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# taz.de -- Tierischer Protest: Dann beginnt das Ferkel zu tropfen
> Über hundert Aktivisten halten am Brandenburger Tor tote Schweine und
> Hühner in den Händen, um für die Gleichbehandlung von Tieren und deren
> Recht auf Leben. zu demonstrieren.
Bild: Sieht nicht gut aus: Teilnehmer am Protest am Dienstag in Berlin.
Erst schaut die junge Frau mit Zopf wie die anderen Aktivisten ernst
Richtung Horizont, dann wandert ihr Blick doch hinunter zu dem, was in
ihren Händen liegt. Ein winziges totes Ferkel. Es passt ganz in die zu
einer Schale geformten Handflächen. Nur der rosa Schwanz baumelt hinunter.
Die Augen hat es geschlossen. Als sei es direkt nach der Geburt gestorben.
Vielleicht wurde es erdrückt. Das Ferkel fühlt sich kalt an.
Wie die Frau stehen am Dienstagmittag über hundert Menschen in schwarzen
T-Shirts in einer Dreiecksformation vor dem Brandenburger Tor. Es sind
Aktivisten der Organisation „Animal Equality“, die mit einer schauerlichen
Mahnwache für das Recht der Tiere auf Leben demonstrieren. Alle halten
steife, mehr oder weniger versehrte Körper vor sich in den Händen: Hennen,
Fische, Ferkel, Küken, Lämmer.
Die haben sie in den vergangenen Wochen aus Kadavertonnen von Bauernhöfen
geholt, erzählt Sprecher Martin Meingast. „Wir haben sie sauber gemacht und
in die Tiefkühltruhe gelegt.“ Drei große Gefrierschränke seien nötig
gewesen, sagt Meingast. Vor diesen „unsichtbaren Opfern des Konsums“, wie
sie sie nennen, soll heute niemand die Augen verschließen können.
Die Denkweise der Tierrechtler ist folgende: Menschen und Tiere sind ihrer
Meinung nach als Lebewesen gleichwertig. Die Gesellschaft stellt die
Menschen jedoch über die Tiere, weswegen die Tierrechtler ihr
„Speziezismus“ vorwerfen – in Anklang an Rassismus und Sexismus. Auch
Sklaven und Frauen seien früher als minderwertige Wesen betrachtet und
ausgebeutet worden. Heute treffe das auf die Tiere zu, so ihre These.
## „Chicken McNuggets!“
Animal Equality gehört zu den moderateren Tierrechtsorganisationen. Zivilen
Ungehorsam finden sie in Ordnung, illegale Aktionen lehnen sie weitgehend
ab. Vor allem junge Menschen beteiligen sich am Dienstag an der Mahnwache.
Viele haben Piercings und kleine Tätowierungen. Die meisten tragen
Turnschuhe.
Die Mahnwache dauert. 20 Minuten, 30 Minuten, 40 Minuten. Ein Besucherpaar
aus Schweinfurt beobachtet interessiert das Geschehen. Die Frau sagt, sie
würden jetzt versuchen, noch weniger Fleisch zu essen, nur ein Mal die
Woche. Schlachteplatten gebe es sowieso höchstens zweimal im Jahr, ergänzt
ihr Mann. Hinter ihnen laufen andere Touristen vorbei. Eine zeigt auf die
toten Tiere. „Schaut mal, Chicken McNuggets“, ruft sie. Glucksendes
Gelächter.
Für die Aktivisten ist es offensichtlich anstrengend, die Körper so lange
zu halten. Und zu sehen. Nach und nach brechen einzelne in Tränen aus. Ein
Ferkel beginnt zu tropfen.
Nach über einer Dreiviertelstunde werden die Tiere den Demonstranten wieder
aus den Händen genommen. Die Frau mit dem Zopf schaut ihrem Ferkel
hinterher. Es wird später zu einer Tierbeseitigungsfirma gebracht, weil das
so vorgeschrieben ist. Die Frau zittert vor Kälte und Anstrengung. „Das
Ferkel war klein, es war kalt, es war tot. Genau das Gegenteil von dem, was
es sein sollte“, sagt sie.
Nebenan, im Restaurant vom Hotel Adlon, setzen sich die Gäste zum Business
Lunch. Es gibt Schweinemedaillons.
ANTJE LANG-LENDORFF
25 Mar 2014
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Tierrechte
Berlin
Protest
Schweine
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