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# taz.de -- Transatlantisches Verhältnis: Es bröckelt
> Die NSA-Affäre beschädigt die deutsch-amerikanische Beziehung. Ein
> überbordendes Sicherheitsbedürfnis trifft auf vielleicht übertriebene
> Sensibilität.
Bild: Skrupellose Dienste gefährden die Freundschaft: Merkel und Obama im Juni…
BERLIN taz | Ruprecht Polenz gehört zu einer Spezies, die im Laufe der
NSA-Affäre leiser wurde. Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete ist
überzeugter Transatlantiker. Seit Jahrzehnten beobachtet er die Beziehungen
zwischen den USA und Deutschland, zuletzt war er Chef im Auswärtigen
Ausschuss.
„Die NSA-Debatte ist gefährlich für das deutsch-amerikanische Verhältnis�…
sagt Polenz. „Sie beschädigt wichtige Einsichten, die in Deutschland lange
unumstritten waren.“ Je länger man Polenz zuhört, desto klarer wird, dass
er sich wirklich sorgt um einer Partnerschaft, auf die Jahrzehnte Verlass
war.
Deutsch-amerikanisches Verhältnis, der Begriff beschreibt das fragile
Geflecht ungezählter Verbindungen und Abneigungen zwischen zwei Staaten.
Vor gut einem Jahr wurde der erste Lauschangriff der NSA in Deutschland
bekannt, seit ein paar Tagen steht der Vorwurf im Raum, dass der
US-Geheimdienst Akten von einem BND-Mitarbeiter kaufte.
Die Deutschen mussten lernen, wie skrupellos Dienste sich Informationen
beschaffen, wie allumfassend ihre Spähattacken sind und dass Staaten keine
Freundschaften kennen, sondern nur Interessen.
Wie schätzen Transantlantiker die Folgen der NSA-Affäre für die seit 1945
gewachsene Bindung ein? Alexander Graf Lambsdorff, Chef der FDP-Gruppe im
Europaparlament und Vorstand des deutsch-amerikanischen Vereins
Atlantik-Brücke, sagt: „Der Schaden ist immens: Die öffentliche
Unterstützung in Deutschland für die transatlantischen Beziehungen
bröckelt.“
## Vertrauen zerstört
Omid Nouripour, Grünen-Außenpolitiker und ebenfalls im Brücke-Vorstand,
sagt: „Viel Vertrauen ist zerstört worden.“
Und Lora Anne Viola, die am Berliner John-F.-Kennedy-Institut amerikanische
Außenpolitik erforscht, sagt: „Die Selbstverständlichkeit, die die
Beziehung der Staaten lange charakterisierte, ist verloren gegangen.“ Die
Deutschen seien misstrauischer geworden.
Eine Spiegel-Umfrage zeigt, dass die Skepsis in Deutschland wächst. 57
Prozent der Befragten sprachen sich für eine größere Unabhängigkeit
Deutschlands von den USA aus. 69 Prozent sagten, ihr Vertrauen in die USA
sei gesunken. 40 Prozent fanden, Deutschland solle mit Russland stärker
zusammenarbeiten. Einem Staat, der die Krim widerrechtlich annektierte.
Für Transatlantiker sind das alarmierende Befunde. „Die amerikanische
Regierung unterschätzt die Sprengkraft, die die NSA-Debatte für die
deutsche Öffentlichkeit besitzt“, sagt Polenz. Die Deutschen hätten zweimal
erlebt, wie der Staat zum Feind der Bürger werden könne - in der Nazi-Zeit
und in der DDR. „Solche Erfahrungen kennen die Amerikaner nicht.“ Sie
könnten die deutsche Sensibilität beim Datenschutz schwer nachvollziehen.
„Der Konflikt um die Geheimdienste hat auch eine psychologische
Komponente.“
## Psychologische Einstellung
Der FDPler Lambsdorff arbeitete während der Terrorangriffe am 11. September
2001 als Presseattaché der Deutschen Botschaft in Washington. Nach dem
Anschlag stellten seine Frau und er Kisten mit Taschenlampen und
Energieriegeln in die Garage. „9/11 hat die psychische Einstellung einer
ganzen Nation verändert.“
Lambsdorff glaubt, dass das Trauma bis heute wirkt. Die meisten der
Attentäter kamen aus Deutschland, Mohammed Atta lebte vor dem Anschlag in
Hamburg. Dann kam die Sauerland-Gruppe, in Städten wie Bonn gebe es ein
Salafistenproblem, zählt Lambsdorff auf. „Aus amerikanischer Sicht heißt
das: Deutschland hat seine Sicherheitsbelange nicht ausreichend unter
Kontrolle.“
Zwei Befindlichkeiten treffen also in der NSA-Affäre aufeinander: ein
vielleicht überbordendes Sicherheitsbedürfnis der Amerikaner und eine
vielleicht übertriebene Sensibilität der Deutschen. Beides vereinfacht die
Dinge nicht unbedingt.
## Das Kamel und der Halm
Lambsdorff glaubt, dass der aktuelle Fall des mutmaßlichen Spions beim BND
Vorbehalte verschärft. In normalen Zeiten hätte er nur das Zeug für eine
Kurzmeldung gehabt. „Aber es kam eben nach einer langen Vorgeschichte. Wenn
man so will: The straw that broke the camels back.“ Der Tropfen, der das
Fass zum Überlaufen bringt.
Lambsdorff will die Übergriffe der NSA nicht rechtfertigen. „Aber das, was
beide Staaten verbindet, rückt dadurch in den Schatten.“ Nach wie vor
kooperierten Unternehmen eng, reisten Tausende Urlauber über den Atlantik,
rissen sich Schüler und Studenten um Austauschprogramme. „Deutschland und
Amerika teilen ein gemeinsames Wertegerüst. Das sieht bei Indien, China
oder Russland ganz anders aus.“
Dieser Punkt treibt auch Konservative wie Polenz um. Hinter der NSA-Affäre
steht auch eine geopolitische Frage. Was bedeutet es, wenn eine wachsende
Zahl der Deutschen autoritäre Regime für vertrauenswürdiger hält als
Amerika? „Die USA stehen zu Recht in der Kritik“, sagt Polenz. „Mir gerät
allerdings zu sehr in Vergessenheit, dass andere globale Mächte wie
Russland oder China in diesen Bereichen katastrophal agieren.“
Die Spannungen überschatten auch die Verhandlungen über das
Freihandelsabkommen TTIP. Grüne und Linke würden sie am liebsten neu
starten. Polenz ärgern Forderungen, über TTIP Druck auf die USA auszuüben.
„Der Westen kann mit diesem Abkommen die Normen setzen, die wir für richtig
halten.“ Nach 1945 sei es dem Westen immer wieder gelungen, Werte wie
Freiheit, Aufklärung und Menschenrechte weltweit zu verankern, etwa in der
Charta der Vereinten Nationen. „TTIP ist die Chance, diese Tradition
fortzusetzen.“
8 Jul 2014
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
NSA
Deutschland
Amerika
NSA-Affäre
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt TTIP
Europäische Bürgerinitiative
USA
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CIA
US-Außenpolitik
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