| # taz.de -- Biografie von Manu Chao: Der letzte Desperado | |
| > Eine neue Biografie kommt dem Anti-Popstar der globalisierungskritischen | |
| > Bewegung so nahe, wie man ihm wohl nur nahekommen kann. | |
| Bild: Heute hier, morgen da: Manu Chao gibt eine Pressekonferenz beim Filmfesti… | |
| Man muss verrückt sein, um den Spuren eines Manu Chao folgen zu wollen. | |
| Denn der letzte Desperado des Pop hält sich nie lange an einem Ort auf: | |
| Heute hier, morgen da, ist sein Motto. Peter Culshaw, selbst ein Abenteurer | |
| und bunter Hund des britischen Musikjournalismus, der in London im | |
| 1984er-Mercedes des verstorbenen Tausendsassas Malcolm McLaren umherkurvt, | |
| hat es trotzdem gewagt und sich an die Fersen des Vagabunden geheftet. | |
| Sein Buch ist halb Musiker-Biografie, halb Travel-Diary geworden. Culshaw | |
| war dabei, als Manu Chao in einem Flüchtlingscamp in der Sahara auftrat, | |
| und bei seinen Radioaufnahmen in „La Colifata“, einer psychiatrischen | |
| Anstalt in Buenos Aires. | |
| Er ist mit ihm aus den Kneipen von Barcelona und Brixton getorkelt, und er | |
| hat sich auf seiner Mexiko-Tournee in den Tourbus geschmuggelt, zu | |
| Solidaritätsauftritten für Zapatisten durch ein von Drogenkrieg und Gewalt | |
| zerrüttetes Land. Er dokumentiert aber auch sein Scheitern, seiner in | |
| Brasilien habhaft zu werden, wo Manu Chao für längere Zeit untergetaucht | |
| war und wo er auch einen Sohn hat. | |
| Durch die Hartnäckigkeit von Peter Culshaw erfährt man als Leser manches | |
| Neues. Wer wusste schon, dass Manu Chao in Dakar zum Islam konvertiert war | |
| und geheiratet hatte, während sein bis heute erfolgreichstes Album | |
| „Clandestino“ 1998 weltweit langsam, aber unaufhaltsam die Charts | |
| hinaufkletterte? Oder dass ihm eine Kuh in Brasilien einmal das Leben | |
| gerettet hat, wie es der Musiker selbst ausdrückt? Denn Manu Chao fiel in | |
| einer tiefe Krise, nachdem sich seine Band Mano Negra aufgelöst hatte, und | |
| spielte schon mit dem Gedanken, als Sozialarbeiter in eine Favela zu | |
| ziehen. Doch es kam anders. | |
| ## Der Sound der „Malegria“ | |
| Sein minimalistisches Solo-Album „Clandestino“ von 1998 sollte eigentlich | |
| sein Abschied vom Musikzirkus sein, so hatte sich das Manu Chao gedacht. | |
| Doch ein Jahr später hatte es sich, ohne viel Werbung, fünf Millionen Mal | |
| verkauft und Kultstatus erlangt. Die originelle Mischung aus Punk, Reggae, | |
| Elektro-Samples und Latin fand weltweit viele Fans, und sein Sound der | |
| „Malegria“ , seine Philosophie der Einfachheit und des keep it simple | |
| nötigten auch prominenten Bewunderern wie dem Punkveteranen Joe Strummer | |
| oder dem Bob-Marley-Entdecker Chris Blackwell Respekt ab – Stimmen, die | |
| Culshaw gern zitiert. | |
| Dabei ist Manu Chao der Albtraum eines jeden Marketing-Managers, wie | |
| Culshaw genüsslich beschreibt: Statt in London zu den Brit Awards zu gehen, | |
| bleibt er lieber im Pub, um mit Politaktivisten zu debattieren. Und lieber | |
| gibt er einer argentinischen Obdachlosenzeitung ein Interview, als mit | |
| TV-Sendern zu sprechen. Nach seinem Auftritt vor Protestlern beim | |
| G-8-Gipfel in Genua im Juli 2001 wurde er schon als die Stimme der | |
| Antiglobalisierungsbewegung gehandelt, doch auch dieser Rolle verweigerte | |
| sich Manu Chao konsequent. Und auf dem Höhepunkt seines Erfolgs verließ er | |
| sein langjähriges Label Virgin, weil dessen Mutterkonzern EMI gerade | |
| massenhaft Mitarbeiter vor die Tür gesetzt hatte, und hinterließ ihm noch | |
| ein bruchstückhaftes Live-Album. | |
| Vor allem in Lateinamerika ist Manu Chao jedoch eine Legende: Clubs und | |
| Kneipen heißen dort „Casa Babylon“ oder „Clandestino“, und besonders | |
| eingefleischte Anhänger haben sich das Logo seiner Band Mano Negra, eine | |
| schwarze Hand auf rotem Stern, auf die Haut tätowiert. Mano Negras | |
| spektakuläre Touren an Bord eines Frachtschiffes entlang der | |
| südamerikanischen Küste oder auf einem Zug durch das kolumbianische | |
| Hinterland haben sich dort ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Mit ihrem | |
| eklektizistischen „Mestizo-Stil“, der sich aus diversen Latin-Stilen | |
| speist, haben sie zahllose Bands beeinflusst, von Argentinien über | |
| Kolumbien bis Mexiko. | |
| Manu Chaos manische Rastlosigkeit wirkt dabei wie eine Flucht vor sich | |
| selbst und seinem Ruhm. Peter Culshaw ist ihm so nahe gekommen, wie man | |
| einer so flüchtigen Person wohl nur nahe kommen kann. | |
| 23 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bax | |
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