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# taz.de -- Vor den Olympischen Spielen in Rio: Die Verlierer stehen schon fest
> Ein Jahr vor den Spielen mobilisiert ein Komitee in Rio gegen
> Menschenrechtsverletzungen, Gentrifizierung und verfehlte Stadtpolitik.
Bild: Aus der Ferne sieht sogar das Wasser vor Rio richtig schön aus
Rio de Janeiro taz | „Olympia – für wen?“: Mit dieser Frage haben die WM-
und Olympia-Kritiker vom „Comitê Popular da Copa e das Olimpíadas do Rio de
Janeiro“ Aktionstage gegen die negativen Folgen des Sport-Großereignisses
eingeläutet.
Im Blickpunkt sind die Nachteile für die Bewohner von Rio de Janeiro, der
Gastgeberstadt der Olympischen Spiele 2016: Räumungen von Armensiedlungen,
die Sportstätten oder neuen Verkehrswegen weichen mussten, die Verdrängung
von Straßenhändlern und -bewohnern im Stadtzentrum sowie ökologische
Schäden. Zugleich könnten sich die Sponsoren und das IOC über saftige
Gewinne freuen, während Investitionen, die eine lebenswerte Stadt ausmachen
würden, nicht einmal erwägt werden, kritisieren die Comitê-AktivistInnen.
Schon bald nach der Fußball-WM 2014 war es ruhig geworden um die zwölf
Komitees, die in allen Austragungsorten vor und während des Spektakels auf
Misswirtschaft und Fifa-Verfehlungen aufmerksam machten und einen wichtigen
Anteil an den großen Demonstrationen von 2013 hatten. Nur in der
Olympiastadt Rio existiert das Komitee weiter: Eine Gruppe von 20,
vielleicht 30 AktivistInnen, die in den kommenden Monaten bestimmt größer
werden wird, und gemeinsam mit anderen Kollektiven, NGOs und sozialen
Bewegungen gegen verfehlte Stadtpolitik vorgeht.
Eng sind die Drähte zu den Initiativen, die von den Olympiavorbereitungen
unmittelbar betroffen sind: AktivistInnen der Favela Vila Autódromo, die
direkt neben dem Olympiapark liegt und sich gegen ihre Auflösung zur Wehr
setzt, sowie zu VertreterInnen des Breitensports, der durch die
Olympia-Fixierung unter die Räder kommt.
## Chaos als Normalzustand
„Knapp ein Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele ist die Situation ähnlich
dramatisch wie vor der Fußball-WM“, schreibt das Komitee in einem Brief an
die taz, die 2014 eine Spendenkampagne für die WM-KritikerInnen initiierte.
„Die Menschenrechte, insbesondere der armen Menschen, werden missachtet,
öffentliche Sportstädten werden geschlossen oder abgerissen, zahlreiche
Favelas sind nach wie vor von Polizei oder Militär besetzt, was einer
Kriminalisierung der Armut gleichkommt.“
Es ist allerdings nicht leicht, derzeit eine Mobilisierung in Sachen
Olympia anzustoßen. Die Cariocas, die Bewohner von Rio de Janeiro, haben
sich zwangsläufig daran gewöhnt, dass ständig neue Baustellen entstehen und
dass der Verkehr plötzlich umgeleitet wird. „Das Chaos ist hier seit Langem
Normalzustand“, lautet der Standardkommentar. Wenn debattiert wird, dann
über Wirtschaftskrise, den aktuellen Korruptionsskandal und ob es der
Rechten gelingt, die Arbeiterpartei-Regierung von Dilma Rousseff zu stürzen
– aber nur selten über die nächste Mega-Sportveranstaltung.
„Die andere Seite hat viele Ressourcen, viel Platz in den Medien, sie
zeichnen das Idealbild eines schönen Sportfestes und appellieren an den
Nationalismus und die Gastfreundschaft der Cariocas“, erklärt das Comitê
hinsichtlich der Werbemaschinerie seitens der Stadt und des Nationalen
Olympischen Komitees. Dagegen argumentieren die AktivistInnen, dass Olympia
kein Segen, sondern eine langfristige Last für die Stadt sein wird: „16
Gründe für ein anderes Rio 2016“ haben sie in einem Faltblatt
zusammengetragen.
## Wassersport in einer Kloake
„Sport darf kein Geschäft sein“, ist dort zu lesen, mit Hinweis darauf,
dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Fifa und dem IOC gebe.
Beiden gehe es vor allem um Profit, während die öffentliche Hand im
Gastgeberland für einen Großteil der Kosten aufkommen müsse. Transparenz
und effektive Kontrolle seitens des Gesetzgebers würden schon im Vorfeld
vertraglich ausgeschlossen. Besonders ärgerlich aus Sicht des Komitees ist,
dass überhaupt nicht in den Breitensport investiert wird, während wenige
HochleistungssportlerInnen gefördert würden, um eine Blamage im
Medaillenspiegel zu vermeiden.
Peinlich sei jetzt schon die Planung der Segel- und Ruderwettbewerbe:
„Sport sollte nicht in Abwässern betrieben werden“, empfiehlt das Komitee
mit Blick auf die extrem hohen Verschmutzungswerte der Gewässer. Die groß
angekündigten Sanierungen von Bahia und Lagoa wurden nur ansatzweise
umgesetzt, sogar die internationale Sportverbände erwägen, eine Verlegung
der Wettbewerbe zu fordern.
## Polizeigewalt in Rio
Ein weiterer Kritikpunkt ist der Bau eines neuen Golfplatzes mitten in
einem Naturschutzgebiet am Atlantikstrand. Samt Extrageschenk an die
Investoren: 22 20-stöckige Luxus-Wohnblocks dürfen sie auf dem Gelände
bauen. Der Golfkomplex ist das krasseste Beispiel für Privatisierung und
Umgehung bestehender Gesetze und Vorschriften im Namen von Olympia, klagt
das Comitê Popular da Copa e das Olimpíadas do Rio de Janeiro an.
Es geht ihnen bei ihrer Kritik aber nicht nur um Olympia-Themen. Die
Wiedereinstellung von entlassenen Lehrern und Stadtreinigern wird
gefordert, weil deren Streikbewegungen damals mit der Mobilisierung gegen
die Negativfolgen der WM zusammenfielen. Zudem wird ein Ende von
institutioneller Gewalt und vor allem der brutalen Polizeieinsätze
gefordert – gegen Demonstranten oder in Favelas. Bis heute ist ein Aktivist
in Haft, der nach der Protestwelle vor über zwei Jahren festgenommen wurde.
Für das Komitee ein deutliches Anzeichen für die Kriminalisierung von
sozialem Protest.
23 Aug 2015
## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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