| # taz.de -- WM-Kolumne Ordem e Progresso: Runde Popos, runde Bäuche | |
| > An brasilianischen Stränden herrscht rege Betriebsamkeit. Fliegende | |
| > Händler ziehen von Liege zu Liege. Ein teurer Spaß – doch das muss es | |
| > nicht sein. | |
| Bild: Strandgeschäfte: Sonnenschirme sind unter Brasiliens Sonne unverzichtbar… | |
| Der Strand, heißt es immer, sei der demokratischste Ort in Brasilien. Weil | |
| er allen gehört. Es gibt keine Zäune und Privatareale, in denen die | |
| Wohlhabenden unter sich sind und den Pöbel – oder was sie dafür halten – | |
| aussperren. Am sehr schönen Strand von Porto da Barra in Salvador, an der | |
| Allerheiligenbucht gelegen, herrscht derweil unter der Sonne des Atlantiks | |
| eine durchorganisierte Dienstleistungsgesellschaft mit Meerblick. | |
| Kaum hat man den Strand betreten, eilen die Stuhlverleiher herbei und | |
| schleppen die Dinger in Wassernähe. Wir sind schlau genug, den Preis vorher | |
| zu verhandeln. 5 Reais. Ein guter Schachzug, denken wir. Der Stuhlverleiher | |
| kommt aber plötzlich mit einem Sonnenschirm an und rammt ihn neben uns in | |
| den Sand wie eine Lanze. | |
| Wir haben jetzt Schatten, aber für diesen Komfort wird uns der Verleiher | |
| später 90 Reais, etwa 30 Euro, berechnen. Wir sind baff. „Für eine Stunde | |
| Sonnenschirm?“, fragen wir ihn. Na klar, er müsse doch etwas zwischen die | |
| Zähne bekommen, sagt der Verleiher, und seine Kinder müsse er auch | |
| durchbringen. Wir geben ihm 50 Reais. Was er jetzt sagt, hört sich wie | |
| Verwünschungen an. | |
| Nach dem Verleiher macht der Nussverkäufer, der Popcornverkäufer, der | |
| Caipi-Verkäufer und der Grillkäseverkäufer seine Runde, wobei man sagen | |
| muss, dass der Grillkäse am Stiel ziemlich gut geht. Auch der Preis ist | |
| fair. Die Grillkäseverkäufer scheinen den WM-Touristen das Geld nicht | |
| mutwillig aus der Tasche zu ziehen. | |
| ## Kostenloses Vergnügen | |
| Nach dieser Karawane der fliegenden Händler kommt dann noch der | |
| Hutverkäufer vorbei, der Mann mit den Armbändern und die | |
| Grillfleischverkäuferin. Wir sind keine guten Kunden, weil wir ja dem | |
| Stuhlverleiher schon so viel geben mussten. Auch den Wasserverkäufer weisen | |
| wir ab. | |
| Kostenlos ist das Schauspiel links und rechts von uns. Schwarze spielen | |
| Fußball: Ballhochhalten mit Fuß, Knie, Kopf oder Schulter. Sogar ein paar | |
| Gringos sind dabei, die nach einer halben Stunde allerdings die Farbe eines | |
| gekochten Hummers annehmen. | |
| Kostenlos ist auch das Badevergnügen im Atlantik. Das Wasser ist weich und | |
| warm, die Wellen sind nicht hoch, weil der Strand von Porto da Barra | |
| geschützt hinter einer Landzunge liegt. Die Badeanzüge sind knapp, die | |
| Popos und die Bäuche rund. Sogar ein deutscher Handlungsreisender wird | |
| geduldet, der in Ermangelung einer Badehose selbstbewusst im Schlüpfer | |
| unterwegs ist. | |
| Als wir den Strand verlassen, kommen wir in den Genuss einer weiteren | |
| Dienstleistung. Eine ältere Frau schöpft Meerwasser aus einem Kanister und | |
| spült damit, kaum dass wir uns versehen haben, den Sand von unseren Füßen. | |
| Das ist sehr nett von ihr. Und weil wir es gerade nicht kleiner haben, | |
| geben wir der Spülfrau zehn Reais. Natürlich verzichten wir aufs | |
| Wechselgeld. Wir haben ja schon die anderen Händler vertrösten müssen. | |
| 29 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
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