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# taz.de -- Pro-Palästina-Kundgebungen: Nahost-Konflikt kommt näher
> Gegen den Krieg? Oder gegen die Juden? Teilnehmer propalästinensischer
> Demonstrationen sorgen mit zweifelhaften Parolen für Diskussionen.
Bild: Wo endet die Meinungsäußerung, wo beginnt Antisemitismus? Palästinense…
Der Ton ist moderat geblieben: Rund 150 Teilnehmer einer
propalästinensischen Kundgebung haben am Montag friedlich vor der Botschaft
Israels protestiert. Sie skandierten Slogans wie „Stoppt den Mord, stoppt
den Krieg“ und „Freiheit für Palästina“. Die Polizei hatte die Straße …
der Botschaft abgesperrt und war mit rund 200 Beamten im Einsatz. Zuvor
hatte sie den Veranstaltern Auflagen erteilt.
Hintergrund ist der sich seit Wochen zuspitzende Konflikt um den
Gazastreifen zwischen der israelischen Armee und der Hamas. Der Protest vor
der israelischen Botschaft in Grunewald wurde angemeldet nach den schweren
Kämpfen am Sonntagvormittag in Gaza, bei dem mindestens 60 Menschen ums
Leben kamen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder.
Laut Ali Maarouf, Sprecher des Palästinensischen Bundes Deutschland, der
die Kundgebung am Montag unterstützt hat, habe das Vorgehen der
israelischen Armee die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern auch
in Berlin noch einmal angeheizt. Maarouf sprach von einem „Massaker“.
Bereits in den vergangenen Tagen waren während Protesten in Berlin
skandalträchtige Parolen gerufen worden: am Mittwoch bei einem Marsch durch
Kreuzberg etwa „Kindermörder Israel“, am Donnerstagabend unter anderem
„Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“ auf einer
Kundgebung in Charlottenburg.
Die jüdische Organisation American Jewish Committee (AJC) hat nach
letzterem Vorfall Anzeige erstattet. „Das ist eine klare
Grenzüberschreitung zum Antisemitismus“, sagte AJC-Sprecher Fabian
Weißbarth der taz, „offener geht es nicht mehr.“ Er habe zudem beobachtet,
dass das auf propalästinensischen Protesten „von Tag zu Tag häufiger
vorkommt“.
## Polizei bleibt defensiv
Ein Grund dafür sei das defensive Verhalten der Polizei, die, obwohl sie
die Parolen gehört haben muss, bisher in solchen Situationen nicht
eingeschritten ist. Weißbarth forderte die Polizei auf, ihre Taktik zu
ändern. „Wenn solche Parolen gerufen werden, muss die Polizei sofort
zeigen, dass eine Grenze überschritten wird. Passiert das nicht, stärkt es
das Selbstbewusstsein der Demonstranten, noch häufiger solche Parolen zu
rufen.“
Nach Angaben der Polizei ist ein Einschreiten nicht möglich, weil die Rufe
nicht den Tatbestand der Volksverhetzung und damit einer Straftat erfüllen
würden – auch der Ruf „Jude, Jude, feiges Schwein, …“ nicht. Es handelt
sich dabei höchstens um eine Beleidigung, wie die Berliner
Staatsanwaltschaft nach einer vorläufigen Untersuchung erklärt habe, sagte
Polizeisprecher Stefan Redlich der taz.
Die Parolen „Kindermörder Israel“ oder „Kindermörder Netanjahu“ seien
zulässige Meinungsäußerungen. Allerdings werde man ab sofort bei allen
propalästinensischen Protesten den Veranstaltern die Auflage machen, den
„Jude, Jude“-Slogan nicht mehr zu skandieren, ebenso wie „Tod, Tod, Israe…
und „Tod den Israelis“. Diese Auflage galt bereits am Montag vor der
Botschaft Israels.
Redlich betonte, dass das Gesetz zwar Volksverhetzung verbiete, aber nicht
antisemitische Äußerungen: „Wir können nur eingreifen aufgrund der
Gesetze.“ Ähnlich ist Innensenator Frank Henkel (CDU) zu verstehen, der am
Montag erklärte, die Polizei werde „unter Wahrung des Rechts auf
Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit gegen antisemitische
Äußerungen konsequent vorgehen“.
Offensichtlich volksverhetzend ist laut Redlich hingegen der Inhalt eines
seit dem Wochenende auf YouTube verbreiteten Videos, das offenbar einen
Imam bei seiner Predigt am vergangenen Freitag in der Berliner
Al-Nur-Moschee zeigt. Dieser ruft laut der englischsprachigen Untertitelung
darin Gott auf, zionistische Juden zu vernichten.
## Hass gegen Israel
Bis Montagnachmittag waren zehn Anzeigen gegen das Video bei der Berliner
Polizei eingegangen. Derzeit werde der eineinhalb Minuten lange Film von
einer Islamwissenschaftlerin analysiert, so Redlich. Unklar sei bisher, ob
das Video tatsächlich erst am Freitag entstanden sei, denn zeitliche Bezüge
fehlten.
Auch in den kommenden Tagen sind propalästinensische Kundgebungen
angemeldet, berichtet Ali Maarouf: Donnerstag ab 23 Uhr etwa eine
Trauernacht auf dem Hermannplatz. Auch der traditionell israelkritischen
Al-Quds-Demonstration am Freitag werden sich angesichts der aktuellen Lage
seiner Meinung nach zahlreiche Palästinenser anschließen.
Maarouf betont, dass seine Organisation versuche, auf die Teilnehmer der
Proteste mäßigend einzuwirken – jene sollten keine hetzerischen Parolen
rufen, keine politischen Bilder tragen, keine Fahnen verbrennen. „Wir
versuchen, was wir können“, so Maarouf.
Ob das reicht? Die Polizei rechnet bei der Demo am Freitag über den Ku‘damm
mit mehreren tausend Teilnehmern. Zu den jährlich stattfindenden
Aufmärschen hatte im Jahr 1979 der iranische Revolutionsführer Ajatollah
Khomeini aufgerufen, um weltweit Hass gegen Israel zu propagieren.
Auch zwei Gegenkundgebungen, zu denen unter anderem die Linkspartei
mobilisiert, sind geplant. „Angesichts einer durch Deutschland schwappenden
Welle des Antisemitismus stellen wir uns gegen jede Form von
Antisemitismus“, sagte der Landesvorsitzende der Linken, Klaus Lederer. Wer
die israelische Politik kritisiere, dürfe über Terror und Antisemitismus
der Hamas nicht schweigen.
21 Jul 2014
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
Bert Schulz
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