# taz.de -- Fleischkünstler Peter Inhoven: Der Mann an der Wurstpumpe | |
> Er kurbelt, er knotet, er brät. Weil Peter Inhoven sein Handwerk liebt, | |
> veranstaltet er Fleischevents. Das macht ihn in Düsseldorf zum „Künstler | |
> am Darm“. | |
Bild: Das halbe Schwein geschultert: Wurstguerillero Peter Inhoven. | |
Peter Inhoven hat Stress. In einer Stunde soll er seine Bratwürste in der | |
Düsseldorfer Innenstadt servieren, der Auftraggeber hat schon angerufen. | |
Der Grill muss stehen, die Kohle glühen, Teller und Besteck sollen zur Hand | |
sein. Noch ist der weiße Transporter im Innenhof der Metzgerei leer. | |
Inhoven, 46, ohnehin ziemlich hochtourig, schiebt seine große schwarze | |
Brille nach oben und spult eine To-Do-Liste für seine zwei Angestellten ab. | |
Warmhaltebecken, Tische, Holzkohlensäcke und Styroporbehälter mit Würsten | |
wandern auf die Ladefläche, als hätten die Dinge Beine bekommen. „Und | |
vergesst das Handwaschbecken nicht.“ | |
In zehn Minuten ist der Transporter voll. Vorne in der Metzgerei wiegt eine | |
Verkäuferin gerade Bierschinken ab. Über die Theke hat sie die | |
Meisterbriefe im Blick, von Sohn, von Vater und Großvater. In altdeutscher | |
Schrift, mit Siegel und Bändern, groß und in Gold gerahmt. „Darf’s | |
vielleicht eine Scheibe mehr sein“, fragt sie. Vor dem Laden gibt ihr Chef | |
Gas. | |
Kult-Metzger nennt ihn die Presse der Stadt, seine Show „Wurstzirkus“. Man | |
kann ihn und seine Wurstpumpe für Events buchen, er füllt und grillt dann | |
vor aller Augen „King of Laos“ oder „Politbüro“ oder wie seine Kreatio… | |
noch heißen. Inhovens Markenzeichen aber sind der blonde Pferdeschwanz, die | |
ungetüme Yves-Saint-Laurent-Brille, ein helles Lächeln. So kennt ihn jeder. | |
„Ach, der Inhoven“, hätten einmal die Leute von der anrückenden Feuerwehr | |
gerufen, erzählt er. Bei einem seiner Wurstevents in der Stadt habe der | |
Grill so gewaltig gequalmt, dass ein Anwohner die 112 wählte. Vor Ort | |
stellte sich die Lage als harmlos heraus, Polizei und Feuerwehr verlangten | |
nach Bratwürsten, und – Inhoven kichert – hätten dabei fast vergessen, die | |
Straßensperren, die schon errichtet worden waren, wieder abzubauen. | |
„Meinetwegen stand der Verkehr still“, der Metzger schüttelt den Kopf. | |
Anekdoten wie diese schießen aus ihm wie aus einem Konfettigewehr. Er lässt | |
sich lieber mitsamt Grill vom Straßenrand verscheuchen als vorher lange | |
nach Genehmigungen zu fragen. Ein Wurstguerillero. | |
## Leutselig und gesprächig | |
Inhoven ist ein Düsseldorfer, wie man ihn sich vorstellt: leutselig, | |
gesprächig. Fährt man mit ihm in seiner DS – einem alten Gangster-Citroen | |
–, hebt er immer wieder den Arm und winkt Menschen zu. Beim Karneval könnte | |
man ihn sich gut vorstellen. Aber dieses Helau ist nicht seine Sache, war | |
sie nie. Als Jugendlicher hat er in einer Punkband gespielt, in der Schule | |
ist er mit seiner anarchischen Ader angeeckt. | |
Vor 14 Jahren erst, nach Jahren als Koch, hat er vom Vater die Fleischerei | |
übernommen, den Platz hinter der Theke aber nach vier Jahren verlassen. „Da | |
bin ich versauert“, sagt er. „Das Wurstmachen hat mich wieder zur Person | |
gemacht. Ich bekomme was zurück, wie früher bei der Musik.“ | |
Der alte Laden, den Inhoven auch führt, ist eine Metzgerei, wie es nur noch | |
wenige gibt. Relikt einer Zeit, in der Fleisch die Zierde des | |
Lebensmittelhandels war. „Hausgemacht wie eh und je ist unser HandwerksABC“ | |
steht auf den Fliesen in dem Hinterraum, in dem Inhovens Schwager heute | |
Fleisch zerlegt und den Cutter bedient, mit dem das Schweinefleisch zum | |
Brät, der Wurstfülle, gewolft wird. | |
Irgendwo im Betrieb gibt es noch eine Räucherkammer, die quasi unter | |
Denkmalschutz steht, und die gelben und roten Kacheln auf dem Boden und an | |
den Wänden drüben im Verkaufsraum müssen in den Sechzigern und Siebzigern | |
in Mode gewesen sein. Alles wie früher also – wäre da nicht dieses kleine | |
Detail, das verrät, dass es hier nicht nur traditionell zugeht: die | |
goldenen Litzen auf den Schultern der Verkäuferinnen. | |
## Cervelat, Knacker und Bebreziner | |
Ein Februartag in Berlin. Peter Inhoven führt seine Kreationen vor, die | |
Litzen leuchten auf der Kochjacke. In einer Fabrikhalle stehen Bierbänke, | |
zwischen den Tischen baumeln Würste von der Decke: Ahle Wurst aus Hessen, | |
Cervelat, Knacker und Debreziner. Alle zum Abreißen. „In Wurst we trust“ | |
ist das Motto des halbprivaten Events, ein Mega-Supperclub. | |
Inhoven steht an der Wurstpumpe, einem großen Zylinder, der mit der | |
Handkurbel bedient wird, um die Fülle in den Darm zu drücken. Meterlang | |
ringelt sich die Wurst, bevor Inhoven alle zehn Zentimeter Knoten | |
hineinschlingt und Paare abschneidet. Die einen schmecken nach Curry und | |
Ingwer, erklärt er, andere erinnerten an Zitronengras, seien sehr mürbe und | |
Geschmacksbomben. Der Wurstblogger Hendrik Haase nennt Inhoven einen | |
„Künstler am Darm“, einen der wenigen, die sich dem standardisierten | |
Geschmack entgegensetzen und ohne Glutamat und Geschmacksverstärker | |
arbeiten. | |
Und Inhoven liebt Experimente. Er macht Fischbratwürste und nennt sie | |
„Tötet Flipper“, er mischt Whiskey, Birne und Malzbier unter das | |
Schweinefleisch, für die Variante „Highlander“. Sein Fleisch bezieht er von | |
ausgesuchten Lieferanten, nicht aus der Massentierhaltung. Dafür ist ihm | |
die Wurst zu gut. „Ich gewinne“, sagt er, „Glauben an das Handwerk zurüc… | |
Als er anfing mit der Metzgerei, so erzählt er, war sein Gewerbe eigentlich | |
dem Untergang geweiht, der BSE-Skandal noch in den Köpfen. Für viele | |
Metzger war das damals eine neue Ära, die goldenen Zeiten vorbei, als man | |
sich „alle zwei Jahre ein neues Haus kaufen“ konnte, wie Inhoven sagt. „Du | |
konntest gar nicht so viel produzieren, wie die Leute essen wollten.“ Dann | |
kamen die Supermärkte, die Ketten, die Skandale, die Fleischbranche geriet | |
in Verruf. „Metzger, das kommt doch gleich nach Tankwart“, habe ihm seine | |
erste Schwiegermutter einmal gesagt. | |
Inhoven sagt, es gäbe eine alte Handwerkerregel: „Der Erste erstellt’s, der | |
Zweite erhält’s, dem Dritten zerfällt’s.“ Er will sich diesem Gesetz ni… | |
beugen. „Von vielleicht 300 sind in Düsseldorf noch dreißig Metzgereien | |
übrig.“ Das, was er tut, vergleicht er mit dem, was TV-Köche tun: „Ich ha… | |
mir angesehen, wie die ihr Handwerk verkauft haben. Ich dachte, das muss | |
auch mal einer fürs Fleisch tun.“ Zu Beginn eines sonnigen Wochenendes | |
stehen Menschen inzwischen regelmäßig vor seinem Laden an, für seine Würste | |
und sein Fleisch. „Ist doch eine Ehre für mich“, sagt er. | |
6 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Jörn Kabisch | |
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