| # taz.de -- WM-Kolumne Ordem e Progresso: Ich war Papst und spiele gut | |
| > Als deutscher Reporter in Brasilien wird man für die Leistung des | |
| > DFB-Teams mitverantwortlich gemacht. Vor so viel Lob kann man nur | |
| > kapitulieren. | |
| Bild: Papst Franziskus mit Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff. | |
| Schon vor dem Eröffnungsspiel dieser Weltmeisterschaft fing es an. Ein | |
| Kollege aus Guatemala klopfte mir anerkennend auf die Schulter, nachdem er | |
| meine Akkreditierung in Augenschein nahm. Man trägt sie hier ja wie | |
| Hundemarken um den Hals, damit man Zutritt zu den Pressebereichen erhält. | |
| „Gutes Team“, sagte er, als er sah, dass ich aus Deutschland kam. | |
| In der Zwischenzeit habe ich vor allem von Brasilianern, wenn sie von | |
| meiner Herkunft erfuhren, lächelnd und widerspruchslos so einiges Lob | |
| eingeheimst. Es würde doch nichts helfen, wenn ich erklären würde, dass ich | |
| selbst meinen Beitrag für das WM-Abschneiden der Deutschen nicht allzu hoch | |
| einschätze. Also spare ich mir diese kleinkarierten Einwände. Wir waren mal | |
| Papst, jetzt bin ich eben das Nationalteam und stehe gegen Brasilien im | |
| Halbfinale. Das hätte ich wirklich nicht erwartet. | |
| Ich möchte gar nicht wissen, wie sehr meine Landsleute hier mit Lob | |
| überschüttet werden, die so plakativ im Deutschlandtrikot herumlaufen. Und | |
| inzwischen betrachte ich die Brasilianer, die sich das Hemd mit dem Adler | |
| auf der Brust übergezogen haben – vorzugsweise die etwas ältere rot-schwarz | |
| gestreifte Variante – mit ganz anderen Augen. | |
| Zwischen drei und sechs Portugiesisch sprechende Deutschlandfans zähle ich | |
| pro Tag. Und es werden tendenziell mehr. Ich habe schon über deren | |
| Beweggründe gerätselt. Dabei liegen sie ja auf der Hand: Sie wollen einfach | |
| auch mal gelobt werden. Das Hemd der Seleção würde da wenig helfen. Sich | |
| selbst loben, das macht man gewiss auch in Brasilien nicht. | |
| Und andere Hemden, die derartige Anerkennung einbringen könnten, sind rar. | |
| Das kolumbianische Leibchen bringt nach Neymars WM-Aus nur noch Ärger ein | |
| und ist tabu. Aber davor war es in Rio de Janeiro genauso wenig käuflich zu | |
| erwerben wie das Trikot von Costa Rica. Mit diesen toll aufspielenden Teams | |
| hat die Textilindustrie offenkundig nicht gerechnet. Stattdessen erhält man | |
| problemlos das türkische, schwedische oder neuseeländische Trikot und dafür | |
| dann genauso problemlos Blicke voller Mitleid. | |
| Absolute Mangelware sind dagegen Flugtickets nach Belo Horizonte, wo | |
| Brasilien und Deutschland aufeinandertreffen. Während ich im Reisebüro | |
| sitze, steigen die Preise minütlich. Eine Auskunft, die ich erhalte, ist | |
| kurz darauf schon wieder überholt, weil irgendwo jemand anderes schneller | |
| zugeschlagen hat. Aber ich muss da unbedingt hin! Schließlich haben mir | |
| schon etliche zum Halbfinal-Einzug gratuliert. | |
| Nachdem ich der netten Frau hinter dem Computer erklärt habe, wo ich | |
| herkomme, sieht sie das ganz genauso. Sie legt sich noch mehr ins Zeug und | |
| gestattet keine Zwischenfragen mehr. Und dieses Mal haben wir Erfolg. Jetzt | |
| sind wir beide glücklich. „Das wird kein einfaches Spiel“, sagt sie | |
| lachend. Ich pflichte ihr bei. Sie soll keinesfalls denken, ich würde die | |
| Partie nicht ernst nehmen. | |
| 8 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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