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# taz.de -- Fußball-WM 1978 in Argentinien: Manifest der Verantwortungslosigke…
> Kurz nach dem Putsch der Militärjunta gastierte die WM 1978 in
> Argentnien. Im deutschen Fußball wollte man davon nichts wissen.
Bild: Der argentinische Junta-Chef, General Jorge Videla, bei der Pokalübergab…
Argentinien gegen die Niederlande, das ist immer auch die Wiederauflage des
WM-Endspiels von 1978. Argentinien gewann 3:1 nach Verlängerung und wurde
im eigenen Land Weltmeister – sehr zur Freude einer Militärjunta, die
gleichzeitig Zehntausende Menschen entführte, folterte und ermordete, bei
der Weltmeisterschaft jedoch das schöne Image von Fußball, Rindersteaks und
begeistert jubelnder Bevölkerung in der Welt verbreiten konnte. Argentinien
1978, das ist auch ein Manifest der Verantwortungslosigkeit – vonseiten der
Fifa, der Spieler, der Medien und der nationalen Fußballverbände.
Besonders der Deutsche Fußballbund (DFB) tat sich als Unterstützer der
Militärjunta hervor. In einem Interview rechtfertigte der damalige
DFB-Präsident Hermann Neuberger wenige Monate vor der WM den Militärputsch.
Vor der Machtübernahme der Militärs sei das Land zerfallen gewesen und im
Chaos versunken.
Ein Jahr zuvor, Anfang Juni 1977, hatte der deutsche Theologe Helmut Frenz
in einem „Wort zum Sonntag“ die Menschenrechtsverletzungen in Argentinien
angeprangert und gefragt: „Ob einer unserer Fußball-Funktionäre einmal in
den Regierungspalast gegangen ist? Ob er den dortigen Militärdiktatoren die
Verachtung der Menschenrechte in ihrem Land vorgehalten und die Freilassung
der politischen Gefangenen gefordert hat?“
Es war nach dem Freundschaftsspiel Deutschlands gegen Argentinien und der
Ermordung der Deutschen Elisabeth Käsemann, die der DFB und das Auswärtiges
Amt geheim gehalten hatten, um das Spiel nicht zu gefährden. Neuberger
wandte sich an Franz Mai, den Intendanten des Saarländischen Rundfunks, und
forderte, „dass sich solche Dinge nicht wiederholen“.
Frenz durfte nie wieder ein „Wort zum Sonntag“ sprechen, war dann aber, als
Generalsekretär von Amnesty International gemeinsam mit dem Freiburger
Menschenrechtsanwalt Konstantin Thun federführend an der Amnesty-Kampagne
„Fußball ja – Folter nein!“ beteiligt.
## Keine Boykott-Diskussion in Deutschland
Nicht nur in Deutschland versuchten Menschenrechtsorganisationen,
anlässlich der WM in Argentinien auf die massiven
Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen, manche forderten einen Boykott der
Spiele. Mindestens in Frankreich, Schweden und den Niederlanden wurde
darüber auch breit diskutiert – nicht so in Deutschland, wo von ganz oben
geleugnet wurde, dass es in Argentinien überhaupt ein Problem gab.
Bundestrainer Helmut Schön, der bei einem Interview mit dem ZDF auf dem
leeren Rasen des River-Plate-Stadions plötzlich von Militärs umstellt war,
die das Verlassen des Stadions verlangten, beharrte, er habe in Argentinien
nichts gesehen, was auf eine Diktatur deute.
Die Antworten deutscher Spieler auf die Frage, ob sie ein Problem damit
hätten, dort zu spielen, sind längst Legende. Dabei spiegelten Kaltz, Vogts
und die anderen nur auf besonders einfältige Weise, was offizielle
Außenpolitik unter der Regierung Schmidt/Genscher war. Nicht umsonst
entwickelte sich Deutschland zum größten Waffenlieferanten der
argentinischen Diktatur – und nicht umsonst auch war das deutsche
Spielerquartier während der WM in einem Erholungsheim der argentinischen
Luftwaffe untergebracht.
All das ist Geschichte, und auch wenn sich der DFB bis heute keinerlei Mühe
gegeben hat, sich mit seiner eigenen Rolle auseinanderzusetzen und es
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach abgelehnt hat, in einem Dokumentarfilm zum
Fall Käsemann zu sprechen und Argentinien 1978 inzwischen mit Udo Jürgens
und der Niederlage gegen Österreich assoziiert wird –, so möchte man doch
annehmen, dass sich ein solches Versagen nicht wiederholt.
Zwar meint Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke: „Wenn es ein starkes
Staatsoberhaupt mit Entscheidungsgewalt gibt, vielleicht wie Putin sie 2018
hat, ist es für uns Organisatoren leichter.“ Zwar meint Franz Beckenbauer
nach zahlreichen Berichten über die grausamen Arbeitsbedingungen in Katar,
er habe dort „noch keinen einzigen Sklaven gesehen“. Aber solche Zitate
gelten heute nicht mehr als Weisheiten, sondern als Skandal. 1978 ist doch
schon länger her.
9 Jul 2014
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
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Argentinien
Junta
Diktatur
Deutscher Fußballbund (DFB)
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