# taz.de -- Besetzte Schule in Berlin-Kreuzberg: Frühstück im Sperrgebiet | |
> Mitten in Berlin sperrt die Polizei einen ganzen Wohnblock ab. Der Zugang | |
> ist auf die Anwohner beschränkt. Ein Besuch an der Ohlauer Straße. | |
Bild: Blick in die Ohlauer Straße am Mittwoch. | |
BERLIN taz | 8 Uhr: Die Geschäfte und Cafés öffnen, auch die | |
Gemeinschaftspraxis der Allgemeinärztinnen befindet sich im Normalbetrieb. | |
Es könnte ein ganz gewöhnlicher Freitagmorgen im Karree | |
Wiener/Reichenberger/Lausitzer und Ohlauer Straße in Berlin-Kreuzberg sein. | |
Nur ist es ungewöhnlich still. Wenige Menschen sind auf der Straße, die | |
Gewerbetreibenden warten umsonst auf Kundschaft. | |
Wir befinden uns in einem Sperrgebiet. Die Zugänge in Richtung der Ohlauer | |
Straße sind mit Hamburger Gittern verstellt, dahinter Polizei, die jede | |
Person, die Einlass begehrt, befragt und gegebenenfalls abweist. Mit | |
Presseausweis, Reisepass und fünf Brötchen bewehrt nähere ich mich der | |
Absperrung. Ich bin zum Frühstück verabredet mit Fabian Behrens*. | |
Der Informatiker hat einen Mietvertrag der alt genug ist, um sich im | |
Gentrifizierungskiez weiterhin eine geräumige Altbauwohnung leisten zu | |
können. Jetzt wohnt er in einer praktisch ausgestorbenen militarisierten | |
Zone mit Einlasskontrollen und „mehreren großen Wachwechseln pro Tag“. | |
Direkt unter seinem Fenster hat er seit Dienstag hunderte Polizisten | |
vorbeiziehen sehen, Tag und Nacht fahren die Mannschaftswagen in Kolonnen | |
an und ab. | |
Ob die Bewohner eine Information von Bezirk oder Polizei bekommen haben, | |
frage ich. „Nein, also ich habe jedenfalls nichts bekommen. Und wenn man | |
die Polizisten an den Grenzübergängen fragt, wie lange das noch dauern | |
soll, antworten die nur, dass sie das auch gern wüssten.“ Gerüchtweise | |
seien die Geschäftsinhaber unter der Hand auf eine Fortsetzung des | |
Belagerungszustandes bis zum 1. Juli vorbereitet worden. | |
## Besuch mit Polizeieskorte | |
Behrens beschreibt die Absurdität der Situation. Mit Ausweis hat er Zugang | |
zu seinem Kiez, aber nur über den seinem Wohnhaus am nächsten gelegenen | |
Kontrollpunkt. Einmal drinnen in der verbotenen Zone könne man sich jedoch | |
frei bewegen. Die Intensität der Kontrollen scheint stark zu schwanken | |
zwischen Tageszeit und diensthabenden Beamten. Besuch müsse oft an den | |
Sperren abgeholt werden oder werde bis zu den Haustüren eskortiert. | |
Manchmal aber auch nicht. Ich zum Beispiel bin ohne weitere Formalitäten, | |
wie Passkontrolle oder Babysitter eingereist. | |
„Das ist aber grade auch so peacig wie seit Tagen nicht“, sagt Behrens. | |
Überhaupt keine Linie sei zu erkennen bei dem Einsatz, die Anwohner fänden | |
das Polizeiaufgebot „absurd und überzogen“. Übers Wochenende bekommt er | |
Besuch, muss er den dann die ganze Zeit begleiten, immer an die Hand | |
nehmen? Gibt der Bezirk bald Passierscheine aus? | |
Hat er von der Schule vor dem jetzigen Großeinsatz viel mitbekommen? | |
Behrens verneint. Klar, es war bekannt, dass sie besetzt ist und es gab ja | |
auch hin und wieder Probleme dort, wo dann auch die Polizei gekommen ist, | |
aber im Alltag habe das nichts verändert. Er ist ganz normal mit der | |
dreijährigen Tochter auf den Spielplatz gegangen. | |
## „Nicht besonders professionell“ | |
Und die Kleine, wie nimmt sie das Geschehen auf? „Angst hat sie keine, | |
große Demonstrationen mit Polizei, wie am 1. Mai hat sie ja schon gesehen. | |
Aber ist schon nicht ganz leicht, zu erklären, was hier grade passiert.“ | |
Allein zu vermitteln, was Flüchtlinge seien und was die in der Schule | |
wollen, sei schwierig, die „Kampfpanzer“ die da ständig auf der Straße | |
stehen, sind aber noch einmal eine ganz eigene Geschichte. | |
9 Uhr: Die Situation ist unverändert. Friedliche Ruhe an den Absperrungen, | |
die UnterstützerInnen der Flüchtlinge kommen später. Vielleicht bringt der | |
Tag eine Klärung der akuten Situation, vielleicht auch nicht. Behrens sagt | |
noch, dass er den Umgang des Bezirks und des Senats mit Flüchtlingen, wie | |
Presse „nicht besonders professionell“ finde. Er sagt das mit ironischem | |
Unterton. Was in diesem Karree in Berlin-Kreuzberg passiert, ist ein | |
Desaster, alle wissen es, und egal, ob am am Freitagabend die Flüchtlinge | |
noch immer auf dem Dach der Schule ausharren, das „freie Geleit“ des Senats | |
annehmen oder geräumt werden: Diese Geschichte ist noch lange nicht zu | |
Ende. | |
*Name von der Redaktion geändert | |
27 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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