| # taz.de -- Zum Tod des argentinischen Ex-Diktators: Bis zuletzt ohne Reue | |
| > Jorge Rafael Videla war für Entführungen, Folter und Mord verantwortlich. | |
| > Für ihn waren das keine Verbrechen, sondern Dienst am Vaterland. | |
| Bild: Jorge Rafael Videla, 1978 auf dem Höhepunkt seiner Macht. | |
| BUENOS AIRES taz | Argentiniens Ex-Diktator Jorge Rafael Videla ist tot. | |
| Der ehemalige Chef der Militärjunta starb am Freitag im Alter von 87 Jahren | |
| im Gefängnis Marcos Paz in der Provinz Buenos Aires gestorben. Er soll | |
| friedlich entschlafen sein, hieß es aus dem Gefängnis. | |
| Videla übernahm 1976 als Chef der Militärjunta in Argentinien die Macht und | |
| errichtete ein diktatorisches Regime. Er wurde dreimal wegen Verbrechen | |
| gegen die Menschlichkeit zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Während | |
| der Diktatur, die 1983 endete, verschwanden rund 30.000 Menschen spurlos | |
| oder wurden nachweislich ermordet. | |
| Als oberster Chef der Streitkräfte hatte Videla zusammen mit Admiral Emilio | |
| Massera und General Orlando Agosti am 24. März 1976 die damalige | |
| Präsidentin María Estela Martínez de Perón aus dem Amt geputscht, die ihn | |
| selbst einige Monate zuvor zum Oberkommandanten ernannt hatte. Als | |
| De-facto-Präsident löste er die Parteien auf und schaffte das Parlament ab. | |
| Was folgte, war eine als „Prozess der nationalen Reorganisation“ | |
| bezeichnete Herrschaft, unter der politische Gegner gnadenlos verfolgt und | |
| unter Wirtschaftsminister Martinez de Hoz eine radikal neoliberale | |
| Wirtschaftspolitik eingeführt wurde. | |
| ## Folter und Mord | |
| Nach der Rückkehr zur Demokratie 1983 wurde Videla in einem Prozess gegen | |
| die Kommandanten 1985 zu lebenslanger Haft verurteilt. Fünf Jahre später | |
| begnadigte ihn jedoch der damalige Präsident Carlos Menem. Der Gnadenerlass | |
| wurde 2007 wieder aufgehoben. Im Dezember 2010 wurde Videla wegen Folter | |
| und mehrfachen Mordes erstmals zu lebenslanger Haft verurteilt und saß | |
| seine Strafe im Gefängnis auf dem Militärgelände Campo de Mayo in der | |
| Provinz Buenos Aires ab. | |
| „Wir mussten eine große Anzahl Menschen beseitigen.“ Mit solchen Worten | |
| hatte Videla noch knapp 35 Jahre nach dem Putsch die Ermordung von | |
| tausenden politischen Gegnern während des Militärregimes zugegeben. Unter | |
| der Diktatur seien „7.000 oder 8.000 Personen“ in einem „Krieg gegen die | |
| Untergrundbewegungen“ getötet worden, sagte er. „Unser Ziel war es, eine | |
| anarchisierte Gesellschaft zu disziplinieren.“ | |
| Die Aussagen stammen aus Buch „Disposición Final“ des Journalisten Ceferino | |
| Reato, der Videla zwischen Oktober 2011 und März 2012 im Gefängnis | |
| interviewte. Videla selbst bezeichnet darin das Morden als „Disposición | |
| Final“, als letzte Bestimmung. „Die Bezeichnung ‘Endlösung‘ wurde nie | |
| benutzt,“ so Videla. Letzte Bestimmung sei die gängigste Formulierung | |
| gewesen. „Das sind zwei militärisch oft benutze Wörter. Sie bezeichnen eine | |
| Sache, die wegen ihrer Unbrauchbarkeit außer Dienst gestellt wird,“ sagte | |
| er. | |
| ## Dienst für das Vaterland | |
| Reue zeigte er nie. Im Prozess um den Raub von Kindern während der | |
| Militärdiktatur nannte er die Mütter „Terroristinnen“, die ihre ungeboren… | |
| Kinder als menschliche Schutzschilde benutzt hätten. Frauen, die als | |
| „Subversive“ in Gefangenschaft Kinder zur Welt brachten, wurden die Babys | |
| weggenommen und zum größten Teil an kinderlose Militärfamilien | |
| weitergegeben. Bis heute suchen die Organisationen „Abuelas de Plaza de | |
| Mayo“ (Großmütter der Plaza de Mayo) und „Hijos“ (Söhne) nach solchen | |
| Kindern. | |
| Die Verurteilung zu 50 Jahren Gefängnis im Juli vergangenen Jahres nahm | |
| Videla als Beitrag zur Aussöhnung und als weiteren Dienst für das Vaterland | |
| an. Hinweise zum Schicksal der verschwundenen Kinder gab er nicht. In dem | |
| gut eineinhalb Jahre dauernden Verfahren wurden 35 exemplarische Fälle von | |
| Kindesraub verhandelt. Sie sollten zeigen, dass den Verbrechen ein | |
| systematischer Plan zur illegalen Aneignung der Neugeborenen von | |
| regimefeindlichen Frauen in der Haft zugrunde lag. | |
| Für die Vorsitzende der Großmütter der Plaza de Mayo, Estela de Carlotto, | |
| hat mit dem Tod von Videla „ein verachtenswertes Wesen die Welt verlassen“, | |
| der nie Reue zeigte. „Die Geschichte wird sicher einmal das, was wir | |
| Argentinier unter der Diktatur erleiden mussten, als Völkermord | |
| bezeichnen.“ | |
| 19 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Vogt | |
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