| # taz.de -- WM-Kolumne Ordem e Progresso: Sieg der Fifa über Brasilien? | |
| > Noch stehen die entscheidenden Spiele aus, aber bilanziert wird die WM | |
| > schon eifrig. Die Veranstalter sind zufrieden. Unser Autor sieht ein | |
| > ambivalenteres Bild. | |
| Bild: Daniel Sturridge (m.), englischer Nationalspieler, hatte während des Bes… | |
| Wie ist es eigentlich so, dieses Brasilien? Die Zeit der ersten Bilanzen | |
| ist gekommen. Großartig, sagen natürlich die Veranstalter. Fifa-Präsident | |
| Sepp Blatter hat es ja sowieso schon immer gesagt. Wenn erst einmal der | |
| Ball rollt, ist Ruhe im Land. „Wir merken nun, dass die Bevölkerung | |
| Brasiliens im Spiel ist. Sie sind mehr auf den Fanfesten als auf | |
| Demonstrationen“, triumphierte er nach der Vorrunde. | |
| Er wolle sich dafür bei den Brasilianern bedanken. Nun, die Fifa hat noch | |
| nie ein Problem damit gehabt, ganze Kontinente für ihre Interessen zu | |
| vereinnahmen. Brasilien ist da nur ein Klacks. Was soll auch dieser | |
| kleinteilige Blick auf das Land bringen? „We are one“, heißt es doch im | |
| WM-Gute-Laune-Olé-Olé-Song. Deshalb mussten da auch nicht unbedingt | |
| Brasilianer mitsingen. | |
| Das Land macht es einem wirklich auch leicht, auf den Inseln der | |
| Glückseligkeit zu wandeln. In Leblon, hat mir kürzlich ein Deutscher | |
| gesagt, der seit Jahren in dem Nobelviertel von Rio de Janeiro ausgeht, | |
| sind die Probleme Brasiliens Gott sei Dank weit weg. | |
| Auch in Ipanema und an der Copacabana, wo sich die meisten Journalisten | |
| einquartiert haben, ist es nicht anders. Nah am Meer buchen, wurde mir vor | |
| der Reise geraten. Das sei am sichersten. Wer hier die Hänge hinaufsteigt | |
| in die Favelas, gilt als leichtsinniger Abenteurer. | |
| ## Besuch in der Vorzeige-Favela | |
| Schwer bewaffnete Polizisten markieren derzeit die imaginären | |
| Grenzverläufe. Vermutlich als erste Schutzpatrouillen gedacht, falls wider | |
| Erwarten doch noch Proteste nach unten schwappen sollten. Natürlich gibt es | |
| auch diese Vorzeige-Favelas. Das englische Nationalteam hat in den ersten | |
| Wochen eine besucht. „Amazing“, nannte Daniel Sturridge das Erlebnis. Die | |
| Leute seien so herzlich gewesen, er werde es seinen Lebtag nicht vergessen. | |
| Der begeisterte Bericht von der organisierten Reise ins Armenviertel | |
| hinterlässt bei mir ein zwiespältiges Gefühl. Es ist ein Aufbrechen von | |
| Grenzen, dem zugleich Voyeurhaftes innewohnt. Ein abgesicherter Besuch zur | |
| Besichtigung einer Welt, die man ansonsten nicht zu Gesicht bekommt und die | |
| dennoch wenig repräsentativ ist. | |
| Anderswo, im ärmeren Norden etwa, mögen die Grenzen fließender sein. Die | |
| Geschichten und Kolumnen meines Kollegen aus dem 1.200 Kilometer entfernten | |
| Salvador klangen fremd – wie aus einem anderen Land. Vereinzelt schlafen | |
| sie auch hier in den wohlhabenderen Gegenden auf den Straßen. Meist haben | |
| sie ihre Pappkartons vor den Bankfilialen ausgebreitet. Es ist eine kleine | |
| Minderheit. | |
| Wenn ich bei mir aus dem Fenster schaue, blicke ich auf einen kleinen | |
| Swimmingpool. Gebadet hat hier noch niemand in den letzten beiden Wochen. | |
| Mittlerweile drängt sich mir der Verdacht auf, dass das nicht sonderlich | |
| große Becken gar nicht dafür gedacht ist. Sein Zweck scheint allein darin | |
| zu bestehen, eine Möglichkeit zu umschreiben. | |
| 1 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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