# taz.de -- Forderungen an das IOC: Paradiesische Spiele | |
> Sie fordern eine Abkehr von Verschwendung und Gigantismus. Vier Nationale | |
> Olympische Komitees haben dem IOC eine „Olympic Agenda 2020“ vorgelegt. | |
Bild: Sotschi 2013: eine Kiesgrube, die später als Müllkippe benutzt wurde. S… | |
Klingt alles super. Was die vier Nationalen Olympischen Komitees (NOKs) aus | |
Deutschland, der Schweiz, Österreich und Schweden in der „Olympischen | |
Agenda 2020“ formulieren, kommt in vielen Punkten einem Ideal nahe, das die | |
meisten Bürger von den Spielen haben dürften. Nachhaltig und sozial, | |
ökologisch wie ökonomisch verträglich sollen sie in Zukunft sein. | |
Die vier Verbände haben die Winter-Olympiaden 2010 bis 2018 analysiert und | |
evaluiert (bei den kommenden Spielen in Pyeongchang nur das | |
Vergabeverfahren) – alle vier Länder waren selbst als Kandidaten in den | |
jüngeren Bewerbungsverfahren um die Winterspiele vertreten. München | |
scheiterte erst am IOC, dann am Votum der Bevölkerung. | |
Bern zog für die Spiele 2010 und Stockholm für 2022 zurück, Salzburg | |
unterlag gegen Vancouver und Sotschi. Entweder den eigenen Bevölkerungen | |
waren Spiele zuletzt nicht mehr zu vermitteln – oder man scheiterte mit | |
Konzepten, die den Kompromiss zwischen Forderungen des Volkes und denen des | |
Internationalen Olympischen Komitees (IOC) suchten. Deshalb nun also das | |
Mitte Juli vorgelegte Papier, in dem man jene „Agenda 2020“ formuliert – | |
auf die Winterspiele beschränkte man sich auch deshalb, weil sie wegen des | |
Aufwands auf noch mehr Widerstand als die Sommerspiele stoßen. | |
„Olympische Spiele können nach wie vor positive gesellschaftspolitische | |
Beiträge leisten“, sagte hingegen DOSB-Generaldirektor Michael Vesper bei | |
der Veröffentlichung der Agenda. Es gehe bei einer neuerlichen deutschen | |
Bewerbung unter anderem darum, ein „transparentes und realistisches Bild“ | |
der Kosten für die Spiele zu veröffentlichen. | |
## Zauberwort Transparenz | |
Sowieso ist Transparenz eines der Zauberworte des 15-seitigen Papiers: Die | |
Budgets sollen demnach öffentlich gemacht werden, genauso sollen aber | |
Kosten, die nicht unmittelbar mit Olympia zusammenhingen, kenntlich gemacht | |
werden. Vesper sprach auch davon, dass die Verträge des IOC mit den | |
Ausrichterstädten veröffentlicht werden müssten. Die erste Bewerbungsphase | |
solle zudem auf ein Minimum reduziert werden, da schon die Bewerbungskosten | |
zuletzt explodiert seien (bei den Winterspielen in Pyeongchang 2018: 34 | |
Millionen Dollar). | |
Die vier NOKS haben noch mehr gute Empfehlungen parat: Unabhängige | |
Gutachter für die Kosten der Organisationskomitees werden gefordert, mehr | |
temporäre, zugleich mehr bereits vorhandene Sportstätten müssten genutzt | |
werden. Das Konzept von Olympia solle zum langfristigen Entwicklungsplan | |
der Stadt passen. | |
Die Fragen aber sind ja: Wie soll so eine Kehrtwende vonstattengehen, wenn | |
es zuletzt in allen hier genannten Punkten gegenläufige Entwicklungen gab? | |
Wie soll ausgerechnet unter dem neuen IOC-Präsidenten und Sotschi-Fan | |
Thomas Bach, der bisher nun nicht gerade für einen Kurs wider den | |
Gigantismus stand, ein Wandel gelingen? Und: Was hieße das für die | |
deutschen Bewerbungen? | |
## Großer Reformdruck | |
Wolfgang Maennig glaubt, der Reformdruck beim IOC für einen solchen | |
Kurswechsel sei inzwischen groß genug. Maennig, ehemaliger | |
Ruder-Olympiasieger, ist Sportökonom an der Uni Hamburg und hat unter | |
anderem Gutachten für die Leipziger Olympiabewerbung 2012 geschrieben. „Ich | |
bin überzeugt, dass das IOC Ende des Jahres eine Agenda verabschieden wird, | |
welche viele der angesprochenen Punkte aufnehmen wird“, sagt er, „und das | |
IOC tut dies auch nicht ganz freiwillig. | |
Olympia braucht doch inzwischen händeringend frische Bewerbungen aus | |
demokratischen Staaten, mit Unterstützung der dortigen Bevölkerungen. Es | |
gibt sogar entsprechenden Druck von Sponsoren.“ Käme es so, dass bei der | |
IOC-Vollversammlung Anfang Dezember eine solche Agenda durchkommt, könne | |
dies einer deutschen Bewerbung nur nützen. Entsprechend sehe er auch Bachs | |
Rolle – der könne zukünftig gar nicht anders, als solche Initiativen zu | |
begrüßen und explizit zu fördern. Schließlich sei bisher noch keine einzige | |
Volksbefragung positiv ausgegangen. | |
Im Hinblick auf die „Agenda 2020“ darf man trotzdem skeptisch bleiben; | |
nicht nur, weil von einer Abkehr des wenig sozialverträglichen | |
Massenspektakels zuletzt nichts zu spüren war, sondern auch, weil die NOKs | |
ihre Forderungen gegenüber dem IOC doch sehr devot formulieren. „Diese | |
Initiative soll nicht als Kritik verstanden werden, sondern nur als Basis | |
für Diskussionen“, heißt es etwa im Vorwort. Von Ländern, die mit ihren | |
Städten trotz teilweise nicht schlechter Bewerbungen (München, Salzburg) | |
krachend gescheitert sind und dann Sotschi miterleben durften, könnte man | |
zumindest etwas mehr Chuzpe erwarten. | |
## An der Bevölkerung vorbei | |
Aber wie viel Einfluss haben denn die vier NOKs überhaupt? „Es sind | |
vielleicht – von Deutschland abgesehen – eher die NOKs kleinerer Länder, | |
aber sie sprechen ja im Namen von vielen“, meint Maennig. Ihm fehle in dem | |
Vorstoß der NOKs aber noch ein klareres Bekenntnis zur Teilhabe der | |
Bevölkerung: „Die Partizipation kommt mir zu kurz. Die deutschen | |
Bewerbungen sind letztlich immer daran gescheitert, dass man die | |
Bevölkerung nicht richtig hinter sich bringen konnte.“ | |
Noch habe man wenig daraus gelernt, man gehe das Prinzip Partizipation | |
allenfalls halbherzig an: „Unsere Eliten in Politik, Verwaltung und Sport | |
brauchen einen Bewusstseinswandel. Weg vom Gefühl der omnipotenten | |
Gestaltungsfähigkeit hin zu einer Rolle der wohlwollenden Unterstützung | |
einer Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren, Interessen und Initiativen.“ | |
Sollen so die Spiele der Zukunft aussehen, müsste aber auch das IOC die | |
Selbstreinigungskräfte aufbringen, die die vier NOKs hier beschwören. Davon | |
sind aber bei Weitem nicht alle überzeugt – der Sportphilosoph Gunter | |
Gebauer etwa sagte kürzlich gegenüber dem Tagesspiegel, so wie sich die | |
Fifa als imperialer Herr in Brasilien aufgespielt habe, „würde das | |
Internationale Olympische Komitee es in Deutschland auch machen.“ Mit | |
dieser nun vorliegenden Agenda 2020 wäre das zumindest nicht vereinbar. | |
11 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
## TAGS | |
IOC | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Olympiapark | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Rio de Janeiro | |
Absage | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vor den Olympischen Spielen in Rio: Die Verlierer stehen schon fest | |
Ein Jahr vor den Spielen mobilisiert ein Komitee in Rio gegen | |
Menschenrechtsverletzungen, Gentrifizierung und verfehlte Stadtpolitik. | |
Sotschis Olympisches Erbe: Welle des Patriotismus | |
Ein Jahr nach den Winterspielen strömen die russischen Skitouristen nach | |
Sotschi. Auch dank der Sanktionen des Westens floriert das Geschäft. | |
IOC-Boss Bach seit einem Jahr im Amt: Schmiere fürs Getriebe | |
Ein Jahr Tommi: IOC-Chef Bach arbeitet mit manischer Betriebsamkeit an | |
einer olympischen Reformagenda. Aber wird das wirklich ein großer Wurf? | |
Der Senat fragt Berliner zu Olympia: Ihr wollt es doch auch! | |
Um sich für Olympia bewerben zu können, muss der Senat zeigen, dass die | |
Berliner die Spiele auch wollen. Eine Umfrage soll dabei helfen, dürfte | |
aber als Lachnummer enden. | |
Ökonom über Sportgroßereignisse: „Widerstand setzt Änderungen durch“ | |
Der Volkswirtschaftler Wolfgang Maennig über Lernprozesse, „ökonomische“ | |
Prognosen und zukünftige Alternativen bei Sportgroßereignissen. | |
Krakaus Bürger stimmen gegen Olympia: Im Westen nichts Teures | |
Auch Krakaus Bürger stimmen gegen eine Bewerbung für Olympia 2022. Gibt es | |
die Spiele bald nur noch in Autokratien? | |
Olympia und Politik: Sportereignis zur Selbstdarstellung | |
Detroit, München und Rom: Die Historikerin Eva Maria Gajek hat untersucht, | |
wie Staaten mit Olympia ihr Image aufpolieren. |