# taz.de -- Flüchtlingsschiff Cap Anamur: Helfer oder Schlepper? | |
> Die Cap Anamur machte die Flucht über das Mittelmeer zum Thema. 2004 | |
> rettete das Schiff 37 Flüchtlinge aus ihrem Schlauchboot vor Sizilien. | |
Bild: „Wir lieben und vermissen euch.“ – Die Cap Anamur im Juli 2004. | |
BERLIN taz | „In der DDR hieß das Fluchthelfer“, sagt Elias Biederl, „und | |
das war selbstverständlich positiv besetzt.“ Heute gäbe den Begriff nicht | |
mehr: „Jeder ist gleich ein Schlepper.“ So wie er. | |
Vor exakt zehn Jahren, am 20. Juni 2004, rettete das deutsche Schiff „Cap | |
Anamur“ vor der italienischen Insel Lampedusa 37 afrikanische Flüchtlinge | |
aus einem überfüllten Schlauchboot. An Bord: Bierdel, Chef der | |
gleichnamigen Hilfsorganisation. | |
Doch die italienischen Behörden verweigerten die Erlaubnis, die Flüchtlinge | |
an Land zu bringen. 23 Tage irrte die „Cap Anamur“ auf dem Meer umher. | |
Medien berichteten – dank eines ZDF-Reporters an Bord – wie sich die Lage | |
auf dem Schiff zuspitzte. | |
Als die „Cap Anamur“ am 12. Juli doch in Sizilien anlegte, wurden Bierdel, | |
Kapitän Stefan Schmitt und der Erste Offizier „wegen Begünstigung illegaler | |
Einwanderung“ verhaftet. Ihr Schiff wurde beschlagnahmt, die Flüchtlinge | |
kamen in Abschiebehaft. 2006 begann der Prozess wegen „bandenmäßiger | |
Schleuserei“. Die Staatsanwaltschaft fordert je vier Jahre Gefängnis und | |
eine Geldstrafe von 400.000 Euro für Bierdel und Schmitt. Erst 2009 wurden | |
sie freigesprochen. | |
## Um jeden Preis draußen halten | |
Obwohl zum Zeitpunkt der Cap-Anamur-Aktion bereits eine fünfstellige Zahl | |
an Menschen auf dem Weg nach Europa gestorben waren, nahm die deutsche | |
Öffentlichkeit erst durch den Vorfall Notiz von dem Zuständen an den | |
EU-Außengrenzen. | |
Der Umgang mit dem Hilfsschiff war exemplarisch für die damalige Linie | |
Italiens in Sachen Grenzsicherung: Die Ankunft von Flüchtlingen sollte um | |
jeden Preis verhindert werden. Die Strafen für Schlepperei wurden | |
empfindlich heraufgesetzt. Vielen Schiffsbesatzungen wurde es nun zu | |
gefährlich, Papierlosen in Seenot zu helfen. | |
Auf der anderen Seite wurde es für Schlepper zu riskant, ihre Boote weiter | |
selbst zu steuern. Daher begannen sie, sie den Flüchtlingen zu verkaufen | |
und ließen diese selbst steuern. Beide Entwicklungen führten dazu, dass die | |
Zahl der Ertrunkenen in den nächsten Jahren anstieg. | |
Deutschlands damaliger Innenminister, Otto Schily, nahm den Vorfall zum | |
Anlass, EU-Flüchtlingslager in Afrika zu fordern. Dort sollten europäische | |
Beamte die Asylanträge vom Flüchtlingen prüfen – vor der Einreise. Kritiker | |
fragten, ob die entsprechenden Länder in der Lage seien, solche Zentren auf | |
ihrem Territorium einzurichten. | |
Die EU lehnte Schilys Vorschlag ab. Heute steht er wieder auf die Agenda: | |
Vor dem EU-Gipfel kommende Woche verlangten Griechenland und Italien, diese | |
Option angesichts von immer mehr Asylbewerbern aus Syrien erneut zu prüfen. | |
21 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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