# taz.de -- Kämpfe im Irak: Aufruf zum Widerstand | |
> Die Lage im Irak eskaliert, das Land droht zu zerbrechen. Die USA halten | |
> sich militärische Optionen offen. Auch der iranische Präsident Ruhani | |
> will helfen. | |
Bild: Freiwillige haben sich in Bagdad der irakischen Armee angeschlossen, um d… | |
WASHINGTON/BAGDAD/KERBELA rtr/ap/afp/dpa | Das geistliche Oberhaupt der | |
irakischen Schiiten, Ayatollah Ali al-Sistani, hat die Iraker zum | |
Widerstand gegen die sunnitischen Dschihadisten aufgerufen. Die Bürger | |
sollten zu den Waffen greifen und „ihr Land, ihr Volk und ihre heiligen | |
Stätten verteidigen“, sagte ein Sprecher al-Sistanis beim Freitagsgebet in | |
der Schiiten-Hochburg Kerbela. Wer könne, solle sich den Sicherheitskräften | |
im Kampf gegen die Dschihadisten der Organisation Islamischer Staat im Irak | |
und Syrien (Isis) anschließen. | |
Nach der Eroberung mehrerer Großstädte durch islamistische Rebellen gerät | |
die Lage im Irak zunehmend außer Kontrolle. Isis-Kämpfer kündigten einen | |
Marsch auf die Hauptstadt Bagdad an. Die internationale Gemeinschaft | |
versprach dem Land Hilfe, ohne bislang jedoch konkret zu werden. | |
US-Präsident Barack Obama prüft eine Reihe kurzfristiger militärischer | |
Optionen, darunter auch Luftangriffe. | |
„Ich schließe nichts aus“, sagte Präsident Barack Obama am Donnerstag auf | |
die Frage von Journalisten nach möglichen Luftschlägen. Ein Einsatz von | |
Bodentruppen sei allerdings ausgeschlossen, erklärte das Präsidialamt. | |
Obama sicherte der Regierung in Bagdad Hilfe zu und betonte, Islamisten | |
dürften weder im Irak noch in Syrien dauerhaft Rückhalt gewinnen. Im Irak | |
verliert die Regierung zunehmend die Kontrolle über das Land: Sunnitische | |
Extremisten rückten bis ins Umland von Bagdad vor, kurdische Milizen | |
übernahmen unterdessen die Öl-Stadt Kirkuk. | |
Unterdessen evakuierten die USA den Luftwaffenstützpunkt Balad nördlich von | |
Bagdad als Reaktion auf den schnellen Vormarsch der Rebellen. Auch ein | |
Ausbildungsprojekt für irakische Soldaten wurde ausgesetzt. | |
## Steinmeier sieht keine schnelle Lösung | |
Auch der UN-Sicherheitsrat sagte der irakischen Regierung einmütig | |
Unterstützung im Kampf gegen Terrorismus zu. Das höchste UN-Gremium mahnte | |
nach einer Sitzung zur Lage im Irak zudem einen Dialog an, an dem alle | |
politischen und religiösen Gruppen teilnehmen sollten. Konkrete Maßnahmen | |
nach der Einnahme der beiden Städte Mossul und Tikrit durch sunnitische | |
Extremisten der Gruppe Isis beschloss der Sicherheitsrat jedoch nicht. Nato | |
und Großbritannien schlossen einen militärischen Eingriff aus. | |
Außenminister Frank-Walter Steinmeier erwartet nach dem Vormarsch der | |
islamistischen Terrorgruppe Isis im Irak keine baldige Lösung. Für den Irak | |
gebe es keine „schnelle Antwort“, sagte er am Freitag in Berlin. Die Isis | |
sei in der Region mittlerweile ein Machtfaktor mit einem „Potenzial, das | |
weit über terroristische Anschläge hinausgeht“. Der SPD-Politiker warnte | |
zugleich vor einem „unregierbaren Raum zwischen Syrien und Bagdad“. An die | |
irakische Politik appellierte er, schnellstmöglich eine handlungsfähige | |
Regierung zu bilden. | |
„Es kommt jetzt darauf an, dass das Voranschreiten der Isis im Irak | |
gestoppt wird“, sagte Steinmeier nach einem Treffen mit dem marokkanischen | |
Außenminister Salaheddine Mezouar. „Das wird sicherlich nur dann gehen, | |
wenn eine irakische Regierung zustande kommt, die ihrerseits über Autorität | |
im eigenen Land verfügt. Davon wird vieles Weitere abhängen.“ Der | |
amtierende Ministerpräsident Nuri al-Maliki hatte im Parlament keine | |
Unterstützung für Notstandsmaßnahmen bekommen. | |
Kritik der deutschen Opposition an der Zusammenarbeit mit Staaten wie Katar | |
oder Saudi-Arabien, die islamistische Gruppierungen unterstützen, wies | |
Steinmeier zurück. Auch mit solchen Staaten müsse man „weiter im Gespräch | |
bleiben“. Ein Abbruch der Kontakte wäre ein „schlechter Rat, der auch nicht | |
zu größeren Chancen für eine politische Lösung beiträgt“. | |
## Iran verspricht Solidarität | |
Der Iran schickte nach einem US-Medienbericht Revolutionsgarden in den | |
benachbarten Irak, um die Isis-Kämpfer zurückzudrängen, die große Teile im | |
Norden und Westen des Iraks erobert haben. Mindestens drei Bataillone der | |
Al-Kuds-Brigaden, die Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, seien | |
zur Unterstützung geschickt worden, berichtete [1][das Wall Street Journal] | |
unter Berufung auf iranische Sicherheitskreise. | |
Ruhani sagte dem irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki in einem | |
Telefonat, der Iran werde sowohl auf regionaler als auch internationaler | |
Ebene alles im Kampf gegen die Terroristen im Irak unternehmen. | |
Entsprechend habe er seinen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif | |
beauftragt, alle diplomatischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Die | |
Nachrichtenagentur Fars berichtete, Sarif habe bereits Kontakt mit | |
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der Organisation für Islamische | |
Zusammenarbeit und seinen Amtskollegen in der Türkei, Katar und den | |
Vereinigten Arabischen Emiraten aufgenommen. Sarif habe gemeinsame | |
Maßnahmen gegen die Terrorgruppe Isis gefordert. | |
Isis-Kämpfer waren am Donnerstag bis auf 60 Kilometer an Bagdad | |
herangerückt, bevor ihr Vormarsch gestoppt werden konnte. Nach Angaben der | |
Organisation Ärzte ohne Grenzen sind rund eine Million Iraker auf der | |
Flucht. Viele versuchten das als stabil geltende kurdische Autonomiegebiet | |
im Nordirak zu erreichen. Allein in Mossul waren binnen weniger Stunden 500 | |
000 Menschen vor den Extremisten geflohen. | |
Dort lief inzwischen eine Nothilfeoperation des Welternährungsprogramms WFP | |
für 42 000 Menschen an, wie die UN-Organisation mitteilte. "Die Krise im | |
Irak eskaliert dramatisch schnell. In einigen der betroffenen Grenzgebiete | |
zwischen Irak und Kurdistan gibt es Berichte von Läden, die keine | |
Nahrungsmittel mehr haben", teilte das WFP mit. Auch die Caritas Irak | |
begann im Norden des Landes mit der Versorgung der aus Mossul geflohenen | |
Familien. | |
## Al-Maliki scheiterte mit Notstand | |
Ministerpräsident Al-Malikis Versuch, am Donnerstag den Notstand | |
auszurufen, scheiterte am Parlament, das eine Abstimmung wegen mangelnder | |
Beteiligung verschob. Seit Monaten zeigt sich Al-Maliki praktisch machtlos | |
gegen den Terror sunnitischer Extremisten im Land, der seit April 2013 | |
Tausende Menschenleben gekostet hat. | |
Bereits zu Jahresbeginn errang Isis die Kontrolle über Falludscha und Teile | |
der Provinz Anbar westlich von Bagdad. Bei einem Angriff auf die Hauptstadt | |
dürfte es Isis aber deutlich schwerer haben als bei den jüngsten | |
Eroberungen, da die Regierung ihr Machtzentrum gut abgesichert hat und | |
zudem schiitische Milizen sich ihnen in den Weg stellen dürften. | |
13 Jun 2014 | |
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[1] http://online.wsj.com/articles/iran-deploys-forces-to-fight-al-qaeda-inspir… | |
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