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# taz.de -- Manipulation bei der Fußball-WM 1978: Sechs Tore, sechsmal Bestech…
> Sechs Fußballer wurden bei der WM 1978 bestochen, damit Gastgeber
> Argentinien ins Finale kam. Das räumt ein Ex-Profi aus Peru ein.
Bild: Und wieder ein erkaufter Jubel: Peru verlor mit 0:6
Perus Altinternationaler Jose Velazquez Castillo stürzte dieser Tage die
Andenrepublik in große Aufregung. Er gab zu, dass sich sechs Spieler seiner
Mannschaft bestechen ließen, um während der WM 1978 den Gastgebern einen
Sieg mit mindestens vier Toren Differenz zu ermöglichen. Das machte
Letzteren den Weg ins Finale frei. Druck hätten dabei sowohl Argentiniens
damaliger Diktator Jorge Videla als auch US-Außenminister Henry Kissinger
bei einem Besuch in der Kabine ausgeübt.
Castillos Interview löste Gegendarstellungen aus. Ein weiterer Mitspieler
offenbarte aber auch, dass es parallel Bestechungsversuche Brasiliens
gegeben habe. Hätte Argentinien mit drei Toren oder weniger gewonnen oder
gar nur remis gespielt, wäre Brasilien mit Superstar Zico ins Finale
gekommen. So gelang das den von Mario Kempes angeführten Argentiniern nach
einem 6:0-Erfolg über Peru.
Velazquez’ Erklärungen sind ein weiterer Beleg für die lange
Manipulationsgeschichte im Weltfußball. Das bereits wegen der damaligen
Militärherrschaft im Gastgeberland schwer in Misskredit geratene Turnier
hat nun noch einen weiteren Imageschaden erhalten. Gerüchte gab es schon
lange. Augenzeugen kritisierten die Schiedsrichterleistung des Franzosen
Robert Wurtz, der angeblich pfiff, was er konnte, um den Gastgebern zu
Eckstößen und Freistößen zu verhelfen.
1999 schilderte der britische Journalist David Yallop in seinem Buch „Wie
das Spiel verlorenging“ bereits den Auftritt von Varela und Kissinger in
der Kabine. Er mutmaßte, dass drei peruanische Spieler für jeweils 20.000
Dollar gekauft worden seien und dass die argentinische Junta Peru eine
Lieferung von 35.000 Tonnen Getreide an Peru lieferte sowie einen zuvor
eingefrorenen 50-Millionen-Dollar-Kredit an Peru wieder frei gab.
## Gefangenenaustausch inklusive?
Im Jahre 2012 bestätigte der peruanische Linkspolitiker Genaro Ledesma
Izquieta vor einem argentinischen Gericht Absprachen zwischen Videla und
dem peruanischen Diktator Francisco Morales Bermúdez über dieses Spiel.
Teil davon sei auch ein Gefangenenaustausch gewesen, von dem Ledesma selbst
profitiert hätte. Videla und Bermudez waren in die von den USA organisierte
„Operation Condor“ involviert, die sich vor allem gegen linke politische
Kräfte in Lateinamerika gerichtet hatte.
Der Besuch von US-Außenminister Kissinger und Diktator Varela in der Kabine
der Peruaner passt da ins Bild. „Videla kam mit Kissinger herein. Er sprach
zu uns von den ‚argentinischen Brüdern‘. Er las uns ein Kommuniqué von
Morales Bermudez vor, das betonte, dass wir immer zusammengearbeitet haben,
dass sie uns verteidigt hätten. Das alles wirkte wie ein versteckte Drohung
für uns“, erzählte Velazquez der peruanischen Zeitschrift Trome. Er nannte
vier Spieler, die sich angeblich bestechen ließen: Rodulfo Manzo, Raúl
Gorriti, Juan José Muñante und Ramón Quiroga.
„Zwei weitere kann ich euch nicht nennen, denn sie haben große Karrieren
gemacht“, fügte er hinzu. Velazquez erwähnte auch, er hätte sich mit
anderen Mitspielern dafür eingesetzt, dass Keeper Quiroga gegen Argentinien
nicht aufgestellt werde, weil dieser in Argentinien geboren wurde. „Sie
haben uns das einen Tag vorher zugesichert. Dann aber war er doch die
Nummer 1“, sagte Velazquez.
Quiroga kam einige Mitschuld an den Gegentreffern zu. In einem Interview
vor zwei Jahren stritt er aber ab, jemals Geld für dieses Spiel erhalten zu
haben. Merkwürdig fand er das Match jedoch auch. „Bei zwei Treffern standen
die Argentinier im Abseits. Der Schiedsrichter hat einfach in die andere
Richtung geguckt“, meinte er.
## Bizarrer Auftritt von Videla und Kissinger
Juan José Muñante, ein anderer der von Velazquez beschuldigten Mitspieler,
meldete sich jetzt völlig empört zu Wort: „Der ist total verrückt, der
deliriert“, schimpfte er. „Ich lege meine Hand ins Feuer, dass alles mit
rechten Dingen zuging.“ Nun ja, ganz so recht wohl doch nicht. Zeitgleich
mit Muñantes Versuch des Abstreitens gab mit Germán Leguía ein anderes
Mitglied jener 1978er-Auswahl ein Interview. Er bestätigte den bizarren
Auftritt von Videla und Kissinger während der Weltmeisterschaft in der
Kabine. Und auch er erzählt von einem Angebot von der Gegenseite: „Es gab
ein Angebot an uns von Brasilien, dass wir nur 3:0 verlieren oder sogar
gewinnen sollten. Sie offerierten uns 10.000 Dollar pro Person, nicht nur
für die, die spielten, sondern für alle.“
Nach der willenslosen Vorstellung bei der 0:6-Niederlage hätten die
Brasilianer die Peruaner beschimpft. „Sie haben fast den Bus angezündet“,
schildert Leguía das Nachspiel. Diktatoren und Strippenzieher aus dem State
Department in der Kabine sind offenbar deutlich gewichtiger als lediglich
Bestechungsgeld. Es bestätigt sich mal wieder: Fußball ist mehr als nur ein
Sport.
17 Mar 2018
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Fußball
Peru
Argentinien
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Spielmanipulation
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WM 2014
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