# taz.de -- Flüchtlingsboot in Italien: Fünf Festnahmen nach „Massaker“ | |
> Auf einem Flüchtlingsschiff sollen mehr als 180 Menschen von anderen | |
> Flüchtlingen mit Messern umgebracht worden sein. Selbst Kinder wurden | |
> erschlagen. | |
Bild: Beamte tragen die Leichen von Flüchtlingen von Bord | |
ROM taz | Mehrfacher Mord: Unter diesem Vorwurf hat die italienische | |
Polizei am Dienstag fünf Männer festgenommen, die sich an Bord eines | |
Schiffs befanden, auf dem sich am Samstag eine der größten | |
Flüchtlingstragödien der letzten Jahre ereignete. | |
Erstickt, erschlagen, ertrunken - Italiens Behörden gehen von bis zu 180 | |
Toten auf dem völlig überfüllten Kahn aus, dessen 569 überlebende Insassen | |
am Samstag von dem dänischen Öltanker „Torm Lotte“ 75 Seemeilen südlich … | |
Lampedusa gerettet wurden. Mehrere Opfer kamen noch während der | |
Rettungsaktion ums Leben, als sie vom Schiff ins Wasser sprangen; so | |
rutschten zum Beispiel Kinder aus ihren zu großen Schwimmwesten und | |
ertranken. | |
Doch anschließend machten die italienischen Beamten an Bord eine | |
schreckliche Entdeckung. Unter Deck fanden sie 29 Leichen. Die Menschen | |
waren im Maschinenraum zusammengepfercht und dort der Hitze und den Abgasen | |
zum Opfer gefallen. „Die Leiter nach oben war entfernt, die Luke hermetisch | |
geschlossen worden“, zitiert Il manifesto italienische Polizeibeamte, die | |
zahlreiche Zeugen vernommen hatten. | |
Aus den Aussagen geht auch hervor, dass eine klare Trennung an Bord | |
herrschte. Unter Deck befanden sich ausnahmslos Schwarzafrikaner, die für | |
die Überfahrt zwischen 250 und 500 Dollar gezahlt hatten. Der Platz an Deck | |
dagegen kostete 1.000 bis 2.000 Dollar; die Passagiere dort waren vor allem | |
Syrer. Auch dort waren die Menschen wie Sardinen gedrängt, wie Fotos von | |
dem Schiff zeigen. | |
## Die Luft wurde knapp | |
Als die Luft im Maschinenraum knapp wurde, brachen die dort | |
Eingeschlossenen nach Zeugenaussagen die Luke auf und versuchten, ins Freie | |
zu gelangen. In diesem Moment soll es zu den Morden gekommen sein. Männer, | |
Frauen, ja, selbst Kinder wurden nach Aussagen der Zeugen erstochen oder | |
mit Knüppeln erschlagen und dann über Bord geworfen. | |
Fünf der mutmaßlichen Täter, ein Syrer, zwei Marokkaner, ein Palästinenser | |
und ein Saudi-Araber, wurden von anderen Bootsinsassen identifiziert und | |
daraufhin festgenommen. Drei von ihnen hatten schon Bahntickets Richtung | |
Norditalien in der Tasche. Schon an den Vortagen waren indessen drei | |
Tunesier als mutmaßliche Schlepper in Haft genommen worden. | |
Vermutlich weitere 20 Tote waren auch am Dienstag zu beklagen. Ein Schiff | |
der italienischen Marine konnte zwar 61 Menschen von einem untergehenden | |
Schlauchboot retten, für fünf ertrunken im Wasser Treibende jedoch kam die | |
Hilfe zu spät. Außerdem berichteten die Passagiere von 15 weiteren | |
Menschen, die mit ihnen die Überfahrt angetreten hatten und vermisst sind. | |
## 120.000 Flüchtlinge im Jahr werden erwartet | |
Derweil versuchen Italiens Behörden, des ungebrochen anhaltenden Zustroms | |
von Flüchtlingen Herr zu werden. Etwa 85.000 Menschen gelangten von Januar | |
2014 bis jetzt auf dem Seeweg vor allem von Libyen nach Italien; für das | |
gesamte Jahr ist die Zahl von 120.000 zu erwarten. Im Spitzenjahr 2011 | |
kamen mit etwa 50.000 nicht einmal die Hälfte. Die meisten bleiben in | |
Europa; nach Auskunft des Innenministeriums haben über 80 Prozent von ihnen | |
Asyl- oder Flüchtlingsstatus erhalten. | |
Dies hält die fremdenfeindlich Lega Nord nicht davon ab, politisches | |
Kapital aus der Flüchtlingsfrage zu schlagen. Roberto Maroni, Gouverneur | |
der Lombardei aus den Reihen der Lega Nord, tönte, er „niemals das Geld der | |
Lombarden ausgeben, um die Klandestinen aufzunehmen und ihnen Unterhalt zu | |
gewähren“. In einer Umfrage erklärten sich mehr als 50 Prozent | |
einverstanden mit der Lega-Forderung, die Rettungsaktionen im Mittelmeer | |
einzustellen. | |
23 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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