# taz.de -- WM-Kolumne Ordem e Progresso: Herzlich grüßt der Favelabewohner | |
> Fanfeste statt Demonstrationen in Brasilien. Die Armut scheint vergessen. | |
> Das Volk feiert, die Fifa triumphiert. Sepp Blatter hat es immer gewusst. | |
Bild: Medialer Voyeurismus im Armenviertel. | |
Wie ist es eigentlich so, dieses Brasilien? Die Zeit der ersten Bilanzen | |
ist gekommen. Großartig, sagen natürlich die Veranstalter. Fifa-Präsident | |
Sepp Blatter hat es ja sowieso schon immer gesagt. Wenn erst einmal der | |
Ball rollt, ist Ruhe im Land. „Wir merken nun, dass die Bevölkerung | |
Brasiliens im Spiel ist. Sie sind mehr auf den Fanfesten als auf | |
Demonstrationen“, triumphierte er nach der Vorrunde. Er wolle sich dafür | |
bei den Brasilianern bedanken. | |
Nun, die Fifa hat noch nie ein Problem damit gehabt, ganze Kontinente für | |
ihre Interessen zu vereinnahmen. Brasilien ist da nur ein Klacks. Was soll | |
auch dieser kleinteilige Blick auf das Land bringen? „We are one“, heißt es | |
doch im WM-Gute-Laune-Olé-Olé-Song. Deshalb mussten da auch nicht unbedingt | |
Brasilianer mitsingen. | |
Das Land macht es einem wirklich auch leicht, auf den Inseln der | |
Glückseligkeit zu wandeln. In Leblon, hat mir kürzlich ein Deutscher | |
gesagt, der seit Jahren in dem Nobelviertel von Rio de Janeiro ausgeht, | |
sind die Probleme Brasiliens Gott sei Dank weit weg. Auch in Ipanema und an | |
der Copacabana, wo sich die meisten Journalisten einquartiert haben, ist es | |
nicht anders. Nah am Meer buchen, wurde mir vor der Reise geraten. Das sei | |
am sichersten. Wer hier die Hänge hinaufsteigt in die Favelas, gilt als | |
leichtsinniger Abenteurer. | |
Schwer bewaffnete Polizisten markieren derzeit die imaginären | |
Grenzverläufe. Vermutlich als erste Schutzpatrouillen gedacht, falls wider | |
Erwarten doch noch Proteste nach unten schwappen sollten. Natürlich gibt es | |
auch diese Vorzeige-Favelas. Das englische Nationalteam hat in den ersten | |
Wochen eine besucht. „Amazing“, nannte Daniel Sturridge das Erlebnis. Die | |
Leute seien so herzlich gewesen, er werde es seinen Lebtag nicht vergessen. | |
## Organisierte Reise in die Favela | |
Der begeisterte Bericht von der organisierten Reise ins Armenviertel | |
hinterlässt bei mir ein zwiespältiges Gefühl. Es ist ein Aufbrechen von | |
Grenzen, dem zugleich Voyeurhaftes innewohnt. Ein abgesicherter Besuch zur | |
Besichtigung einer Welt, die man ansonsten nicht zu Gesicht bekommt und die | |
dennoch wenig repräsentativ ist. | |
Anderswo, im ärmeren Norden etwa, mögen die Grenzen fließender sein. Die | |
Geschichten und Kolumnen meines Kollegen aus dem 1.200 Kilometer entfernten | |
Salvador klangen fremd – wie aus einem anderen Land. Vereinzelt schlafen | |
sie auch hier in den wohlhabenderen Gegenden auf den Straßen. | |
Meist haben sie ihre Pappkartons vor den Bankfilialen ausgebreitet. Es ist | |
eine kleine Minderheit. Wenn ich bei mir aus dem Fenster schaue, blicke ich | |
auf einen kleinen Swimmingpool. Gebadet hat hier noch niemand in den | |
letzten beiden Wochen. Mittlerweile drängt sich mir der Verdacht auf, dass | |
das nicht sonderlich große Becken gar nicht dafür gedacht ist. Sein Zweck | |
scheint allein darin zu bestehen, eine Möglichkeit zu umschreiben. | |
7 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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