# taz.de -- Antisemitismus auf Pro-Gaza-Demos: „Nazimörder Israel“ | |
> Gaza-Aktivisten in Berlin, Essen und Göttingen wurden massiv übergriffig. | |
> Und nach einer solid-Demo streitet sich auch die Linkspartei. | |
Bild: Teilnehmer der Gaza-Solidaritätsdemo in Essen. | |
BERLIN/GÖTTINGEN taz | In mehreren deutschen Städten ist es am Wochenende | |
im Zuge von Demonstrationen zu Übergriffen von Anti-Israel-Aktivisten auf | |
Pro-Israel-Sympathisanten gekommen. | |
In Göttingen eskalierte eine von propalästinensischen Gruppen veranstaltete | |
„Demonstration für Gaza“. Zwischen Teilnehmern dieser Demonstration und | |
einer kleinen Gegenkundgebung mit Israelfahnen kam es laut Polizei zu | |
„körperlichen Auseinandersetzungen“. Beim Versuch, die Gruppen zu trennen, | |
setzen Beamte Schlagstöcke ein. Es gab Verletzte. | |
An der Gaza-Kundgebung beteiligten sich rund 600 Menschen, neben | |
Palästinensern auch Göttinger Antifas. „Keine antisemitischen Äußerungen!… | |
hieß es in dem Aufruf. „Wir sind nicht gegen Juden, wir sind gegen die | |
israelische Regierungspolitik.“ An der Veranstaltung des Bündnisses gegen | |
Antisemitismus und Islamismus in Sichtweite der Gaza-Demo beteiligten sich | |
etwa 40 Personen. | |
Es gab verbale Auseinandersetzungen – „Kriegstreiber“ und „Kindermörde… | |
skandierten die einen, „Lang lebe Israel“ und „Free Gaza from Hamas“ die | |
anderen. Dann versuchten Teilnehmer der propalästinensischen Demo, | |
Gegendemonstranten die Israelfahnen zu entreißen. Polizisten, die sich | |
zwischen die Gruppen stellten, wurden von Gaza-Demonstranten überrannt. Die | |
Polizei ermittelt unter anderem wegen Körperverletzung. | |
In Berlin beschimpften Aktivisten nach einer Gaza-Demo am Samstag ein | |
zufällig vorbeilaufendes israelisches Ehepaar mit Slogans wie „Nazimörder | |
Israel“. | |
## Pro-Israel-Demo eingekesselt | |
Bereits am Freitag mündete eine von der Linkspartei-Jugend solid in NRW | |
veranstalteten Pro-Gaza-Demo in Auseinandersetzungen. Die Kundgebung von | |
etwa 2000 Demonstranten mit Türkei- und Palästinafahnen verlief friedlich. | |
Laut WDR-Angaben gab es keine sichtbaren Hinweise darauf, dass sich Nazis | |
oder Hamas-Aktivisten beteiligten. Die Ordner der Demo sollten | |
Hamas-Symbole entfernen. | |
Doch nach Ende der Kundgebung kesselten rund 200 Pro-Gaza-Aktivisten vor | |
dem Bahnhof eine hundertköpfige Pro-Israel-Demonstration „Gegen | |
Antizionismus und Terror“ ein. Es flogen Flaschen. Die Polizei legte einen | |
Schutzring um die Pro-Israel-Demonstration und musste mit einem Großeinsatz | |
eine Eskalation verhindern. | |
Zuvor hatte die Polizei 14 Verdächtige festgenommen, die einen Anschlag auf | |
die Alte Essener Synagoge, ein Museum und Kulturzentrum, geplant haben | |
sollen. Es gibt bislang keine Indizien für einen Zusammenhang mit der | |
solid-Demo. | |
## Ein „Unding“ | |
NRW-Linksparteichef Ralf Michalowsky erklärte, dass die Einkesselung der | |
Pro-Israel-Demo allein auf das Konto der Polizei gehe – obwohl die | |
aggressive Gruppe zuvor auch an der solid-Demo teilgenommen hatte. | |
In der Linkspartei hagelt es Kritik an Michalowsky, der auf der Demo in | |
Essen sprach. Der Landeschef der Linkspartei in Sachsen-Anhalt, Wulf | |
Gallert, legte Michalowsky den Rücktritt nahe. Wenn „der die Verantwortung | |
für antisemitische Hetze auf/nach seiner Demo ablehnt, sollte er sich | |
gänzlich davon befreien“, twitterte Gallert. Bundesgeschäftsführer Matthias | |
Höhn erklärte, es sei ein Unding, dass „auf und nach einer Kundgebung“ der | |
Linkspartei „antisemitische Parolen skandiert wurden, dass Flaschen und | |
Steine auf proisraelische Demonstranten geworfen wurden“. | |
Schon der solid-Aufruf für die Demo war kritisiert worden. Denn darin wurde | |
einseitig Israel für die Gewalt in Nahost verantwortlich gemacht, die Hamas | |
und der Raketenbeschuss aber gar nicht erwähnt. Auch der | |
Bundestagsabgeordnete Niema Movassat, wie Michalowsky Teil des linken | |
Parteiflügels, sprach auf der Kundgebung. Er hält die Demo für richtig, | |
nicht aber den solid-Aufruf. Es sei falsch gewesen, auf Kritik an den | |
Hamas-Raketen zu verzichten. Im Kessel der Pro-Israel-Demonstranten sprach | |
ebenfalls ein Linkspartei-Abgeordneter: der Brandenburger Harald Petzold. | |
20 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
Stefan Reinecke | |
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