollieren kann.
Zugleich aber ist Russland noch immer ein mächtiges Land, dessen
strategische Fähigkeiten und Interessen man auch dann nicht ignorieren
sollte, wenn man sie für verwerflich hält. Schon die Erwartung, der Kreml
werde seinen Flottenstützpunkt auf der Krim freiwillig aufgeben, war naiv.
Auch die USA waren niemals bereit, ihren Stützpunkt Guantánamo an Kuba und
damit an die Sowjetunion zu übergeben – und was die Kubaner darüber
dachten, hat ja niemanden interessiert. Warum also sollte Russland seine
Militärpräsenz kampflos preisgeben?
## Der Faschismus kam aus dem Westen
Merkwürdigerweise erscheint vielen Russen der Popanz vom „Faschismus“ in
Kiew glaubwürdig. Unter ihm verstehen sie aber etwas anderes als die
Deutschen: Der Große Vaterländische Krieg der Sowjetunion endete 1945 mit
einem Triumph über den aus dem Westen kommenden Hitlerfaschismus. Triumphal
hatte schon der Vaterländische Krieg von 1813 geendet, in dem die von
Westen her eindringende Armee Napoleons vernichtet wurde.
Der Stolz, Bürger einer Großmacht zu sein, half immer wieder über das Elend
des sowjetischen Alltags hinweg. Dieser Bevölkerung muss man erst einmal
erläutern, warum der Westen auch recht haben kann, denn in der
vorherrschenden Logik bedeutet das die eigene Minderwertigkeit.
Auf der Gegenseite dient „Demokratie“ der Durchsetzung des ukrainischen
Volkswillens, „Rechtsstaatlichkeit“ der Durchsetzung ukrainischer Rechte.
Westlicher Reichtum werde, so die Hoffnung, das Land wieder auf die Beine
bringen. Russland erscheint als die fremde Macht, die das Land
jahrhundertelang ausplünderte. Auch der sowjetische Sozialismus gilt hier
als russisches Verbrechen.
Vermittelbar sind diese beiden Perspektiven nicht. Jedoch haben Russen und
Ukrainer, soweit sie unterscheidbar sind, jahrhundertelang zusammengelebt.
Es kam zur kulturellen und sprachlichen Annäherung, man heiratete
untereinander.
Diese Entspanntheit scheint erst mal passé. Die Verhärtung ist Folge einer
fanatischen Politik – auf allen Seiten.
4 May 2014
## AUTOREN
Erhard Stölting
## TAGS
Russland
Ukraine
Ukraine-Krise
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Faschismus
Wladimir Putin
Slowjansk
Schwerpunkt Angela Merkel
Odessa
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