# taz.de -- WM-Kolumne Ordem e Progresso: Zwischen Skatern und Fitness-Freaks | |
> Auf Rios Radwegen bevölkern zu viele Disziplinfremde den Asphalt. Auch | |
> der Versuch, auf größere Straßen auszuweichen, ist gefährlich. | |
Bild: Im Ranking der weltweit fahrradfreundlichsten Großstädte 2013 landete R… | |
Rad und Rio, das habe ich vor meinem Flug nach Brasilien eigentlich nicht | |
miteinander in Verbindung gebracht. Schon wieder bin ich um ein Vorurteil | |
ärmer, aber mir bleiben ja noch die vielen anderen. Insbesondere entlang | |
der Copacabana ist das Fahrrad in dieser Millionenstadt ein beliebtes | |
Fortbewegungsmittel. Gern wird hier geliehen. | |
Die von der Stadtverwaltung unterstützte Initiative „Bike Rio“ stellt | |
allein 600 orangefarbene Räder zur Vermietung. Die holländischen Fans | |
wird’s freuen, wenn der Weg ihres Teams hierher führen sollte. Im | |
letztjährigen Ranking der weltweit fahrradfreundlichsten Großstädte landete | |
Rio noch vor Hamburg auf einem respektablen zwölften Platz. Angeblich kann | |
man, einmal registriert, die Räder in der Stadt für vier Euro im Monat | |
nutzen. Eine günstige Möglichkeit, auf alternative Weise zu einem Termin in | |
die Stadt zu fahren, denke ich mir. | |
Mein Mietrad für die Probetour ist schwarz-weiß lackiert und funktioniert | |
tadellos. Tempo kann man auf den extra angelegten Radwegen entlang der | |
Strandmeile jedoch nicht aufnehmen. Zu viele Disziplinfremde bevölkern den | |
schmalen Weg. Inlineskater, Skateboardfahrer und vor allem unzählige | |
Jogger. Die Copacabana ist ein Magnet für Fitnessfetischisten. Um ihre | |
Bedürfnisse zu stillen, stehen hier am Strand immer wieder | |
Metallstangengerüste. Klimmzugtraining im öffentlichen Raum. Das ist es, | |
was viele hier offenbar kickt. Ist ja auch in Ordnung, würden die | |
Kraftmeier nicht auch noch die Radspur verstopfen. | |
Meinen Versuch, aus dem Wegesystem der Pedaleure auszuscheren, gebe ich | |
nach kurzer Zeit wieder auf. Die Straßen gehören ausschließlich den | |
motorisierten Fahrzeugen. Diese gewaltigen Blechlawinen im Rücken, die | |
hautnah an einem vorbeirauschen, dem kann man nicht lange standhalten. Wer | |
die Schleichwege nicht kennt, ist hoffnungslos verloren. | |
## Problemlos zu den Engländern radeln | |
So beschränke ich mich auf die gekennzeichneten Straßen mit dem | |
Fahrrademblem. Immerhin 300 Kilometer lang sollen sie insgesamt sein. Aber | |
sie führen eben nicht unbedingt dahin, wo ich sein möchte. Zu den | |
Engländern könnte ich noch problemlos radeln, weshalb ich ihnen gegen | |
Uruguay die Daumen gedrückt habe. Es hat leider nichts genutzt. | |
Nun muss ich eben meine Ziele und auch mein Tempo touristischer wählen. Ich | |
will mich nicht beschweren. Das Dahinzuckeln hat durchaus seine Vorzüge. | |
Den Duft von Fisch, Gegrilltem und Knoblauch an der Copacabana nimmt man | |
auf diese Weise umso intensiver war. Rio de Janeiro ist zwar sehr | |
wolkenverhangen an diesem Tag, aber 25 Grad dürfte es trotzdem warm sein. | |
Ich habe schon schlimmere Wintertage erlebt. Es ist ja gerade die „kalte“ | |
Jahreszeit in Brasilien. | |
Fußball-Winterspiele können durchaus schön sein, wird die Fifa vermutlich | |
bald argumentieren im Hinblick auf die WM in Katar 2022. Und wegen der | |
kürzeren Wege ist der kleine Wüstenstaat, der halb so groß wie Hessen ist, | |
sowieso zum Radfahren prädestiniert. Das soll dort nicht gehen? Vermutlich | |
ist das auch nur ein Vorurteil. | |
24 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
## TAGS | |
Ordem e Progresso | |
Fahrrad | |
Rio de Janeiro | |
WM 2014 | |
WM 2014 | |
Ordem e Progresso | |
Ordem e Progresso | |
Ordem e Progresso | |
Ordem e Progresso | |
Deutschland | |
Ordem e Progresso | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
WM-Kolumne Ordem e Progresso: Runde Popos, runde Bäuche | |
An brasilianischen Stränden herrscht rege Betriebsamkeit. Fliegende Händler | |
ziehen von Liege zu Liege. Ein teurer Spaß – doch das muss es nicht sein. | |
WM-Kolumne Ordem e Progresso: Freie Fahrt für Multitasking | |
Das Metroliniennetz hat sich eigenwillig über Rio gelegt. Inmitten eines | |
Zwischenraumes liegt der Flughafen. Der Weg ist frei – dank der WM. | |
WM-Kolumne Ordem e Progresso: Die WM ist wirklich super! | |
Dilma Rousseff kündigte die beste WM aller Zeiten an. Auch wenn es eine | |
unbequeme Wahrheit ist: Sie hatte recht – zumindest sportlich. | |
WM-Kolumne Ordem e progresso: „Verlorene Kugeln“ | |
Täglich sterben in Brasilien Menschen durch Polizeigewalt. Während der WM | |
jubeln bei den Spielen der Seleção trotzdem alle gemeinsam. | |
WM-Kolumne Ordem e Progresso: Die Kolportage des Unheilvollen | |
Salvador da Bahia ist eine spezielle Stadt. Wer sie zu Fuß durchwandert, | |
findet urbanen Verfall. Hier verdichten sich die Probleme Brasiliens. | |
WM-Kolumne Ordem e Progresso: Freibier vom deutschen Konsulat | |
In der deutschen Strandbar „Tor“ nahe der Copacabana wird in praller Sonne | |
Freibier gesoffen und Deutschland gegen Portugal geguckt. Die taz war | |
dabei. | |
WM-Kolumne Ordem e Progresso: Público zero | |
Das WM-Stadion in Salvador da Bahia wurde an den Bedürfnissen | |
brasilianischer Fans vorbei gebaut. Mitgeplant hat ein deutscher Architekt. |