| # taz.de -- Eskalation bei Demo in Bremen: Israelfeinde außer Kontrolle | |
| > Bei einem Spontanprotest gegen israelische Militäreinsätze kommt es zu | |
| > einer Attacke auf einen taz-Redakteur. Die Rolle der Polizei ist | |
| > zweifelhaft. | |
| Bild: Aus dem Ruder gelaufen: Bremer Demonstration gegen israelische Militärei… | |
| BREMEN taz | Sonntagnacht, zwischen zwölf und ein Uhr früh. „Kindermörder | |
| Israel!“ und „Allahu Akbar!“ (Gott ist groß) schallt es in Sprechchören | |
| durch das Bremer Steintor-Viertel: Etwa 150 junge Männer ziehen mit | |
| Palästina-Fahnen durch die Straße. Schon am Vorabend war hier spontan | |
| demonstriert worden wegen des Vorgehens der israelischen Armee gegen die | |
| Hamas und ihren Raketenbeschuss. Ich nehme meine Kamera, um die | |
| Demonstration zu dokumentieren. Ich ahne nicht, wie der Abend enden wird. | |
| Die Männer, teilweise noch Jugendliche, wirken aufgeheizt. Einer gibt per | |
| Megafon die Parolen vor: „Freiheit für Gaza!“ – „Israel – Terroriste… | |
| „Zionisten sind Faschisten!“. Einer schwenkt eine Palästina-Flagge, manche | |
| posieren für die Kamera, präsentieren T-Shirts: „Boycott Israel Apartheid�… | |
| In einigem Abstand hinter der Demo fährt ein Mannschaftswagen der Polizei. | |
| Ob sie mitbekommen, was da gerufen wird, frage ich die Beamten durchs | |
| Seitenfenster. „Freiheit für Palästina“, sagt einer, mehr wisse er nicht. | |
| Ostertorsteinweg/Ecke Weberstraße kommt die Demo zum Stehen. Schreie, | |
| Gerangel. Ich will sehen, was genau passiert. Einige Männer gestikulieren, | |
| die Stimmung ist aggressiv. Ich halte die Kamera hoch. Auf einmal greift | |
| jemand danach, dann noch einer. „Hör mal auf“, sage ich. Wieder langt einer | |
| ans Objektiv. Ich schiebe mich aus der Menge, spüre Griffe, Stöße, einen | |
| Tritt in meine Seite. Ein Mann reißt mir plötzlich die Kamera vom Gurt. Ich | |
| schaffe es, sie festzuhalten. | |
| Ich rufe laut um Hilfe: „Polizei, Polizei!“ Passanten werden aufmerksam, | |
| kommen mir entgegen. Die Beamten bleiben in ihrem Wagen sitzen. „Sehen Sie | |
| zu, dass Sie Land gewinnen“, sagt mir einer durchs heruntergelassene | |
| Fenster. „Zu ihrer eigenen Sicherheit.“ Und auf Nachfrage: Ja, das sei sein | |
| Ernst. Hilfe bekomme ich keine. | |
| In dem Moment sehe ich, wie ein Demonstrant einem Passanten unvermittelt | |
| mit der Faust ins Gesicht schlägt: vor meinen Augen und keine fünf Meter | |
| vor dem Polizeiwagen. Der Attackierte knallt, offenbar bewusstlos, mit dem | |
| Hinterkopf auf den Asphalt. Er bleibt regungslos liegen. Umstehende eilen | |
| hinzu, irgendjemand bringt den Mann in die stabile Seitenlage. | |
| Ich rufe den Polizisten zu, dass sie einen Rettungswagen holen sollen. | |
| Jetzt steigen sie aus, der Notarzt sei schon alarmiert, sagen sie. Der | |
| Verletzte liegt immer noch da, regungslos. Nach vielleicht zehn Minuten | |
| kommt der Krankenwagen, er nimmt den Bewusstlosen mit. Da, wo sein Kopf | |
| lag, bleibt eine Blutlache am Boden zurück. | |
| Die 150 aufgebrachten Männer sind da schon weitergezogen. Später erklärt | |
| die Polizei, die Demonstranten seien noch eine Stunde lang durch die | |
| Innenstadt gelaufen, von Polizisten zu Fuß begleitet. „Aus dem | |
| Demonstrationszug kam es zu einem Flaschenwurf in Richtung begleitender | |
| Einsatzkräfte und Blendattacken mit einem Laserpointer“, heißt es tags | |
| darauf in einer Pressemitteilung. „Im Bereich des Ostertorsteinwegs wurde | |
| aus der Gruppe der Demonstranten ein 28 Jahre alter Mann schwer verletzt, | |
| der sich schützend vor einen Journalisten gestellt hatte.“ Der | |
| Schwerverletzte liege immer noch auf der Intensivstation, schwebe aber | |
| nicht in Lebensgefahr. | |
| Die Polizei ermittle wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung, auch | |
| das teilt sie mit. Neben dem einen Mannschaftswagen seien noch mehr Beamte | |
| im Einsatz gewesen, sagt mir am Sonntag ein Polizeisprecher – nur eben | |
| nicht sichtbar. Dieses Vorgehen habe aus ihrer Sicht „funktioniert“. | |
| Vor dem Überfall im Ostertorviertel waren die Demonstranten schon mehr als | |
| eine Stunde lang unterwegs gewesen. Im Nachhinein erfahre ich, dass aus der | |
| Demo heraus ein pöbelnder Passant mit „Scheiß Juden!“ beschimpft worden | |
| sein soll. Ich höre auch, dass der Passant, der dem Verletzten geholfen | |
| hat, ein ausgebildeter Sanitäter ist. Er sagt, er habe die Uniformierten | |
| mehrfach nach ihrem Verbandskasten gefragt, ihn aber nicht bekommen. | |
| Allerdings habe ihm ein Mann geholfen, der höchstwahrscheinlich Polizist in | |
| Zivil gewesen sei. | |
| Zu der Rangelei in der Seitenstraße, den Ausgang der Eskalation, kam es | |
| offenbar, weil ein Zuschauer den Demonstranten den gestreckten Mittelfinger | |
| gezeigt haben soll. | |
| Es gelingt mir, den Mann ausfindig zu machen: Er habe länger in Israel | |
| gelebt, sagt er, er verstehe auch Arabisch. Irgendwie sei es so zu dem | |
| Stinkefinger gekommen. Auch er sei ins Gesicht geschlagen worden und habe | |
| jetzt ein blaues Auge. Einer der Demonstranten habe ihn aus der Menge | |
| gezogen. „Verpiss dich“, habe er gesagt, „die killen dich.“ | |
| 13 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
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