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# taz.de -- Ökonom über Sportgroßereignisse: „Widerstand setzt Änderungen…
> Der Volkswirtschaftler Wolfgang Maennig über Lernprozesse, „ökonomische“
> Prognosen und zukünftige Alternativen bei Sportgroßereignissen.
Bild: „Fußball-WM und Olympische Spiele waren nie als Stadtentwicklungsprogr…
taz: Herr Maennig, welche ökonomischen Effekte hat die
Fußball-Weltmeisterschaft für das Ausrichterland Brasilien?
Wolfgang Maennig: Das kann man eigentlich erst im Nachhinein sagen. Aber
aufgrund der Erfahrung bei praktisch allen Sportgroßereignissen sind keine
signifikanten positiven Effekte auf die üblichen ökonomischen Kerngrößen
wie Einkommen, Beschäftigung und Steuern zu erwarten. Und wenn es Effekte
im Tourismus geben sollte, dann werden sie wesentlich kleiner sein als
prognostiziert. Ökonomen halten aber auch „Happiness“ für eine sehr
zentrale Größe. Und hier gab es – siehe Deutschland – sehr deutliche,
messbare Effekte.
Wie misst man denn bitte „Happiness“?
Über Befragungen, in Deutschland im Sozio-ökonomischen Panel (SOEP). Man
lässt die Befragten ihre Lebenszufriedenheit auf einer Skala von 0 bis 10
bewerten.
Inwieweit lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den
wirtschaftlichen Effekten bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika feststellen?
Da gibt es viele Gemeinsamkeiten: Etwas zu viele Bauten von Stadien, die
für die Nachnutzung zu groß sind. Viel zu optimistische ökonomische
„Prognosen“, die selbstzerstörend waren, weil sie bei Anbietern von Flüge…
Unterkünften etc. zu überzogenen Preisangeboten führten. In beiden Ländern
findet die WM im lokalen Winter statt, also dem touristischen „Tiefpunkt“ �…
was dann letztlich zumindest in Südafrika zu ganz leichten positiven
Tourismuseffekten geführt hat.
Brasiliens Bevölkerung hat in vielen Landesteilen gegen das Großevent
demonstriert, weil sie es für falsch investiertes Geld hielt. Hat die
Fußball-WM dem Image des Landes geschadet?
Meines Erachtens nicht, vielleicht sogar im Gegenteil. Ich denke, dass
diese WM zu einer Neuorientierung bei der Fifa, und auch beim IOC führen
wird: in Richtung mehr Bescheidenheit, mehr Bereitschaft, auf die
Bedürfnisse der Gastländer einzugehen, mehr Partizipation von unten. Und
allseits in Richtung weniger fehlgeleiteter Ambitionen. Zum Beispiel einer
Abkehr von dem Gedanken, dass mit einer WM oder Olympischen Spielen
Stadtentwicklung betrieben werden sollte – dem „Barcelona-Syndrom“. Hierzu
haben die Demonstrationen einen Beitrag geleistet, insofern wird dem Land
in weiten Teilen eher Respekt zukommen.
Aber genau das, also Stadtentwicklung auf Kosten der ärmeren Bevölkerung,
macht Brasilien doch gerade vor Olympia mit Rio de Janeiro – wo sehen Sie
da ein Umdenken?
Für mich ist Rio wahrscheinlich das letzte Opfer der Irreführung von
„Barcelona 1992“. Die dortigen Manager hatten es verstanden, Milliarden von
ihrer nationalen Regierung und von der EU zu erhalten, um damit – durchaus
erfolgreich – die Stadt umzugestalten. Seitdem bewerben sich die
verschiedensten Städte, Regionen und Länder um Weltmeisterschaften und
Olympische Spiele nicht etwa, weil sie die besten Sportler bei sich haben
wollen. Sondern weil sie in die Position kommen wollen, ihre nationalen
Regierungen um Milliarden zu erpressen für Infrastrukturen, die sonst nie
oder wesentlich später, zumindest aber wesentlich besser durchdacht
gekommen wären. Fußball-WM und Olympische Spiele waren aber nie als
Stadtentwicklungsprogramm gedacht, und sie können dies nicht systematisch
leisten.
Wer profitiert letztendlich aus finanzieller Sicht von einer
Fußball-Weltmeisterschaft?
Vor allem die Fußball-Verbände in aller Welt. Denn die immensen Einnahmen
der Fifa werden zu über 90 Prozent an diese weitergeleitet. Die
Fernsehanstalten, die mehr Reichweiten erzielen – dies allerdings vorher
teuer bezahlen. Tja, und dann vielleicht vor allem alle anderen Länder,
welche die WM nicht ausrichten. In Deutschland dürfte zum Beispiel die
Gastronomie profitieren.
Wie könnte ein solches Sportereignis zum größeren Nutzen der Bevölkerung
ausgestaltet werden?
Ganz einfach: Mehr auf die Bevölkerung hören. Ihre Meinungen, Ideen und
Wünsche abfragen und daraus ein landesspezifisches und einzigartiges
Konzept entwickeln.
Das scheitert bislang stets an der Fifa, die dann lieber in autoritäre
Länder wie Russland und Katar ausweicht. Wer sollte da Änderungen
durchsetzen können?
Der Widerstand in Brasilien zur WM, aber etwa auch in Deutschland, siehe
Volksabstimmung zur Winterolympiade in München, setzt solche Änderungen
durch. Denn auch in Wien, in Graubünden und in Krakau habt sich die
Bevölkerung mehrheitlich gegen Olympische Spiele ausgesprochen. Dem IOC
gehen die Bewerber aus transparenten, offenen Gesellschaften verloren. Für
die Winterspiele 2022 gibt es derzeit nur die Bewerbung von Peking,
klimatisch vollkommen ungeeignet, und aus Kasachstan, sehr unerfahren mit
großen Sportveranstaltungen. Fifa und IOC werden ihre Anforderungen ändern
müssen, wenn sie sich in ihrem Freiheitsgrad nicht erheblich einschränken
wollen.
Wer ist ihr diesjähriger Favorit und warum?
Deusilien. Wegen der gut organisierten Eleganz.
28 Jun 2014
## AUTOREN
Ghassan Abid
## TAGS
Rio de Janeiro
Stadtentwicklung
Investitionen
Fifa
WM 2014
Brasilien
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
IOC
WM 2014
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Brasilien
Fifa
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