# taz.de -- Ruandische Hutu-Miliz im Kongo: FDLR spielt Freilufttheater | |
> Die ruandische Hutu-Miliz FDLR lässt im Ostkongo ein paar Kämpfer | |
> kapitulieren. Damit schützt sie sich vor UN-Militärschlägen. | |
Bild: 30. Mai: FDLR-Kämpfer bei der Entwaffnungszeremonie in Buleusa. | |
BULEUSA/BERLIN taz | Mit zwei weißen UN-Hubschraubern landeten sie mitten | |
im ostkongolesischen Busch nahe dem Dorf Buleusa-Kateko, rund 200 Kilometer | |
von Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma entfernt: UN-Mitarbeiter, Diplomaten, | |
General Delphin Kahimbi von Kongos Regierungsarmee, zuständig für | |
Demobilisierung. Es war der 30. Mai, Vormittag. | |
FDLR-Übergangspräsident Generalmajor Victor Byiringiro wartete bereits auf | |
einer Wiese, umzingelt von rund 30 bewaffneten Leibwächtern, mit seinen | |
„Ministern“, Übergangsgeneralsekretär Wilson Irategeka sowie einigen | |
hochrangigen FDLR-Offizieren in Zivil, jedoch mit Pistolen am Gürtel. Sie | |
schienen dort seit Tagen auszuharren, hatten sogar Hütten aus Bambus | |
errichtet, gegen den Regen. | |
Die FDLR-Führung hatte am 18. April in einer schriftlichen Erklärung | |
angekündigt, dass sie am 30. Mai an zwei Orten, je einem in Nord- und in | |
Süd-Kivu, die Waffen niederlegen und den bewaffneten Kampf gegen ihr | |
Heimatland Ruanda aufgeben wolle – unter der Bedingung, dass sie in ein | |
sicheres Drittland kommen und Ruandas Regierung mit ihnen verhandelt. | |
Ruandas Regierung verweigert sich. Für sie sind die FDLR die Täter des | |
Genozids in Ruanda 1994. | |
Die UN-Mission im Kongo (Monusco) musste das Spiel mitspielen: Zu Beginn | |
des Jahres hatte der deutsche Monusco-Chef Martin Kobler der FDLR mit | |
Militärschlägen gedroht, wenn sie sich nicht ergeben. „Eure Zeit ist | |
abgelaufen“, hatte Kobler gedroht. Kurz nachdem eine UN-Eingreiftruppe im | |
Ostkongo die hochgerüstete Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März), | |
geführt von Tutsi-Generälen, besiegt hatte, sollte jetzt die Hutu-Miliz an | |
der Reihe sein. | |
Sogleich schickte die FDLR Erklärungen um die Welt, sie würden freiwillig | |
ihre Waffen ablegen. Ein Patt: Die UNO kann keine Operation gegen eine | |
Miliz starten, die mit der weißen Fahne wedelt. Das gab der FDLR Zeit und | |
Ruhe. | |
## Junge Kämpfer und funktionstüchtige Waffen | |
Exakt 105 Krieger legten jetzt in Buleusa rund 90 Waffen ab – immerhin | |
junge und aktive Kämpfer, keine Alten und Invaliden. Sie kamen mit | |
Kalaschnikow, Raketenwerfern und einem Mörser – alt, aber funktionstüchtig. | |
Die UN-Blauhelme luden die Waffen in einen Container und 97 der müden | |
Krieger auf einen Lastwagen und fuhren sie in ein Lager in der Stadt | |
Kanyabayonga. Dort soll geprüft werden, ob sie im Rahmen des | |
UN-Demobilisierungsprogramms in ihre Heimat Ruanda zurückkönnen. | |
FDLR-Chef Byiringiro bedankte sich in einer Rede bei der kongolesischen | |
Bevölkerung: „Für die Gastfreundlichkeit seit 20 Jahren, trotz aller | |
Schwierigkeiten, die die Kongolesen erleiden mussten.“ Bis vor Kurzem noch | |
haben FDLR-Kämpfer in dieser Region Zivilisten getötet. Seit 20 Jahren | |
führt die Hutu-Miliz vom Ostkongo aus Krieg gegen die Tutsi-Regierung in | |
Ruanda. Opfer werden dabei vor allem Kongos Zivilisten, wofür seit 2011 die | |
politischen Führer der FDLR in Deutschland vor Gericht stehen. | |
Der kongolesische Chef des Dorfes Katiku erklärte jetzt in Buleusa: „Diese | |
Leute haben uns viel Leid zugefügt. Wenn sie gehen, werden wir uns | |
entwickeln.“ | |
## Nicht die erste Entwaffnungszeremonie | |
Am Montag sollte in Süd-Kivu die nächste FDLR-Übergabezeremonie | |
stattfinden. Doch Experten zweifeln an der Ernsthaftigkeit. In der | |
Vergangenheit hat die FDLR unzählige Male erklärt, sie werde sich | |
entwaffnen. Immer wieder legte eine kleine Zahl die Waffen nieder. Aber | |
ihre Strukturen blieben bestehen. Die FDLR rekrutiert ihre Kämpfer aus | |
ihrem eigenen Nachwuchs und kann dadurch ihre Kampfstärke aufrechterhalten. | |
Nach wie vor hat die FDLR laut UN-Schätzungen 1.400 Mann im Busch. 105 Mann | |
– das ist nicht mal eine Kampfeinheit; so viele desertierten bislang | |
monatlich sowieso. | |
Die fünf internationalen Sonderbeauftragten für Kongo und die Region | |
reagierten zum Auftakt eines Sondertreffens in Kinshasa ab Montag mit einer | |
scharfen Erklärung: Nur „eine unwesentliche Zahl niederrangiger Kämpfer“ | |
habe sich ergeben. Man dränge auf „die vollständige Kapitulation aller | |
Kämpfer und hohen Führer der FDLR“. Sonst gebe es Militärschläge. | |
## Vom Krieg im Kongo zum Terror in Ruanda? | |
Aber es scheint, als habe die FDLR sich erst mal das Überleben gesichert. | |
Analysten fürchten jetzt, dass die Entwaffnungszeremonie nur eine Ablenkung | |
war. Ruandas Geheimdienstler registrierten zuletzt verstärkt Infiltrationen | |
von mutmaßlichen FDLR-Spähtrupps und „Schläfern“ aus dem Kongo nach Ruan… | |
Die Angst geht um, die FDLR ginge jetzt von der ursprünglichen | |
konventionellen Kriegsführung im Kongo über in eine Terrorstrategie in | |
Ruanda selbst. | |
Und im ostkongolesischen Busch können die Milizionäre weitermachen. Die | |
FDLR ist jüngst mit zahlreichen kongolesischen Hutu-Gruppen Allianzen | |
eingegangen. Offiziell nennt sich diese Koalition PPH (Schutzmacht der | |
Hutu-Bevölkerung). Es besteht die Option, dass die FDLR sich in diesem | |
Verbund unter neuem Namen reorganisiert. | |
2 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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